Gesetzgebung

Bayerischer Städtetag: Umsatzbesteuerung für öffentlich-rechtliche Zusammenarbeit löst einen wahnsinnigen bürokratischen Aufwand aus“

©pixelkorn - stock.adobe.com

„Wenn es tatsächlich so kommt, wie es derzeit scheint, werden Kommunen in absurde Situationen gedrängt: Dann müsste zum Beispiel eine Gemeinde, die ihrer Nachbargemeinde eine Schulturnhalle zum Zweck des Schulunterrichts für einen bestimmten Betrag überlässt, darauf 19 Prozent Umsatzsteuer bezahlen“, erklärt Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags:

„Dieses Bürokratie-Vermehrungspaket darf nicht kommen. Daher warnt der Bayerische Städtetag seit Sommer 2012 vor Rechtsänderungen bei der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand. Allerdings scheinen Bund, Land und Finanzverwaltungen die Warnungen nicht ernst zu nehmen.“

Der Hintergrund: Gerichtsurteile des Europäischen Gerichtshofs (Anm.: insbesondere EuGH, U. v. 16.09.2008, Rs. C-288/07) und des Bundesfinanzhofs (Anm.: z.B. BFH, U. v. 10.11.2011, 5 R 41/10) haben Leistungen von Kommunen als mehrwertsteuerpflichtig eingestuft; daher prüft derzeit eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern eine Rechtsänderung.

Der Bayerische Städtetag wendet sich gemeinsam mit allen kommunalen Spitzenverbänden dagegen, dass künftig viele Leistungen der Kommunen der Mehrwertsteuer unterworfen werden.

Buckenhofer: „Das ist lebensfremd und löst einen wahnsinnigen bürokratischen Aufwand aus“.

So müssten Kommunen, die eine Schulturnhalle an Sportvereine vermieten, den Vereinen künftig 19 Prozent Mehrwertsteuer in Rechnung stellen. Und: Falls eine Kommune für andere im Zuge der kommunalen Beistandsleistung tätig wird, würde dies der Mehrwertsteuerpflicht unterliegen, etwa wenn sie für eine Nachbarkommune die Abwasserentsorgung übernimmt. Städte und Gemeinden müssten ihr gesamtes Leistungsspektrum und sämtliche Vertragsbeziehungen auf besteuerbare Leistungen überprüfen. Eine Vielzahl von Verträgen müssten angepasst oder neu verhandelt werden. Die Feststellung, wann eine kommunale Leistung den potentiellen Wettbewerb berührt, ist schwierig und wird oft erst vor den Finanzgerichten zu klären sein. Der steuerliche Beratungsaufwand bei Kommunen würde sich erhöhen.

Die interkommunale Zusammenarbeit umfasst ein weites Feld: Es geht um die gemeinsame Erledigung von Verwaltungsaufgaben (Personalwesen, Zwangsvollstreckung, Gebäudemanagement); Zusammenarbeit bei e-government (gemeinsame Rechenzentren), Bauhof (Straßenreinigung und Winterdienst), Abfallwirtschaft (Wertstoffhöfe, Abfallzweckverbände), Wasserversorgung, Schulwesen (gemeinsame Schulen, Gastschulbeiträge), Erwachsenenbildung (Volkshochschulen), Sport (Überlassung von Sporthallen), öffentliche Sicherheit und Ordnung (Verkehrsüberwachung, Rettungsdienste), Wirtschaftsförderung und Tourismus.

Buckenhofer: „Für die Bürger bringt das keine Vorteile, im Gegenteil: für die Bürger wird es langfristig teurer. Für die Kommunen wird es teurer und komplizierter, das verursacht in den kommunalen Verwaltungen eine Bürokratiewelle. Wenn es um Leistungsaustausch zwischen Kommunen geht, wäre eine Umsatzbesteuerung fatal. Wir appellieren an den bayerischen Finanzminister und an den Bundesfinanzminister, eine lebensgerechte Lösung zu erreichen.“

Der Freistaat empfiehlt den Kommunen, sich stärker auf interkommunale Zusammenarbeit zu orientieren: Gerade mit Blick auf die demografische Entwicklung, das mangelnde Angebot an Fachkräften und den Konsolidierungsdruck in den Kommunen ist interkommunale Zusammenarbeit ein wichtiges Instrument. Eine Besteuerung der Beistandsleistungen würde die eigentlich gewünschte Zusammenarbeit von Kommunen konterkarieren.

Buckenhofer: „Es ist widersinnig: Einerseits fordern die Innenminister der Länder die Kommunen zu verstärkter interkommunaler Zusammenarbeit auf, andererseits erwägen die Finanzminister der Länder eine Umsatzbesteuerung kommunaler Beistandsleistungen, was die gewünschte interkommunale Zusammenarbeit erschweren würde. Der Freistaat würde sogar sein eigenes Förderprogramm zur interkommunalen Zusammenarbeit konterkarieren: Für die Förderung sind Effizienzgewinne von mindestens 15 Prozent Bedingung – eine Besteuerung mit 19 Prozent würde diesen Effizienzgrad unterlaufen.“

Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand ist ein Beispiel für den Einfluss des Rechts der Europäischen Union auf die Kommunen: In der Folge von Gerichtsurteilen des Europäischen Gerichtshofs hat der Bundesfinanzhof Urteile gefällt, die Leistungen von Kommunen als mehrwertsteuerpflichtig einstufen. Daher prüft nun eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern die Rechtsfolgen.

Buckenhofer: „Was in EU-Expertenkreisen als Richtlinie verhandelt worden ist, kann plötzlich Bayerns Städte und Gemeinden kalt erwischen. Die EU legt für die Schaffung eines europäischen Binnenmarkts wettbewerbsorientierte Maßstäbe an. Dem Leitbild des Wettbewerbs werden alle Bereiche untergeordnet. Dies kann schließlich sogar Bereiche wie kommunale Schulturnhallen treffen, für die es in der Realität gar keine privaten Wettbewerber gibt. Die sogenannte EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie (PDF, 505 KB) muss darauf geprüft werden, ob sie dem Schutz der kommunalen Selbstverwaltung durch den Lissabon-Vertrag gerecht wird. Deutschland muss bei der Umsetzung dieser Richtlinie die Kommunen stützen und erforderlichenfalls eine Richtlinienänderung betreiben.“

Bayerischer Städtetag, PM v. 17.05.2013

Anmerkung: Weiterführende Informationen gibt es z.B. hier (PDF, 92 KB).