Gesetzgebung

Bayerischer Städtetag: Internationale Freihandelsabkommen bedrohen die Daseinsvorsorge

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Maly: Eine neue Liberalisierungswelle könnte mit transatlantischer Wucht kommen

„Schon im Sommer haben wir dem Frieden nicht getraut. Im Juli 2013 schien es so, als hätten die Kommunen einen Erfolg erzielt: Nicht zuletzt mit Hinweis auf den heftigen Widerstand der europäischen Bürgerschaft hat EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier den Entwurf der Europäischen Konzessionsrichtlinie geändert. Die Versorgung mit Trinkwasser wurde aus der EU-Konzessionsrichtlinie herausgenommen. Das bedeutete aber nur kurzzeitig Entwarnung. Die Ruhe war trügerisch. Inzwischen bringen zwei globale Freihandelsabkommen neue Gefahren für die kommunale Daseinsvorsorge, sogar die Trinkwasserversorgung in öffentlicher Hand könnte bedroht sein,“ sagt der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly.

Das überraschende Nachgeben von EU-Binnenmarktkommissar Barnier bei der EU-Konzessionsrichtlinie im Juli 2013 könnte strategisch gewesen sein, vermutet Maly:

„Vorübergehend haben marktliberale Kräfte in der EU-Kommission der kommunalen Daseinsvorsorge Terrain überlassen, um die Bürgerschaft in Ruhe zu wiegen. Aber wir konnten uns nur kurz über einen vermeintlichen Etappensieg freuen. Am Horizont steht schon die neue Liberalisierungsfront bereit: Die EU verhandelt im großen Stil mit den USA auch über die Liberalisierung der Daseinsvorsorge. Im Juli stieg die EU in dem Moment, als für die Wasserversorgung Entwarnung gegeben hat, gleichzeitig in Verhandlungen ein, in denen es nicht zuletzt um eine Liberalisierung der Wasserversorgung geht. Die neue Liberalisierungswelle ist umso gefährlicher, weil sie mit transatlantischer Wucht kommt. Die EU-Kommission könnte in Zukunft mit Hinweis auf internationale Abkommen eine Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen in Europa durchsetzen. Die neue Bundesregierung und die neue Staatsregierung müssen wachsam bleiben, um eine Bedrohung der kommunalen Daseinsvorsorge gar nicht erst möglich werden zu lassen.“

Zwei globale Abkommen wollen öffentliche Dienstleistungen international liberalisieren. Damit kann auch die Debatte über Ausschreibungspflichten für die öffentliche Wasserversorgung wieder auf die Tagesordnung kommen. Anlass zur Sorge bieten die seit Sommer 2013 laufenden Verhandlungen zwischen der EU und den USA über ein Freihandelsabkommen, die Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP).

Maly: „Zunächst klingt es positiv, es klingt nach Erleichterungen für Industrie und große Konzerne: Das Abkommen soll Handelshemmnisse für Chemie, Automobil, Elektronik, Lebensmittel, Agrar und Finanzdienstleistungen beseitigen. Geplant ist die weltweit größte Freihandelszone mit rund 800 Millionen Einwohnern.“

Die EU-Kommission führt im Auftrag des Europäischen Rats die Verhandlungen mit den USA. Das Mandat umfasst auch kommunal-relevante Handlungsbereiche, etwa das öffentliche Auftragswesen, Energiepolitik und Umweltschutz. Nach dem jetzigen Zeitplan sollen die Verhandlungen bis Ende 2014 abgeschlossen sein. Das EU-Parlament und der Rat müssten danach die Ergebnisse genehmigen und dann würden die Regeln für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich.

Maly: „Eine Mitwirkung der Kommunen ist nicht vorgesehen. Derzeit finden die Verhandlungen im Verborgenen statt. Über den Stand der Verhandlungen dringt nichts nach außen – für die Menschen in Europa ist dies nicht transparent.“

Seit Frühjahr 2013 laufen Verhandlungen über ein Folgeabkommen zum WTO-Dienstleistungsabkommen GATS (General Agreement on Trade in Services), das plurilaterale Abkommen über Dienstleistungen (Plurilateral Trade in Services Agreement, PTiSA). Es geht um eine umfassende Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels. Betroffen sind auch Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, wie zum Beispiel in Bildung, Kulturförderung, Gesundheit, soziale Dienstleistungen, Abwasser- und Müllentsorgung, Energie, Verkehr und Wasserversorgung.

Das EU-Parlament hat in einer Entschließung am 4. Juli 2013 gefordert, dass die EU-Kommission bei der Aushandlung von Marktzugangsverpflichtungen sensible Anliegen bei öffentlichen Dienstleistungen sicherstellen soll, etwa für öffentliche Bildung, Gesundheit, Wasserversorgung und Abfallwirtschaft.

Maly: „Es ist fraglich, ob dies tatsächlich die Interessen der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland ausreichend schützen kann. Die Verhandlungen laufen hinter verschlossenen Türen, die Kommunen stehen ebenso draußen vor der Tür wie die europäische Bürgerschaft.“

Bayerischer Städtetag, PM v. 08.11.2013