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BayVGH: Funktionsträger von „Outlaw Motorcycle Gangs“ waffenrechtlich unzuverlässig

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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat mit Urteilen vom 10. Oktober 2013 entschieden, dass Mitglieder einer „Outlaw Motorcycle Gang“ (OMCG) in hervorgehobener Position als Präsident, Vizepräsident oder sonstiger Funktionsträger waffenrechtlich unzuverlässig sind, auch wenn sie selbst oder die Ortsgruppe, der sie angehören, bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sind.

Mehreren Funktionsträgern von Ortsgruppen des „Gremium MC“ und des „Bandidos MC“ wurde, obwohl sie noch nie strafrechtlich in Erscheinung getreten oder verurteilt worden waren, die waffenrechtliche Zuverlässigkeit mit der Begründung aberkannt, dass allein ihre hervorgehobene Position in den Rockerclubs die Annahme rechtfertige, sie würden Waffen und Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden oder Personen überlassen, die hierzu nicht berechtigt seien. Mehrere Verwaltungsgerichte hatten den hiergegen erhobenen Klagen stattgegeben.

Im Berufungsverfahren änderte nun der BayVGH diese Urteile und wies die Klagen ab. Nach Auffassung des BayVGH sind ausreichende und hinreichend konkrete Tatsachen für die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit gegeben, auch wenn weder die Funktionsträger selbst noch ihre Ortsgruppen bisher strafrechtlich in Erscheinung getreten oder verurteilt worden sind. Die Zugehörigkeit des „Gremium MC“ und des „Bandidos MC“ zu den OMCGs und den „1%er“ Motorradclubs zeige, dass sie sich von der breiten Masse der Motorradclubs abgrenzen wollten, die das Begehen von Straftaten nicht als Hauptmotivation ihrer Existenz verstünden. Mit der von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden eingeführten Bezeichnung „Outlaw Motorcycle Gang“ würden weltweit die polizeilich bedeutsamen Rockergruppierungen von der breiten Masse der Motorradclubs (MC) abgegrenzt, die nur im Einzelfall auch kriminelle Aktivitäten verfolgten. Mitglieder von OMCGs, insbesondere der sogenannten 1%er Rockergruppierungen, bewegten sich in einem kriminellen Umfeld, in dem typische Delikte der Organisierten Kriminalität wie Aktivitäten im Rotlichtmilieu, Rauschgifthandel, Bedrohung oder Körperverletzung begangen würden.

Die herausgehobene Stellung als Funktionsträger einer „Gremium MC“ oder „Bandidos MC“ Ortsgruppe sowie deren Nähe zur Organisierten Kriminalität rechtfertigten die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit. Der Nachweis eines bestimmten Fehlverhaltens sei nicht nötig. Es wäre lebensfremd und widerspräche dem präventiven Zweck des Waffenrechts, wenn die Behörde unter diesen Umständen verpflichtet wäre, von einer waffenrechtliche Zuverlässigkeit auszugehen, nur weil es noch nicht zu Straftaten oder Verurteilungen gekommen sei. Angesichts der weltweiten Vernetzung der Clubs und der nationalen und internationalen Verflechtungen sei die waffenrechtliche Zuverlässigkeit auch nicht ausschließlich ortsgruppen-, sondern milieubezogen zu beurteilen.

Der BayVGH hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen.

BayVGH, U. v. 10.10.2013, 21 BV 13.429, 21 B 12.964 u.a.; PM v. 29.11.2013

Redaktionelle Anmerkung

Bei den in der Pressemitteilung angesprochenen anderslautenden Urteilen der Vorinstanzen wäre beispielsweise zu nennen VG Ansbach, U. v. 17.01.2013, AN 5 K 12.00008.

Bei der Entscheidung des BayVGH handelt es sich um ein Grundsatzurteil. Im Rahmen der möglichen Revision wäre höchstrichterlich zu klären, ob bereits und alleine die Mitgliedschaft als Funtionsträger in hervorgehobener Position in einer sog. „Outlaw Motorcycle Gang“ die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) und lit. c) Waffengesetz (WaffG) begründet.

Nachtrag

Inzwischen liegen die Volltexte zu den beiden angesprochenen Urteilen vor. Der BayVGH hat hierzu die folgenden Leitsätze veröffentlicht:

1. Mit der von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden eingeführten Bezeichnung „Outlaw Motorcycle Gang“ (OMCG) werden weltweit die polizeilich bedeutsamen Rockergruppierungen von der breiten Masse der Motorradclubs (MC) abgegrenzt, die zwar im Einzelfall auch kriminelle Aktivitäten verfolgen können, diese aber nicht als Hauptmotivation ihrer Existenz verstehen.

2. Aktuell werden deutschlandweit der Hells Angels MC, Bandidos MC, Outlaws MC, Gremium MC und mit Anfang 2011 Mongols MC den OMCG zugeordnet.

3. Mitglieder solcher OMCG, insbesondere der sogenannten 1%er Rockergruppierungen, bewegen sich in einem kriminellen Umfeld, in dem typische Delikte der Organisierten Kriminalität wie Aktivitäten im Rotlichtmilieu, Rauschgifthandel, Bedrohung oder Körperverletzung begangen werden.

4. Mitglieder dieser OMCG in hervorgehobener Position als Präsident, Vizepräsident oder sonstiger Funktionsträger sind waffenrechtlich unzuverlässig, auch wenn sie selbst bisher strafrechtlich nicht verurteilt worden sind oder die Ortsgruppe (Chapter, Charter), der sie angehören, bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist.

 

Die vorstehenden Leitsätze beziehen sich auf das Verfahren 21 BV 13.429. Die Leitsätze zum Verfahren 21 B 12.964 sind nahezu identisch, sie unterscheiden sich lediglich in der Formulierung zu Leitsatz Nr. 4.