Gesetzgebung

Landtag: Kommunalausschuss diskutiert über Freistellungsanspruch von Kommunalpolitikern

©pixelkorn - stock.adobe.com

Kommunalpolitiker in größeren Städten im Freistaat benötigen für ihr Mandat zwischen 25 und 60 Stunden pro Woche. So verwundert es nicht, wenn eine Studie von Prof. Dr. Marion Reiser von der der Leuphana Universität Lüneburg ergab, dass sich für nur 3,4 Prozent der Ratsmitglieder Arbeit und ehrenamtliche Tätigkeit miteinander vereinen lässt. Bei 90 Prozent führte dies wegen der mangelnden Rechtssicherheit sogar schon zu konkreten Problemen am Arbeitsplatz. Die SPD und Bündnis90/Die Grünen forderten daher in einem Antrag, einen gesetzlichen Freistellungsanspruch für ehrenamtliche Politiker einzuführen. Vor einer Entscheidung ließ der Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport eine Expertenanhörung durchführen.

Der Ausschussvorsitzende für Kommunalpolitik des Landtags in Nordrhein-Westfalen Christian Dahm (SPD) berichtete dabei beispielsweise von der Situation in seinem Bundesland. Dort existiert wie in 13 anderen Bundesländern bereits seit Jahrzehnten ein Freistellungsanspruch für Kommunalpolitiker – inklusive acht Tage Bildungsurlaub pro Jahr. Dadurch werde die Gesellschaft besser widergespiegelt:

„In unseren Kreistagen sitzen nicht nur Pensionierte, sondern auch Arbeitnehmer“, betonte er.

Die Geschäftsführerin der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) in Bayern Svenja Bille sprach sich aus diesem Grund für einen Freistellungsanspruch im Freistaat aus.

„Bei uns bestehen die Kommunalparlamente in erster Linie aus Rentnern, Selbstständigen und Beamten“, erklärte sie.

Der Grund: Viele Berufstätige würden vor einer Kandidatur zurückschrecken. Eine gesetzliche Regelung würde ihrer Meinung zu mehr Bewerbungen bei jüngeren und vor allem weiblichen Politikern führen.

Auch das Kommunalbüro der Grünen & Alternativen in den Räten Bayerns (GRIBIS) plädierte für eine Freistellung.

„Gerade in größeren Städten und Kreistagen gibt es oft längere Anfahrtswege und die Gremien tagen häufig tagsüber“, erklärte Peter Gack.

Dem wiedersprach allerdings die Kommunalpolitische Vereinigung der CSU (KPV):

„Die jetzige Regel funktioniert“, rief Landesgeschäftsführer Jörg Kunstmann den Abgeordneten zu.

Das geplante Gesetz würde nur den Neid unter Kollegen fördern.

„Ein Anspruch könnte zudem dazu führen, dass viele nur des Geldes wegen kandidieren.“

Die kommunalen Spitzenverbände lehnten einen Freistellungsanspruch ebenfalls ab. Bei ihnen seien kaum rechtliche Problemfälle bekannt.

„Darüber hinaus sind die Begrifflichkeiten juristisch sehr vage“, erläutert Otto Schaudig vom Bayerischen Städtetag.

„Wer aus beruflichen Gründen bei Sitzungen fehlt, ist außerdem entschuldigt“, ergänzte Dr. Andreas Gaß vom Bayerischen Gemeindetag.

Des Weiteren sei das Ehrenamt durch die Flexibilisierung der Arbeitszeiten für Arbeitnehmer immer besser in Einklang zu bringen. Dr. Johann Keller vom Bayerischen Landkreistag schlug vor, lieber andere Möglichkeiten zu prüfen, um die Anzahl der Kandidaturen zu erhöhen.

Erwartungsgemäß setzten sich in der weiteren Anhörung der Ver.di-Landesbezirk Bayern für und die Arbeitgeberverbände wie der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK), die Handwerkskammer für München und Oberbayern sowie die vbw – Die bayerische Wirtschaft gegen einen Freistellunganspruch ein.

In der Fraktionsaussprache zeigte sich auch der Ausschussvorsitzende Herrmann einem gesetzlichen Rechtsanspruch gegenüber skeptisch:

„Gerade kleinere Betriebe haben Problem, ihre Mitarbeiter freizustellen“, berichtete er.

Die Opposition hingegen pochte geschlossen auf die Einführung:

„Ich kenne eine Reihe von Beispielen, wo Leute auf ihr Mandat verzichtet haben, weil sie bei ihrem Arbeitgeber erst gar nicht anfragen brauchten“, unterstrich Dr. Paul Wengert (SPD).

Jürgen Mistol (Bündnis 90/Die Grünen) versicherte:

„Vielleicht landen nicht alle Fälle vor Gericht, aber dass es keine Probleme gibt, kann ich nicht behaupten.“

Seiner Meinung nach hätten Parteien immer mehr Probleme, Personen für ihre Mandatslisten zu finden. Und Joachim Hanisch (FREIE WÄHLER) wies darauf hin, dass fast alle Bundesländer einen Freistellungsanspruch eingeführt haben.

„Auch wenn wir dadurch nicht alle Probleme in den Griff bekommen: Das Ehrenamt gilt es laut bayerischer Verfassung ausdrücklich zu stärken.“

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Aus den Ausschüssen v. 04.03.2015 (von David Lohmann)