Gesetzgebung

Staatskanzlei: Ministerrat beschließt Forderungskatalog als Schlussfolgerung aus Geschehnissen in Kölner Silvesternacht

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Innenminister Joachim Herrmann: „Ausländische Straftäter rasch abschieben / Ausweisungsrecht verschärfen“ / Justizminister Prof. Winfried Bausback: „Lücken im Sexualstrafrecht und bei der Verkehrsdatenspeicherung schließen / Für effektive strafrechtliche Terrorbekämpfung Ausweitung der elektronischen Fußfessel und Strafbarkeit der Sympathiewerbung“

Das Kabinett hat heute als politische Schlussfolgerung aus den Geschehnissen der Silvesternacht in Köln sowie den jüngsten Terroranschlägen einen konkreten Forderungskatalog beschlossen.

Nach Auffassung von Innenminister Joachim Herrmann muss der Rechtsstaat nach den Vorfällen in Köln umgehend mit gebotener Härte reagieren. Herrmann plädierte dafür, die Rückführung von ausländischen Straftätern oder abgelehnten Asylbewerbern in ganz Deutschland deutlich zu beschleunigen und zu erweitern:

Ausländische Straftäter und straffällige abgelehnte Asylbewerber müssen wir rasch abschieben.“

Da straffällige Asylbewerber im laufenden Asylverfahren besonderen Schutz genießen, müsse der Bund auch deshalb dafür sorgen, die Asylverfahren schneller abzuschließen, erneuerte Herrmann seine Forderung an den Bund.

Bei straffälligen anerkannten Asylbewerbern gilt es laut Herrmann, das Strafmaß, ab dem Abschiebungen zulässig sind, abzusenken, um Abschiebungen schon bei geringeren Strafen zu ermöglichen. Der Innenminister hob folgende Forderungen nach Verschärfungen des seit 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsrechts hervor:

  • Laut Herrmann geht der Vorschlag von Bundesinnenminister de Maizière und Bundesjustizminister Maas zur erleichterten Ausweisung von Straftätern zwar in die richtige Richtung. Die vorgesehene Absenkung der Grenze der Strafhöhe, ab der anerkannte Flüchtlinge ausgewiesen werden können, auf ein Jahr Freiheitsstrafe bei Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist ausdrücklich zu begrüßen.

Herrmann: „Bei der vorgesehenen Ausweitung müssen jedoch auch die Betäubungsmitteldelikte in den Straftatenkatalog mit aufgenommen. Wer dealt, begeht de facto Körperverletzung, weil er bewusst eine Drogenabhängigkeit in Kauf nimmt.“

  • Bei straffälligen Asylbewerbern und anerkannten Asylberechtigten ist über den von der Bundesregierung vorgeschlagenen Straftatenkatalog hinaus die Strafhöhengrenze für die Ausweisung bei der Begehung sonstiger (nicht im Katalog genannter) Delikte von drei Jahren auf Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren abzusenken.

Das ist auch mit Europäischem Recht und der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar“, so Herrmann.

  • Im Rahmen der Ermessensabwägung von Ausweisungs- und Bleibeinteressen bei dem seit 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsrecht muss eine eindeutige gesetzliche Gewichtung zugunsten der Ausweisungsinteressen (d.h. des öffentlichen Interesses an der Ausweisung) eingeführt werden. So sollte der Gesetzgeber zum Beispiel vorgeben, dass in der Regel besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen wegen bestimmter Straftaten ein Bleibeinteresse des Betroffenen überwiegen.

Die Entscheidung muss für die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte durch den Gesetzgeber klarer vorgegeben werden“, so Herrmann.

  • Herrmann forderte außerdem, dass der Aufenthaltstitel eines Ausländers bei Begehung schwerer Straftaten bereits unmittelbar kraft Gesetzes erlöschen müsse. Unbefristete Aufenthaltstitel wie die Niederlassungserlaubnis sollen bei Verurteilung zu bestimmten Strafen unmittelbar kraft Gesetzes auf einen befristeten Aufenthaltstitel herabgestuft werden können.
  • Darüber hinaus sprach sich der Ministerrat für eine Ausweitung der Leistungskürzungen bei straffälligen Asylbewerbern aus. Die Leistungskürzung nach § 1 a Abs. 3 Asylbewerberleistungsgesetz bei sogenannten geduldeten Personen, bei denen aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können (z.B. wegen weggeworfenen Reisepasses), soll auch für Geduldete gelten, die die fehlende Durchsetzbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen zwar nicht zu vertreten haben, aber dafür straffällig geworden sind.

Innenminister Herrmann weiter:

Auch die Herkunftsländer müssen wir in die Pflicht nehmen. Wenn solche Länder sich weigern, diese Menschen wieder aufzunehmen, sollten wir auch den Hebel über die Kürzung der Entwicklungshilfe ansetzen. Wir reden hier von deutschen Steuergeldern: Um Entwicklungshilfe zu erhalten, muss ein Entwicklungsland auch in solchen Fragen kooperativ sein.“

Für Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback haben die Übergriffe in Köln, die Terrorwarnung in München an Silvester und der jüngste Terroranschlag in Istanbul gezeigt, dass sich der Rechtsstaat derzeit vielfachen Herausforderungen gegenübersieht.

Bausback: „Diesen müssen wir gerade auch mit neuen Gesetzen im Bereich des Strafrechts begegnen.“

Bausback nannte dazu folgende Schwerpunkte:

  • Notwendig ist eine Verschärfung des Sexualstrafrechts:

Köln hat deutlich gemacht: Unser Strafrecht hat in diesem Bereich Lücken! Ich fordere daher eine eigenständige Strafnorm gerade für die besonders einschüchternde und gefährliche Begehung von sexuellen Übergriffen durch oder aus Gruppen heraus. Jeder, der sich an einer Gruppe beteiligt, aus der heraus sexuelle Übergriffe vorgenommen werden, soll sich künftig als Täter eines Sexualdelikts verantworten müssen – und zwar auch dann, wenn er selbst keine sexuellen Handlungen vornimmt oder ihm solche nicht nachgewiesen werden können. Nur so können unsere Staatsanwaltschaften und Gerichte künftig bei Vorfällen wie in Köln angemessen reagieren.“

  • Auch im Bereich der strafrechtlichen Ermittlungsmöglichkeiten seien Nachbesserungen nötig.

Bausback: „Wir brauchen eine zweifache Ausweitung der Speicherung von Verkehrsdaten (sogenannte Vorratsdatenspeicherung). Zum einen müssen wir auch die Verkehrsdaten der in der heutigen Zeit zentralen Email-Kommunikation in die Speicherpflicht einbeziehen. Ich habe schon immer gesagt: In Fällen, in denen sich Täter zu gravierenden Straftaten verabreden, müssen wir einfach auch wissen, wer wann mit wem per Email kommuniziert hat.“

Zum anderen müsse der Katalog der Straftaten, bei denen die Strafverfolgungsbehörden die Verkehrsdaten abrufen können, erweitert werden.

Bausback: „Es kann nicht sein, dass bei massenweisen Rechtsverstößen wie in Köln oder anderen gravierenden Sexualdelikten ein Zugriff auf diese Daten derzeit nicht möglich ist. Aber auch bei der Terrorismus- und Extremismusbekämpfung sind Lücken vorhanden, die bei der aktuellen Bedrohungslage nicht akzeptabel sind. Unsere Strafverfolgungsbehörden müssen derzeit zum Beispiel bei der Terrorismusfinanzierung und einigen anderen Straftaten, die unsere Sicherheitsinteressen massiv betreffen, auf Verkehrsdaten verzichten. Das muss schleunigst geändert werden.“

  • Das Strafrecht müsse darüber hinaus allgemein seinen Beitrag leisten, um Extremismus und Terrorismus schon in einem frühen Stadium möglichst gezielt entgegenzuwirken.

Bausback: „Ich fordere schon seit langem, die sogenannte Sympathiewerbung für kriminelle und terroristische Vereinigungen wieder unter Strafe zu stellen. Unser Strafrecht muss schon da ansetzen, wo Menschen auf unseren Straßen oder im Internet für die Zwecke von IS, Al-Kaida und Co. werben. Wir müssen lückenlos mit den Mitteln des Strafrechts gegen solche Organisationen vorgehen können, bevor Menschen durch terroristische Aktivitäten zu Schaden kommen.“

  • Auch bei schon bekannten und verurteilten extremistischen Gefährdern sei es notwendig, die Möglichkeiten des Strafgesetzbuches auszuweiten:

Hier müssen die Regelungen zur sogenannten elektronischen Fußfessel reformiert werden“, so Bausback.

Die Anordnung der elektronischen Fußfessel soll künftig schon bei Verurteilungen zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe wegen solcher Straftaten möglich sein, die von extremistischen Gefährdern typischerweise im Vorfeld eines Attentats begangen werden.

Bausback: „So ist es dann zum Beispiel möglich, verurteilten terrorverdächtigen Personen die Weisung zu erteilen, zu bestimmten Zeiten konkrete besonders anschlagsgefährdete Orte oder Veranstaltungen nicht aufzusuchen und die Einhaltung der Weisung elektronisch zu überwachen. Für die Sicherheit unserer Bevölkerung wäre das ein erheblicher Gewinn!“

Staatskanzlei, Bericht aus der Kabinettssitzung, Pressemitteilung v. 18.01.2016