Gesetzgebung

Staatsregierung: Gesetzentwurf für ein Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) eingebracht

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Terrorismus_Fotolia_39217154_S_copyright - pass IIDie Staatsregierung hat o.g. Gesetzentwurf eingebracht (LT-Drs. 17/10014 v. 16.02.2016). Der Entwurf sieht eine grundlegende Umstrukturierung und vollständige Neufassung des Gesetzes vor, das alte BayVSG, dessen Grundkonzeption aus dem Jahre 1990 stammt, soll außer Kraft treten. Daneben sieht der Gesetzentwurf Änderungen des Ausführungsgesetzes Art. 10-Gesetz (AGG 10), des Bayerischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (BaySÜG) und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes (PKGG) vor.

I. Gründe für die Gesetzesinitiative

Der Gesetzentwurf rekurriert zunächst auf das hohe Bedrohungs- und Gefährdungspotenzial durch den islamistischen Terrorismus, das in den Anschläge in Paris am 13. November 2015 deutlich geworden sei, und konstatiert, dass der „engen und effektiven Zusammenarbeit der Nachrichtendienste, Polizei- und sonstigen Sicherheitsbehörden im Verhältnis von Bund und Ländern existenzielle Bedeutung zu(komme)“. Innerhalb der Sicherheitsarchitektur habe der Verfassungsschutz die unverzichtbare Aufgabe, Bedrohungen bereits im Vorfeld einer konkreten Gefahr zu identifizieren.

Sodann bezieht sich der Gesetzentwurf auf die Erkenntnisse aus der Aufarbeitung der rechtsterroristischen NSU-Morde und diagnostiziert, dass erhebliche Schwachstellen in der Sicherheitsarchitektur zu Tage getreten sind, die es – auch im Wege gesetzgeberischen Handelns – zu beheben gilt. Dies habe die von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren eingesetzte Bund-Länder-Kommission „Rechtsterrorismus“ (BLKR) und der Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags (Drs. 16/17740 [PDF]) ebenso deutlich aufgezeigt wie die von zahlreichen anderen Landesparlamenten und vom Deutschen Bundestag eingesetzten Untersuchungsausschüsse.

Gesetzgeberisches Handeln muss sich innerhalb des von Verfassungs wegen vorgegebenen Rahmens bewegen. Hier nennt der Gesetzentwurf zuvörderst das Urteil des BVerfG zum Antiterrordateigesetz (ATDG) (BVerfGE 133, 277 ff.), das ein „informationelles Trennungsprinzip“ mit Verfassungsrang entwickelt habe, das der Informationsübermittlung zwischen Verfassungsschutzbehörden und Polizei enge und deutliche Grenzen ziehe.

Als Richtschnur für die gesetzliche Novellierung auf Landesebene nennt der Gesetzentwurf darüber hinaus das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 17. November 2015 (BGBl. I S. 1938), das insbesondere Voraussetzungen und Grenzen des in der Öffentlichkeit viel diskutierten Einsatzes von Verdeckten Mitarbeitern und Vertrauensleuten (V-Leuten) festlegt.

Schließlich gehe es bei der gesetzlichen Neuregelung auch darum, die gesellschaftliche Akzeptanz der Arbeit des Verfassungsschutzes zu verbessern.

II. Zentrale Regelungen

Zu den zentralen Änderungen gehören eine enge Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit Polizei- und Sicherheitsbehörden insbesondere im Bereich der Informationsübermittlung, klare gesetzliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von verdeckten Ermittlern und V-Leuten und eine stärkere Harmonisierung der Vorschriften mit Bundesrecht. Neu ist vor allem die Befugnis des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz, künftig auf die Daten der sogenannten Vorratsdatenspeicherung zuzugreifen (zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder eines Landes).

III. Inhalt und Systematik des Gesetzentwurfs

Zur Veranschaulichung der nachfolgend 1:1 aus der Gesetzesbegründung übernommenen Ausführungen zum Inhalt und zur Systematik des BayVSG-E (Punkte 1. bis 6. – die Fettungen wurden redaktionell vorgenommen) wird dessen Inhaltsübersicht abgebildet:

Gesetzentwurf Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) – Inhaltsübersicht

Teil 1 Organisation und Aufgaben

Art. 1 Organisation
Art. 2 Zusammenarbeit
Art. 3 Aufgaben
Art. 4 Begriffsbestimmungen

Teil 2 Befugnisse

Kapitel 1 Allgemeine Bestimmungen
Art. 5 Allgemeine Befugnisse
Art. 6 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Kapitel 2 Nachrichtendienstliche Mittel
Art. 7 Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel
Art. 8 Verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Wohnraumüberwachung
Art. 9 Verdeckter Zugriff auf informationstechnische Systeme
Art. 10 Verfahren bei Maßnahmen nach den Art. 8 und 9
Art. 11 Ortung von Mobilfunkendgeräten
Art. 12 Auskunftsersuchen zu Telekommunikation und Telemedien
Art. 13 Auskunftsersuchen im Schutzbereich des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses
Art. 14 Weitere Auskunftsersuchen
Art. 15 Verfahren für Maßnahmen nach den Art. 12 bis 14
Art. 16 Verdeckte Mitarbeiter
Art. 17 Vertrauensleute
Art. 18 Parlamentarische Kontrolle

Kapitel 3 Datenverarbeitung
Art. 19 Löschung und Sperrung personenbezogener Daten
Art. 20 Errichtungsanordnung
Art. 21 Auskunft

Kapitel 4 Übermittlungsvorschriften
Art. 22 Informationsübermittlung durch öffentliche Stellen
Art. 23 Informationsübermittlung durch das Landesamt
Art. 24 Verfassungsschutz durch Aufklärung der Öffentlichkeit
Art. 25 Übermittlungsverbote

Teil 3 Schlussvorschriften

Art. 26 Anwendbarkeit des Bayerischen Datenschutzgesetzes
Art. 27 Einschränkung von Grundrechten
Art. 27a Änderung weiterer Vorschriften
Art. 28 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

1. Das Landesamt für Verfassungsschutz stellt ein unverzichtbares Instrument der wehrhaften Demokratie in Bayern dar. Innerhalb der bayerischen Sicherheitsarchitektur ergänzt das Landesamt für Verfassungsschutz als Nachrichtendienst ohne exekutiv-polizeiliche Befugnisse die Arbeit der Polizei und sonstigen Sicherheitsbehörden, indem es verfassungsfeindliche Bestrebungen im Vorfeld aufklärt und als Ansprechpartner für andere Nachrichtendienste im In- und Ausland zur Verfügung steht. Die Aufgabe der Polizei- und sonstigen Sicherheitsbehörden besteht darin, die sich bereits zur konkreten Gefahr verdichteten Bestrebungen zu verhindern und die daraus resultierenden Straftaten aufzuklären, ohne dass ihnen dabei in gleicher Weise wie dem Verfassungsschutz der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gestattet wäre. Demgemäß geht der Gesetzentwurf vom sogenannten Trennungsprinzip aus: Das Landesamt für Verfassungsschutz ist als eigenständige Landesoberbehörde unter der Aufsicht des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr ausgestaltet (Art. 1), das damit von der im Polizeiordnungsgesetz (POG) gesetzlich festgelegten Organisationsstruktur der Polizei getrennt bleibt und über keine polizeiliche Exekutivbefugnisse verfügt (Art. 5 ff.). Aus der organisatorischen Trennung bei unterschiedlicher Reichweite der Eingriffsbefugnisse folgert das Bundesverfassungsgericht im ATDG-Urteil das „informationelle Trennungsprinzip“, das die Grenze für eine Informationsübermittlung durch das Landesamt für Verfassungsschutz an Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden sowie sonstige Behörden und Stellen zieht (Art. 23).

2. Die dem Landesamt für Verfassungsschutz eingeräumten Befugnisse zur Erhebung von Informationen werden konsequent an den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgerichtet. Über den Rahmen der bisherigen Befugnisse hinaus wird dem Landesamt für Verfassungsschutz der Zugriff auf die nach dem Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2218) von Telekommunikationsanbietern befristet zu speichernden Verkehrsdaten erlaubt (Art. 13 Abs. 3).

3. Um einerseits die Handlungsfähigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz angesichts des hohen Bedrohungspotenzials durch den islamistischen Terrorismus und seine Folgewirkungen auch in Zukunft sicherzustellen, andererseits das durch die Aufdeckung der NSU-Morde beeinträchtigte Vertrauen der Öffentlichkeit in die Arbeit des Verfassungsschutzes wieder zu stärken, setzt der Gesetzentwurf auf eine moderne, scharf konturierte Gesetzesfassung, der eine klar strukturierte Systematik zugrunde liegt. Durch die verbesserte Normenklarheit soll die Rechtssicherheit erhöht und so die Grundlage für eine stärkere gesellschaftliche Akzeptanz geschaffen werden. Zugleich erhalten auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz für ihre tägliche Arbeit einen besser verständlichen gesetzlichen Rahmen.

a) Dazu bindet der Gesetzentwurf das Bayerische Verfassungsschutzgesetz stärker in den vom Bundesgesetzgeber für die Zusammenarbeit innerhalb des Verfassungsschutzverbundes geschaffenen Regelungskomplex ein (§§ 1 und 2 BVerfSchG). Die Aufgabenbeschreibung (Art. 3) übernimmt die vom Bund definierten Zusammenarbeitsaufgaben ( 3 BVerfSchG) an. Auch die Begriffsdefinitionen des Bundes (§ 4 BVerfSchG) werden in das Landesrecht eingeführt (Art. 4).

b) Der Gesetzentwurf enthält eine überarbeitete und feiner strukturierte Gliederung in Teile und Kapitel. In Teil 1 werden neben den organisatorischen Rahmenbedingungen die Aufgaben des Landesamts für Verfassungsschutz normiert. Entsprechend der im Polizei- und Sicherheitsrecht bewährten Unterscheidung werden dann in Abschnitt 2 die Befugnisse normiert, die dem Landesamt für Verfassungsschutz zur Erfüllung seiner Aufgaben zur Verfügung stehen. Das Kapitel 1 dieses Abschnitts enthält dabei die allgemeine Befugnisnorm zur Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung (Art. 5) und den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als die zentrale Schranke jeder Eingriffsbefugnis (Art. 6). Das Kapitel 2 regelt dann das „Wie“ der Datenerhebung näher, indem er von einer allgemeinen Befugnis zur Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel ausgeht (Art. 7). Diese wird aber verdrängt, soweit im Folgenden für besondere nachrichtendienstliche Mittel spezielle Mittelbefugnisnormen bestehen (Art. 8 ff.). Auch insoweit orientiert sich der Gesetzentwurf an der im Polizeirecht bewährten Systematik, die zwischen der Generalklausel ( 11 PAG) und vorrangigen Standardbefugnissen (Art. 12 ff. PAG) unterscheidet. Das Kapitel 3 betrifft die Datenverarbeitung und enthält insbesondere Vorschriften zur Löschung und Sperrung personenbezogener Daten (Art. 19) und das Auskunftsrecht des Betroffenen (Art. 21). Da die Datenübermittlung zu den zentralen Regelungsbereichen gehört, ist sie, auch wenn es sich um eine Form der Datenverarbeitung handelt (vgl. Art. 4 Abs. 6 Satz 1 BayDSG), als eigenes Kapitel 4 hervorgehoben. Der Teil 3 enthält dann Schlussvorschriften, die u.a. das Verhältnis zum Bayerischen Datenschutzgesetz (Art. 26) und das Zitiergebot (Art. 27) umfassen.

c) Bei den besonderen nachrichtendienstlichen Mitteln, die sich durch eine erhöhte Grundrechtssensibilität auszeichnen, setzt der Gesetzentwurf auf bundesweit einheitlich geltende rechtsstaatliche Standards. So enthält die Vorschrift über den verdeckten Einsatz technischer Mittel im Schutzbereich des Wohnungsgrundrechts ( 13 GG, Art. 106 Abs. 3 BV) einen Verweis auf den Katalog besonders schwerer Straftaten in § 100c Abs. 2 StPO, dessen Neufassung vom Bundesverfassungsgericht bereits für verfassungskonform befunden wurde (BVerfG NJW 2007, 2753 ff.).

Bei der Einholung von Auskünften von Telekommunikationsdiensteanbietern verweist der Gesetzentwurf auf § 8b Abs. 8 Satz 4 und 5 BVerfSchG, so dass hinsichtlich der Pflicht zu Vorkehrungen für die technische und organisatorische Umsetzung der Auskunftsverpflichtung und hinsichtlich der technischen Einzelheiten die Vorschrift des § 110 TKG und die dazu erlassene Rechtsverordnung sowie die Technische Richtlinie nach § 110 Abs. 3 TKG gelten (Art. 15 Abs. 3 Satz 1). Außerdem wird für die Erteilung von Auskünften der Telemediendiensteanbieter, Luftfahrtunternehmen, Kreditinstitute u.ä. die Nachrichtendienste-Übermittlungsverordnung (NDÜV) des Bundes für anwendbar erklärt (Art. 15 Abs. 3 Satz 2). Die Heranziehung bundeseinheitlich geltender Maßstäbe erleichtert den Austausch zwischen den Verfassungsschutzbehörden und hält die mit der Auskunftserteilung verbundene Belastung der verpflichteten Unternehmen möglichst gering. Zum Schutz der Betroffenen wird ein dem § 8b Abs. 5 BVerfSchG entsprechendes Benachteiligungsverbot eingeführt (Art. 15 Abs. 1).

Hinsichtlich der materiellen Grenzen (Schutz des Kernbereichs privater Lebensführung, Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen, Eingriff als Ultima Ratio etc.) und des Verfahrens (Antrag, Durchführung, Mitteilung an Betroffene etc.) verwendet der Gesetzentwurf soweit wie möglich dynamische Rechtsgrundverweisungen auf das Artikel 10-Gesetz (G 10). Dieses enthält eine bundesweit einheitlich geltende Grundlage für Maßnahmen der Nachrichtendienste sowohl des Bundes als auch der Länder im Schutzbereich des Art. 10 GG und ist daher aus diesem Bereich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesamts für Verfassungsschutz bereits vertraut. Das G 10 wurde im Jahre 1999 einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung unterzogen (BVerfGE 100, 313 ff.) und im Jahre 2001 aufgrund der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Vorgaben des Grundgesetzes beim Umgang mit personenbezogenen Daten verschärft (vgl. BT-Drs. 14/5655 S. 13). Auf die zu Art. 10 GG entwickelten Maßstäbe rekurriert das Bundesverfassungsgericht später in seinem Urteil zur akustischen Wohnraumüberwachung (BVerfGE 109, 279 ff., insb. 363 ff., 374 ff.). Auf letzteres verweist wiederum das Urteil zur Online-Durchsuchung (BVerfGE 120, 274/332 ff.). Dass für Daten, die durch einen Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG, in Art. 13 Abs. 1 GG oder in das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) gewonnen werden, in weiten Teilen vergleichbar strenge Anforderungen gelten, hat das Bundesverfassungsgericht im ATDG-Urteil nochmals deutlich gemacht (BVerfGE 133, 277, Rn. 225 f.). Auch wenn für Eingriffe in Art. 13 Abs. 1 GG und für den verdeckten Zugriff auf informationstechnische Systeme teilweise, insbesondere aufgrund des Richtervorbehalts, noch strengere Voraussetzungen gelten als für Maßnahmen im Schutzbereich des Art. 10 GG, bietet es sich an, die Vorschriften des G 10, soweit in ihnen Anforderungen normiert wurden, die für besonders grundrechtssensible Maßnahmen unterschiedslos gelten, als rechtsstaatlichen bundeseinheitlichen Standard auch einheitlich den einzelnen Befugnisnormen zugrunde zu legen. Dadurch lassen sich die komplizierten Vorschriften des geltenden Gesetzes zu Anforderungen an den Einsatz besonderer nachrichtendienstlicher Mittel erheblich vereinfachen.

Die Regelungstechnik des dynamischen Verweises auf Vorschriften des G 10 kennt bereits das geltende Gesetz und wird auch vom Bundesgesetzgeber verwendet. Der Gesetzentwurf setzt diese Regelungstechnik nun konsequent weiter um. Die Regelungstechnik der dynamischen Verweisung bietet den weiteren Vorteil, dass eventuelle Änderungen des G 10, die in der Regel durch die Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgelöst werden, automatisch in das Landesrecht übernommen werden. Der Landtag hätte jederzeit die Möglichkeit, gegebenenfalls einer aus seiner Sicht nicht akzeptablen Änderung des G 10 seitens des Bundesgesetzgebers durch eine Änderung der Verweisungsnormen im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz zu begegnen.

d) Besonders hohen Wert legt der Gesetzentwurf darauf, bundeseinheitliche Standards für den Einsatz von Verdeckten Mitarbeitern und V-Leuten zu normieren. Daher übernimmt der Entwurf die entsprechenden Vorschriften des Bundes ( 9a und § 9b BVerfSchG) weitestgehend wörtlich (Art. 16 und Art. 17). Darin hat der Bundesgesetzgeber die diesbezüglichen Empfehlungen der BLKR zur Stärkung der Akzeptanz (Abschlussbericht Rn. 650) aufgegriffen und den Einsatzrahmen gesetzlich festgelegt (vgl. BT-Drs. 18/4654 S. 25 ff. [PDF]). Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Regelungen zu Verdeckten Mitarbeitern und V-Leuten waren im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens nochmals verschärft worden (vgl. BT-Drs. 18/5415 S. 9 [PDF], Ausschussdrucksache 18(4)350). Die nunmehrige Gesetzesfassung beruht auf einem breiten Konsens auf Bundesebene. Soweit dieser Gesetzentwurf geringfügig im Wortlaut abweicht, ist dies der anderen Gesetzessystematik, den funktionellen Unterschieden zwischen Bundes- und Landesamt für Verfassungsschutz sowie der Rechtssicherheit und -klarheit geschuldet. Da das Bundesamt für Verfassungsschutz als Zentralstelle innerhalb des Verfassungsschutzverbunds seine Beobachtung auf gewaltorientierte Bestrebungen konzentriert, kommt den Landesverfassungsschutzbehörden verstärkt die Aufgabe zu, das für die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht minder gefährliche Feld des „Aushöhlens mit gesetzlichen Mitteln“ zu beobachten.

4. Die parlamentarische Kontrolle des Landesamts für Verfassungsschutz wird verstärkt. Künftig ist auch über den Einsatz von Verdeckten Mitarbeitern und V-Leuten in jährlichem Abstand dem Parlamentarischen Kontrollgremium zu berichten (Art. 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b).

5. Im Interesse der erforderlichen Verbesserung der Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit den Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden sieht der Gesetzentwurf eine ausdrückliche Klarstellung der entsprechenden Verpflichtung im Rahmen und in den Grenzen des Trennungsprinzips vor (Art. 2 Abs. 1). Zur weiteren Harmonisierung der Übermittlungsvorschriften lehnt sich der Gesetzentwurf hinsichtlich der Informationsübermittlung durch das Landesamt für Verfassungsschutz (Art. 23) eng an die im Hinblick auf das ATDG-Urteil des Bundesverfassungsgerichts überarbeiteten Vorschrift für das Bundesamt für Verfassungsschutz an (§ 19 BVerfSchG). Über die Bundesregelung hinaus, wird die Informationsübermittlung in Form einer Soll-Vorschrift ausgestaltet. Auch die Regelung der Übermittlungsverbote (Art. 25) stimmt weitgehend wörtlich mit dem Bundesgesetz überein (§ 23 BVerfSchG). Zudem wird die kraft Bundesrechts für die länderübergreifende Zusammenarbeit bestehende Pflicht zur Übermittlung von Informationen (§ 21 Abs. 1 BVerfSchG) auf die Zusammenarbeit innerhalb Bayerns ausgedehnt (Art. 23 Abs. 2 Satz 2).

6. Um die Rechtsklarheit zu verbessern und die Transparenz zu erhöhen, werden die Vorschriften über die Speicherung, Löschung und Archivierung von Dateien und Akten enger an das allgemeine Datenschutzrecht angebunden. Die Ausnahmen von der Anwendbarkeit des Bayerischen Datenschutzgesetzes (Art. 26) werden deutlich zurückgenommen und Sonderregelungen (Art. 19 ff.) auf das im Hinblick auf die Funktion des Landesamts für Verfassungsschutz als Nachrichtendienst Notwendige beschränkt. Außerdem werden die Höchstspeicherfristen für Daten besser mit dem Bundeszentralregistergesetz (BZRG) abgestimmt, denn die dort getroffenen Wertentscheidungen des Bundesgesetzgebers zu den Voraussetzungen einer Rehabilitierung des Betroffenen sollen über den Verfassungsschutz nicht umgangen werden können. Umgekehrt stünde es im Widerspruch zur Kernaufgabe des Verfassungsschutzes, sicherheitsrelevante Gefährdungen bereits im Vorfeld zu beobachten, wenn das Landesamt für Verfassungsschutz seine Erkenntnisse früher löschen müsste als die zur Verfolgung der sich bereits in einer Straftat manifestierten Gefahr zuständigen Strafverfolgungsbehörden.

Staatsregierung, Gesetzentwurf für ein Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG), LT-Drs. 17/10014 v. 16.02.2016 (Vorgangsmappe des Landtags, PDF)

Ass. iur. Klaus Kohnen; Titelbild: (c) XtravaganT – Fotolia.com

Redaktionelle Hinweise

Verfahrensverlauf, aktueller Stand, ggfls. Stellungnahmen zum Gesetzentwurf: hier.

Der BayRVR-Wochenspiegel (erscheint montags) enthält neben jüngst veröffentlichten Leitsatzentscheidungen auch einen Überblick über die im Freistaat Bayern laufenden Gesetzgebungsverfahren (Verfahrensverlauf, aktueller Stand, ggfls. Stellungnahmen), soweit diese voraussichtlich eine parlamentarische Mehrheit finden werden.