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Rezension: Bartosch, EU-Beihilfenrecht (2. Aufl.)

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Rezension_Fotolia_91184109_S_copyright - passvon Prof. Dr. Sebastian Unger, Ruhr-Universität Bochum

1. Das europäische Beihilfenrecht soll Verzerrungen des Wettbewerbs im Binnenmarkt durch mitgliedstaatliche Subventionen verhindern, sofern diese nicht ausnahmsweise gerechtfertigt sind. In seinem Mittelpunkt stehen die seit Inkrafttreten des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft am 01.01.1958 inhaltlich weitgehend unverändert gebliebenen Regelungen in den Art. 107 bis 109 AEUV. Ergänzt werden diese primärrechtlichen Vorschriften durch sekundär- und tertiärrechtliche Regelungen, die in den vergangenen Jahren unter der Überschrift „State Aid Modernisation“ einen grundlegenden Modernisierungsprozess durchlaufen haben. Mit der am 14.10.2015 in Kraft getretenen Verfahrensverordnung (EU) Nr. 2015/1589, die an die Stelle der alten Verfahrensverordnung (EG) Nr. 659/1999 getreten ist, ist dieser Prozess nunmehr weitgehend abgeschlossen. Mit der zweiten Auflage seines Kommentars zum „EU-Beihilfenrecht“ legt Andreas Bartosch zeitnah die erste Kommentierung des Beihilfenrechts vor, die die Änderungen umfassend berücksichtigt.

2. Der Kommentar behandelt die einzelnen Vorschriften kommentaruntypisch nicht in der Reihenfolge ihrer gesetzlichen Regelung. Er versammelt sie vielmehr im Anschluss an eine knappe Einleitung (S. 1 ff.) in zwei thematischen Blöcken: Zunächst wird auf knapp 500 Seiten das materielle Beihilfenrecht kommentiert (S. 25 ff.), also insbesondere Art. 107 AEUV (S. 25 ff., 148 ff. und 155 ff.), die De-minimis Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 (S. 388 ff.) und die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (EU) Nr. 651/2014 (S. 418 ff.). Es folgt eine deutlich kürzere Kommentierung des Verfahrensrechts in Art. 108 AEUV und der auf knapp 150 Seiten (S. 546 ff. und 573 ff.). Nachfolgend sei exemplarisch auf einige zentrale Abschnitte der Kommentierung eingegangen:

a) Die Kommentierung des 107 Abs. 1 AEUV informiert zuverlässig über den beihilfenrechtlichen „Verbotstatbestand“. Der Schwerpunkt der Kommentierung liegt dabei auf dem Tatbestandsmerkmal der „Begünstigung“. Bartosch erläutert hier zunächst das allgemein maßgebliche „market economy investor principle“ und zeigt sodann dessen Bedeutung für einzelne besonders praxisrelevante staatliche Fördermaßnahmen auf (S. 28 ff.). Eigene Abschnitte sind dem Ausgleich von Kosten im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und steuer- und abgabenrechtlichen Maßnahmen gewidmet (S. 73 ff. und 93 ff.). Umfassend aufgearbeitet wird auch die in der jüngeren Vergangenheit (nicht zuletzt im Zusammenhang mit der beim EuGH anhängigen Frage, ob die deutsche EEG-Umlage eine Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV ist) wieder aufgegriffene Diskussion über das Merkmal der „Staatlichkeit“ einer begünstigenden Maßnahme (S. 131 ff.).

b) Die Kommentierung der in 107 Abs. 3 AEUV geregelten Befugnis der Kommission, bestimmte Beihilfen als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehen, geht zunächst knapp auf den die Entscheidungspraxis seit einigen Jahren und zumal nach Abschluss des Modernisierungsprozesses prägenden „more economic approach“ ein (S. 162 ff.). Bartosch referiert hier zwar kritische Stimmen im Schrifttum, hält den ökonomischeren Ansatz der Kommission aber insgesamt für ein taugliches Instrument zur Prüfung der Vereinbarkeit mitgliedstaatlicher Beihilfen mit dem Binnenmarkt. Die Leitlinien der Kommission, die diesen Ansatz „in einer hinreichend präzisen Weise“ (S. 164) ausbuchstabieren, und die darauf basierende Entscheidungspraxis der Kommission werden im Folgenden für die einzelnen Gruppen von Beihilfen detailliert nachgezeichnet (insbesondere S. 172 ff.). Hilfreich sind hier Verweisungen auf die ebenfalls kommentierte Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (EU) Nr. 651/2014 (etwa S. 314), die für zahlreiche Gruppen von Beihilfen Fördermaßnahmen unterhalb eines bestimmten Schwellenwerts in abstrakt-genereller Weise für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt und von der Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV und der Einzelfallprüfung freistellt.

c) Mit Blick auf Beihilfen zur Förderung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (also: von Dienstleistungen im Interesse der Allgemeinheit, die der Markt ohne öffentliche Zuschüsse nicht oder jedenfalls nicht in der politisch erwünschten Form erbringt), geht Bartosch ausführlich auf 106 Abs. 2 AEUV und den insoweit maßgeblichen Rahmen der Kommission ein (S. 318 ff.). Ebenso werden der Freistellungsbeschluss 2012/21/EU und die besondere kommentiert (S. 345 ff. und 369 ff.). Hinweise zur „Altmark Trans“-Judikatur des EuGH und der insoweit maßgeblichen Mitteilung der Kommission finden sich in der Kommentierung von Art. 107 Abs. 1 AEUV (S. 73 ff.). Der Zusammenhang zwischen den aufeinander abgestimmten Regelungen, die das „Almunia-Paket“ der Kommission bilden, wäre dabei vielleicht noch deutlicher geworden, wenn man sie zu einer einheitlichen Darstellung des beihilfenrechtlichen Regimes für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zusammengezogen hätte.

3. Insgesamt legt Bartosch eine gelungene Neuauflage seiner Kommentierung des Beihilfenrechts „aus einer Hand“ vor, die zuverlässig über das geltende Beihilfenrecht informiert. Im Mittelpunkt stehen stets die Rechtsprechung der Unionsgerichte und die Entscheidungspraxis der Kommission. Auch das Schrifttum findet in einem für einen Kurzkommentar angemessenen Umfang Berücksichtigung. Stilistisch erleichtern fettgedruckte Schlüsselbegriffe die Orientierung innerhalb der einzelnen Kommentierungen. Mitunter wünschte man sich freilich weitere Zwischenüberschriften. Hilfreich wären überdies ausführlichere Inhaltsübersichten: Das Inhaltsverzeichnis beschränkt sich auf die ersten beiden Gliederungsebenen und umfasst lediglich eineinhalb Seiten. Den längeren Kommentierungen sind zwar Gliederungen vorangestellt. Gerade bei den Kommentierungen des Sekundärrechts (insbesondere: der Gruppenfreistellungs- und der Verfahrensverordnung) würde aber ein Abdruck nicht nur der Erwägungsgründe, sondern auch der den Rechtsakten vorangestellten und um Seitengaben ergänzten Inhaltsverzeichnisse den schnellen Zugriff auf die einzelnen Kommentierungen erleichtern.

Andreas Bartosch, EU-Beihilfenrecht: EU-BeihilfenR – Kommentar; 2. Auflage, C.H.Beck 2016; XIII, 727 S., Leinen, Reihe „Gelbe Erläuterungsbücher“; ISBN 978-3-406-65846-4, € 129,00

Net-Dokument BayRVR2016030201; Titelfoto: (c) bogdanvija – Fotolia.com 

Anmerkung der Redaktion

Unger_SebastianProf. Dr. Sebastian Unger ist Inhaber einer Professur für Öffentliches Recht an der Ruhr-Universität Bochum.