Gesetzgebung

Staatsregierung: Grabsteinherstellung – Gesetzentwurf zur Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit

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Grabsteine_Fotolia_87357189_S_copyright - passDie Staatsregierung hat einen „Gesetzentwurf zur Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit bei der Grabsteinherstellung“ eingebracht (LT-Drs. 17/10903 v. 12.04.2016). Dieser sieht Änderungen des Bestattungsgesetzes (BestG) vor. Insbesondere soll im Abschnitt 2 („Bestattungseinrichtungen“) ein neuer Art. 9a „Verbote von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit“ eingefügt werden. Das BestG wird damit um eine spezielle Satzungsermächtigung ergänzt: Darin wird nicht nur die Möglichkeit für die Friedhofsträger geschaffen, ein Verwendungsverbot für Grabsteine zu erlassen, die nicht nachweislich ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt worden sind, sondern es werden auch die grundlegenden Anforderungen an die Nachweispflicht geregelt.

Grund für die Gesetzesinitiative

Der Erlass des Gesetzes ist vor dem Hintergrund völkerrechtlich eingegangener Verpflichtungen zur Ächtung und Bekämpfung von Kinderarbeit zwingende Notwendigkeit, so die Begründung zum Gesetzentwurf. Die Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit bei der Grabsteinherstellung (Grabsteine werden vielfach aus dem Ausland importiert) ist bundesweit darüber hinaus ein Anliegen zahlreicher Friedhofsträger, die entsprechende Regelungen (Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit) in ihre Friedhofssatzungen aufgenommen hatten. In einem Urteil vom 16.10.2013 (8 CN 1.12) hatte das BVerwG jedoch entschieden, dass

  • die den Kommunen eingeräumte allgemeine Satzungsbefugnis sowie die Befugnis, die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln, keine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage darstellen, um einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Steinmetze zu rechtfertigen und dass
  • es das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit und hinreichenden Bestimmtheit verletzt, wenn für den Normbetroffenen (insbes. Steinmetze) nicht im Voraus erkennbar ist, welche Nachweise zum Beleg dafür, dass die Grabmale nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit herrühren, anerkannt werden.

In Ansehung dieses Urteils hatte der Bayerische Landtag die Staatsregierung mit Beschluss vom 03.04.2014 (Drs. 17/1487 [PDF]) aufgefordert, eine Rechtsgrundlage für den Erlass kommunaler Satzungsregelungen zu schaffen, die eine Verwendung von Grabmalen aus ausbeuterischer Kinderarbeit ausschließen.

Dem Urteil des BVerwG lag ein mehrjähriger und über mehrere Instanzen geführter Rechtsstreit über die Bestattungs- und Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg (BFS) zugrunde. Diese hatte dort folgende Regelung aufgenommen:

§ 28 – Grabmale
[…] (2) Es dürfen nur Grabmale aufgestellt werden, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne des Übereinkommens über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Konvention 182), in Kraft getreten am 19. November 2000, hergestellt wurden.

Der Verlauf des Rechtsstreits lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • BayVGH, B. v. 27.07.2009, 4 N 09.1300. Der BayVGH hatte dem Normenkontrollantrag eines Steinmetzbetriebs gegen die fragliche Satzungsbestimmung der Stadt Nürnberg zunächst stattgegeben: Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO komme als Ermächtigungsgrundlage nicht in Betracht: Die Satzungsbestimmung betreffe nicht die Nutzung des Friedhofs, sondern eine gewerbliche Tätigkeit im Vorfeld der Friedhofsnutzung – sie verfolge daher einrichtungsfremde Zwecke (Bekämpfung der Kinderarbeit weltweit); somit beziehe sich die Satzungsbestimmung auch nicht auf eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, sondern diene der Umsetzung eines weltweiten politischen Anliegens (Bekämpfung der Kinderarbeit), das keinen spezifisch örtlichen Bezug aufweise. Der BayVGH hatte die Revision nicht zugelassen.
  • BVerwG, B. v. 07.01.2010, 7 BN 2.09. Das BVerwG wies die Nichtzulassungsbeschwerde zurück.
  • BayVerfGH, E. v. 07.10.2011, Vf. 32-VI-10. Auf die Verfassungsbeschwerde der Stadt Nürnberg hin hob der BayVerfGH den Beschluss des BayVGH auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an den BayVGH zurück. Der BayVerfGH kritisierte, dass der BayVGH in seiner Entscheidung der Bedeutung des Selbstverwaltungsrechts der Bf. (Stadt Nürnberg) nicht gerecht werde: Das Aufstellungsverbot von Grabmalen aus ausbeuterischer Kinderarbeit mag einrichtungsfremde Zwecke verfolgen, liege aber auch im Rechtskreis der Totenbestattung. Die eigenen Angelegenheiten der Gemeinden und gesamtstaatliche Aufgaben oder Belange berührten sich vielfach. Deshalb reiche allein die Feststellung, das Verbot der Verwendung nicht nachweislich ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellter Grabmale entspreche einem weltweiten politischen Anliegen, von vornherein nicht aus, um zu begründen, die Regelung liege nicht mehr im Rechtskreis der Totenbestattung im Sinn des Art. 83 Abs. 1 BV und damit auch nicht im Rechtskreis des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts. Verfassungsrechtlich tragfähig sei diese Annahme nur dann, wenn gesagt werden könne, der Regelung fehle zugleich der spezifisch örtliche Bezug. Doch auch der spezifisch örtliche Bezug ist nach Auffassung des BayVerfGH gegeben und wird über Art. 149 Abs. 1 Satz 1 BV vermittelt: Nach Art. 149 Abs. 1 Satz 1 BV haben die Gemeinden dafür zu sorgen, dass jeder Verstorbene schicklich beerdigt werden kann. Art. 8 Abs. 1 BestG führt dazu näher aus, Friedhöfe seien den Verstorbenen als würdige Ruhestätte und der Pflege ihres Andenkens gewidmet. Welche Benutzungsregelungen die Gemeinde in einer Friedhofssatzung trifft, um diesen Anforderungen Genüge zu tun, liege grundsätzlich in ihrem weiten normativen Ermessen. Es sei weder sachfremd noch willkürlich und bewege sich innerhalb des gemeindlichen normativen Einschätzungsspielraums, wenn die Bf. davon ausgehe, dass es im Interesse der Würde des Ortes der Totenbestattung liegen kann, dass dort keine Grabsteine aufgestellt werden, deren Material in einem weltweit geächteten Herstellungsprozess durch „schlimmste Formen der Kinderarbeit“ gewonnen worden ist. Diese Entscheidung war innerhalb des BayVerfGH nicht unumstritten: Zwei Mitglieder legten ein Sondervotum zu den Akten, in dem sie deutliche Kritik an der Mehrheitsmeinung formulierten und in der Entscheidung des BayVGH keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltungsrecht erblickten.
  • BayVGH, U. v. 06.07.2012, 4 N 11.2673. Im Rahmen der Zurückverweisung durch den BayVerfGH hatte sich der BayVGH erneut mit der Sache zu befassen. Von der Argumentation des Verfassungsgerichtshofs nicht überzeugt, aber in der Sache an die Entscheidung des BayVerfGH gebunden (Art. 29 VfGHG) – dieser Hinweis fehlt freilich nicht – lehnte er den Normenkontrollantrag nunmehr ab: Der angegriffenen Satzungsbestimmung könne nicht mehr entgegengehalten werden, der Antragsgegnerin mangele es an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO ermächtige die Gemeinden, in Satzungen die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln. Nach der Auffassung des BayVerfGH sei hier der sachliche Zusammenhang mit dem Friedhofszweck und damit auch der spezifisch örtliche Bezug in rechtlich einwandfreier Weise hergestellt. Der BayVGH hatte die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
  • BVerwG, U. v. 16.10.2013, 8 CN 1.12. Das BVerwG erklärt § 28 Abs. 2 BFS nunmehr wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht für unwirksam: Art. 24 Abs. 1 Satz 1 GO und Art. 8 und 9 BestG seien keine wirksamen Ermächtigungsgrundlagen. Dies allerdings wegen Verstoßes gegen den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes wegen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit von Steinmetzen; im Hinblick auf die Auslegung durch BayVerfGH und BayVGH, dass § 28 Abs. 2 BFS sich im Rahmen der von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 GO geforderten Zweckbestimmung halte und auch einen örtlichen Bezug aufweise, stellt das BVerwG nur fest, dass darin jedenfalls kein Verstoß gegen das kommunale Selbstverwaltungsrecht des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gesehen werden könne.

Wesentliche Änderungen des Bestattungsgesetzes (BestG)

Die wesentliche Änderung besteht in einem neu einzufügenden Art. 9a BestG, der folgende Fassung erhalten soll:

Art. 9a Verbote von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit

(1) 1Der Friedhofsträger kann durch Satzung bestimmen, dass Grabsteine und Grabeinfassungen aus Naturstein nur aufgestellt werden dürfen, wenn sie nachweislich ohne schlimmste Formen von Kinderarbeit im Sinne von Art. 3 des Übereinkommens Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 17. Juni 1999 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (BGBl. 2001 II S. 1290, 1291) hergestellt worden sind. 2Herstellung im Sinne dieses Artikels umfasst sämtliche Bearbeitungsschritte von der Gewinnung des Natursteins bis zum Endprodukt.

(2) 1Der Nachweis kann im Sinne von Abs. 1 Satz 1 erbracht werden durch

  1. eine lückenlose Dokumentation, wonach die Grabsteine oder Grabeinfassungen aus Naturstein ausschließlich in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, weiteren Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz hergestellt worden sind, oder
  2. die schriftliche Erklärung einer Organisation, wonach

a) die Herstellung ohne schlimmste Formen von Kinderarbeit erfolgt ist,
b) dies durch sachkundige und unabhängige Kontrolleure regelmäßig und unangemeldet vor Ort überprüft wird und
c) die ausstellende Organisation weder unmittelbar noch mittelbar an der Herstellung oder am Handel mit Naturstein beteiligt ist.

2Ist die Vorlage eines Nachweises nach Satz 1 unzumutbar, genügt es, dass der Letztveräußerer schriftlich

  1. zusichert, dass ihm keine Anhaltspunkte dafür bekannt sind, dass die verwendeten Grabsteine und Grabeinfassungen aus Naturstein unter schlimmsten Formen von Kinderarbeit hergestellt worden sind, und
  2. darlegt, welche wirksamen Maßnahmen ergriffen worden sind, um die Verwendung von solchen Grabsteinen und Grabeinfassungen zu vermeiden.

(3) Eines Nachweises im Sinne von Abs. 1 Satz 1 bedarf es nicht, wenn der Letztveräußerer glaubhaft macht, dass die Grabsteine oder Grabeinfassungen aus Naturstein oder deren Rohmaterial vor dem …………….. [einsetzen: Datum des Inkrafttretens dieses Gesetzes] in das Bundesgebiet eingeführt wurden.

Zu Abs. 2 Satz 1 Nr. 1. Zum Nachweis reichen laut Gesetzesbegründung etwa Rechnungen oder Lieferscheine.

Zu Abs. 2 Satz 1 Nr. 2. Die von den Friedhofsträgern vorzunehmende Prüfung beschränkt sich laut Gesetzesbegründung grundsätzlich darauf, ob ein Zertifikat den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt hat; es würden grundsätzlich alle Zertifikate anerkannt, die diesen Formvorgaben genügten.

Zu Abs. 2 Satz 2. Die Darlegung muss laut Gesetzesbegründung substantiiert und nachvollziehbar sein. Gegenüber dem Friedhofsträger sei ferner darzulegen, warum die Vorlage eines Nachweises im konkreten Fall unzumutbar sei (denkbar sei dies etwa bei Natursteinimporten aus Staaten, für die bisher noch keine Zertifizierungen angeboten würden). Die Zertifizierungskosten allein sollen nicht ausschlaggebend sein. Denkbare Maßnahmen des Letztveräußerers, um die Verwendung von Grabsteinen und Grabeinfassungen aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu vermeiden, könnten laut Gesetzentwurf etwa Erkundigungen beim Zwischen- oder Großhändler sein.

Zu Abs. 3. Übergangsregelung, nach der alle Natursteine, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ins Bundesgebiet eingeführt worden sind, von der Nachweispflicht befreit sind. Der Zeitpunkt der Einführung des Grabmals oder der Grabeinfassung in das Bundesgebiet ist gegenüber dem Friedhofsträger glaubhaft zu machen. Der Begriff der Glaubhaftmachung ist dabei wie in § 294 ZPO zu verstehen, so die Gesetzesbegründung. Regelmäßig werde die Beweisführung durch Rechnungen oder Lieferscheine möglich sein. Sofern dies dies nicht möglich sei, könnten die maßgeblichen Umstände auch auf andere geeignete Weise glaubhaft gemacht werden. Zu denken sei etwa an Rohmaterial, das bereits jahrelang auf dem Betriebsgelände lagere, sodass Lieferdokumente nicht mehr existierten. In diesem Fall könne etwa eine schriftliche, mit einer hinreichenden Begründung der Einzelfallumstände versehene Eigenerklärung des Letztveräußerers genügen.

Kosten der Rechtsänderung für die Betroffenen

Hier führt die Gesetzesbegründung aus:

„Für den Staat entstehen durch die Neuregelung keine Kosten. Für die Kommunen fallen geringfügige Kosten an, wenn sie sich dafür entscheiden, von der Satzungskompetenz Gebrauch zu machen. In diesem Fall kann durch den Vollzug der Nachweispflicht zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstehen. Bei Erlass entsprechender Satzungsregelungen durch die Friedhofsträger ergibt sich mittelbar eine Informationspflicht für Unternehmen, da sie in diesem Fall de facto nur Grabsteine oder Grabeinfassungen absetzen können, die nachweislich ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt worden sind. Die Unternehmen müssen daher geeignete Nachweise beschaffen und an ihre Kunden weiterleiten. Von dieser Informationspflicht sind neben derzeit 1.160 bayerischen Steinmetz- und Steinbildhauerbetrieben (Stand: 31. Dezember 2015) auch Natursteinimporteure betroffen, deren Zahl nicht bekannt ist. Der für bayerische Wirtschaftsunternehmen insgesamt entstehende Bürokratieaufwand dürfte aber unter 20.000 Euro liegen. Zu den Bürokratiekosten kommen Kosten für die Beauftragung von Zertifizierungsorganisationen, die jedoch nicht abgeschätzt werden können. Für Bürgerinnen und Bürger kann die Nachweispflicht zu erhöhten Beschaffungskosten für Grabsteine führen. Eine Bezifferung der Mehrkosten ist allerdings auch insoweit nicht möglich.“

Staatsregierung, Gesetzentwurf zur Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit bei der Grabsteinherstellung, LT-Drs. 17/10903 v. 12.04.2016 (Vorgangsmappe des Landtags, PDF). 

Ass. iur. Klaus Kohnen; Titelfoto/-abbildung: (c) majorosl66 – Fotolia.com

Net-Dokument BayRVR2016041201 

Redaktionelle Hinweise

Verfahrensverlauf, aktueller Stand, ggfls. Stellungnahmen zum Gesetzentwurf: hier (dynamischer Link, d.h. stets aktuell).

Der BayRVR-Wochenspiegel (erscheint montags) enthält neben jüngst veröffentlichten Leitsatzentscheidungen auch einen Überblick über die im Freistaat Bayern laufenden Gesetzgebungsverfahren (Verfahrensverlauf, aktueller Stand, ggfls. Stellungnahmen), soweit diese voraussichtlich eine parlamentarische Mehrheit finden werden.