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Rezension: Wysk (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung (2. Aufl., C.H. Beck 2016)

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Rezension_Fotolia_91184109_S_copyright - pass von Rechtsanwalt Dr. Thomas Troidl, Regensburg

Zum 11.04.2016 ist die „Kommentierung aus Richterperspektive“ (so der Verlag) in zweiter Auflage erschienen. Seit 2011 (dem Jahr der Erstauflage) hat sich viel getan, der Gesetzgeber wurde sowohl auf nationale als auch auf europäische Initiative hin tätig. Vier Regelungskomplexe hebt das Vorwort zu Recht hervor:

  • Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Verfahrensdauern ( 173 Satz 2 VwGO)
  • Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung ( 173 Satz 1 VwGO)
  • Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und des Beratungshilferechts ( 166 VwGO)
  • Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs (§ 55a bis 55d VwGO) sowie Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik (§ 102a VwGO)

Schließlich haben Art. 7 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes (vom 20.10.15, BGBl. I 1722) und Art. 3 des Gesetzes zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus (vom 21.12.15, BGBl. I 2490) Änderungen der VwGO gebracht, die noch eingearbeitet werden konnten.

Autoren und Zielpublikum

Der Herausgeber ist Lehrbeauftragter an der Humboldt-Universität zu Berlin und Richter am Bundesverwaltungsgericht; dies verbindet ihn mit Dr. Kirsten Kuhlmann (ebenfalls aus dem 3. Revisionssenat). Als weiterer Bearbeiter konnte Joachim Buchheister (hinzu)gewonnen werden, Präsident des OVG Berlin-Brandenburg. Wie bereits in der 1. Auflage komplettiert Dr. Christian Bamberger als Vorsitzender Richter am VG Münster das Team.

Der handliche Kompakt-Kommentar will eine rasche Informationsquelle für den Praktiker sein, insbesondere Fachanwälte für Verwaltungsrecht, Unternehmens- und Verbandsjuristen, Verwaltungsrichter, Referenten in Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden sowie Referendare, Studierende und Professoren.

Aufbau

Der Aufbau folgt naturgemäß der Gliederung der Verwaltungsgerichtsordnung; besondere Vorbemerkungen widmen sich den

  • § 40 bis 53: Verwaltungsrechtsweg und Zuständigkeit
  • § 81 ff.: Verfahren im ersten Rechtszug
  • § 154 bis 166: Kosten

Ein mit 48 Seiten durchaus stattliches Stichwortverzeichnis erleichtert den Zugriff auf die jeweils brauchbare Kommentierung.

Stärken

Weniger ist manchmal mehr: In diesem Sinne verzichten die vier Autoren konsequent auf jede wissenschaftliche Vertiefung und einen ausufernden Fußnotenapparat. Nachweise beschränken sich regelmäßig auf die wesentlichen höchst- oder obergerichtlichen Entscheidungen. Deutliche Schwerpunkte setzt die Kommentierung bei der Erläuterung der praktisch besonders bedeutsamen Bestimmungen. Format, Schriftbild und ein detailliertes Stichwortverzeichnis ermöglichen in vielfältigen Nutzungssituationen den schnellen Zugriff und das zielgerichtete Auffinden der gewünschten Information (so mit Recht schon Bernd Köster in seiner Rezension der Erstauflage).

Pointiert und mit ersten Beispielen aus der Rechtsprechung[1] referiert der Kommentar folglich Hintergründe und Auswirkungen des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Verfahrensdauern (§ 173 Satz 2 VwGO), wobei insbesondere die für die richterliche, aber auch anwaltliche Praxis wertvollen Tenorierungsvorschläge (§ 173 Rn. 33) hervorzuheben sind.

Nicht minder interessant, ebenfalls aus Anwaltsperspektive (vor allem für den „Einsteiger“), sind die äußerst praxisbezogenen Ausführungen zum Verfahren im ersten Rechtszug (in der Vorbemerkung zu §§ 81 ff.), die sozusagen das erstinstanzliche Verfahren in 13 Randnummern „von der Wiege bis zur Bahre“ skizzieren, d.h. vom Eingang einer Klageschrift bis zur (ggf. rechtskräftigen) Entscheidung. Auf der gleichen Ebene liegen das Muster zum Protokoll einer mündlichen Verhandlung (§ 103 Rn. 16) und die Handreichung zum Schriftsatznachlass in dieser (§ 104 Rn. 14).

Auch die Ausführungen zur nichtkontradiktorischen Streitbeilegung (Güterichter und Mediation, § 173 Rn. 9a – 9d) überzeugen, desgleichen die Kommentierung zur Änderung des Prozesskostenhilferechts (§ 166 VwGO) sowie zum Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik (§ 102a VwGO).

Desiderate

Gleichfalls überzeugend sind im Grunde die Ausführungen zum Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs (§§ 55a bis 55d VwGO), wobei § 55d VwGO noch nicht einmal abgedruckt ist. Auch wenn diese Vorschrift erst zum 01.01.22 in Kraft tritt, wäre ein jedenfalls kurzer Überblick zur Nutzungspflicht für Rechtsanwälte, Behörden und vertretungsberechtigte Personen[2] allerdings schon heute wünschenswert, da sich die Praxis gerade hierauf einstellen muss – und zwar rechtzeitig, wie jüngst die Verschiebung des Starttermins für das besondere elektronische Anwaltspostfach gezeigt hat.

Ein Schattendasein führt am Verwaltungsgericht nach wie vor die Beweisaufnahme[3]. Umso positiver hervorzuheben sind vor diesem Hintergrund die praktischen Hinweise zur Zeugenvernehmung (§ 98 Rn. 50), mit der Verwaltungsrichter mangels Routine, wie die Praxis immer wieder zeigt, häufig überfordert sind.

Umgekehrt fehlt eine praxisgerechte Kommentierung zur Behandlung (und das heißt in der Praxis meist: Ablehnung) von Beweisanträgen (abgesehen von § 98 Rn. 47 und § 86 Rn. 32 ff.), die – neben dem Klageantrag – doch die wichtigste „Waffe“ in der Hand des Rechtsanwalts sind, gerade wenn dieser den „Verwaltungsrechtsstreit“ wörtlich nehmen will. Hier wäre eine gedrängte Übersicht zu den wichtigsten Ablehnungsgründen (vielleicht sogar in Form einer „Checkliste“) mit anschaulichen Beispielen aus der Rechtsprechung zu wünschen[4], die den jungen Richter kaum weniger (über-)fordert als den jungen Rechtsanwalt.

Fazit

Auch wenn der VwGO-Kompakt-Kommentar gegenüber der Erstauflage um immerhin 82 Seiten angewachsen ist, wird er seinem Anspruch als „handliche Beihilfe zum überlegenen Wissen“ im Verwaltungsprozess noch gerecht. Künftige Auflagen werden freilich an einer Straffung und Kürzung kaum mehr vorbei kommen, da spätestens mit einer Überschreitung der 1000-Seiten-Marke das Alleinstellungsmerkmal dieses derzeit durchaus noch kompakten Kommentars verblassen würde.

Die Frage, ob es angesichts zahlreicher VwGO-Kommentare noch eines weiteren Kommentars bedurfte, war schon 2011 (zum Erscheinen der Erstauflage) berechtigt, lässt sich fünf Jahre später aber durchaus positiv beantworten, da es in dieser handlich-kompakten Form in der Tat kaum eine Konkurrenz gibt.

Richtern, Rechtsanwälten und allen anderen Verwaltungsrechts-Praktikern kann diese 2. Auflage uneingeschränkt empfohlen werden.

Wysk (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., C.H. Beck 2016; Beck’sche Kompakt-Kommentare, XXII, 900 S., gebunden; ISBN 978-3-406-69011-2; 59,00 EUR

Net-Dokumentennummer BayRVR2016053001; Titelfoto: (c) bogdanvija – Fotolia.com

Anmerkung der Redaktion

Dr. Thomas TroidlDr. Thomas Troidl ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht sowie Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Er ist Gründungsmitglied und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht im Deutschen Anwaltverein – Landesgruppe Bayern –, Mitglied im Vorstand der RAK Nürnberg und Lehrbeauftragter an der Bayerischen Verwaltungsschule.

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[1] Vgl. dazu auch Troidl, Verwaltungsprozess 2030 – Verfahren jetzt gestalten: Verfahrensdauer und Verzögerungsrüge, Beweisaufnahme und Rechtsmittel, elektronische Akte und elektronischer Rechtsverkehr, NVwZ 2014, 1052 ff.

[2] Vgl. Troidl, a.a.O., 1056 f.

[3] Vgl. Troidl, a.a.O., 1055.

[4] Vgl. Troidl, Beweisantragsrecht auf dem Prüfstand – ein Plädoyer für Fakten statt Akten, DVBl. 2014, 628 ff.