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BayVGH: Zur waffen- und jagdrechtlichen „Unzuverlässigkeit“ aufgrund begangener Straftaten

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Jäger zielt durchs ZielfernrohrZum Sachverhalt

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarte, die Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins und die Festsetzung einer Sperrfrist für die Wiedererteilung durch Bescheid des Landratsamtes (LRA) Tirschenreuth aus dem Jahr 2011. Das LRA war der Meinung, es fehle dem Kläger wegen dreier vorangegangener Straftaten, für die er rechtskräftig verurteilt worden war, an der waffen- und jagdrechtlichen „Zuverlässigkeit“ gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 a WaffG. Dabei handelte es sich um folgende Verurteilungen:

  • 50 Tagessätze wegen unerlaubten Erwerbs und Besitzes von Betäubungsmitteln (rechtskräftig seit 1999),
  • elf Monate Freiheitsstrafe wegen unerlaubten Erwerbs und Besitzes von Betäubungsmitteln (rechtskräftig seit 2001) und
  • 30 Tagessätze wegen Beleidigung (rechtskräftig seit 2010).

Das VG Regensburg hob den Bescheid des LRA auf: Die Verurteilungen aus den Jahren 1999 und 2001 könnten dem Kläger nicht mehr entgegengehalten werden, da seit ihrer Rechtskraft jeweils mehr als 5 Jahre verstrichen seien. Die Verurteilung aus dem Jahr 2010 zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen reiche allein für die Annahme der Unzuverlässigkeit nicht aus.

Die Entscheidung des BayVGH

Der BayVGH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.

Kern des Rechtsstreits war die Frage, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses im Jahre 2011 die beiden rechtskräftigen Verurteilungen des Klägers aus den Jahren 1999 und 2001 bei der Beurteilung seiner Zuverlässigkeit herangezogen werden können. Das ist nach Auffassung des BayVGH nicht der Fall.

Zwar sei nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG eine Auslegung denkbar, wonach nur nach der letzten Verurteilung ein Zeitraum von fünf Jahren noch nicht verstrichen sein dürfe und dann frühere – auch weit zurückliegende – Verurteilungen berücksichtigt werden könnten.

Diese Auslegung widerspreche aber dem Sinn und der Systematik des Gesetzes. Der Gliederung des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WaffG sei zu entnehmen, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die „Unzuverlässigkeit“ nach der Art der Straftat und dem Strafmaß unterscheide zwischen

  • Personen, die wegen eines Verbrechens oder wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden sind – hier fehle es zwingend für zehn Jahre an der Zuverlässigkeit (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 a und b WaffG),
  • Personen, die wegen weniger schwerwiegender vorsätzlicher Straftaten ohne Waffenbezug zu einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe, Jugendstrafe oder Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt worden sind – hier sei die waffenrechtliche Zuverlässigkeit regelmäßig auf die Dauer von fünf Jahren ausgeschlossen, wobei Ausnahmen von der Regelvermutung möglich sind (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 a WaffG) und
  • Personen, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Strafe unter 60 Tagessätzen verurteilt worden sind – hier sei nach dem Gesetz die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit nur begründet, wenn die Strafen mindestens zweimal rechtskräftig innerhalb von fünf Jahren verhängt würden.

Nur diese Auslegung werde der Systematik des Waffengesetzes gerecht und entspräche dem darin zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers. Andernfalls könnte eine rechtskräftige Verurteilung, die für die Dauer von zehn bzw. fünf Jahren die gesetzliche Unterstellung oder Regelvermutung der Unzuverlässigkeit herbeigeführt habe, auch nach Ablauf dieser Zeit erneut zur Begründung der Unzuverlässigkeit herangezogen werden – und zwar über den Umweg einer Verurteilung zu einer Geldstrafe unter 60 Tagessätzen, die allein nicht ausreichen würde, erneut die Unzuverlässigkeit zu begründen. Ein derart weitgehender Wille des Gesetzgebers sei dem Waffengesetz nicht zu entnehmen.

Folgender Orientierungssatz lässt sich formulieren:

Vorsätzliche Straftaten, die zu einer rechtskräftigen Geldstrafe unter 60 Tagessätzen geführt haben, begründen die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit nur, wenn sie innerhalb von fünf Jahren mindestens zweimal begangen werden.

BayVGH, B. v. 25.10.2012, 21 ZB 12.539

Ass. iur. Klaus Kohnen; Foto: (c) Bergringfoto – Fotolia.com

Net-Dokument BayRVR2012102501