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BayVerfGH: Altersgrenze für die Wählbarkeit zum berufsmäßigen ersten Bürgermeister und zum Landrat

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Altersgrenze im KommunalwahlrechtDer BayVerfGH hat die Popularklage, die sich gegen die Altersgrenze richtete, abgewiesen. Die Auffassung, dass die Beibehaltung einer generellen Altersgrenze – sei es die mit der Vollendung des 65. oder mit der Vollendung des 67. Lebensjahrs oder auch eine andere vom Gesetzgeber willkürfrei bestimmte Altersgrenze – mit der Verfassung vereinbar ist, wurde von allen Richtern geteilt. Zwei Mitglieder des BayVerfGH haben jedoch ein Sondervotum zu den Akten gelegt: Sie sind der Auffassung, dass die Übergangsregelung, soweit sie erst für Wahlen ab 2020 die Altersgrenze auf 67 Jahren heraufsetze, gegen den Gleichheitssatz des Art. 118 Abs. 1 BV verstoße.

Der BayVerfGH hat folgenden Leitsatz formuliert:

„Die derzeit geltende Fassung des Art. 39 Abs. 2 Satz 2 GLKrWG, nach der zum berufsmäßigen ersten Bürgermeister und zum Landrat nicht gewählt werden kann, wer am Tag des Beginns der Amtszeit das 65. Lebensjahr vollendet hat, ist mit der Bayerischen Verfassung vereinbar.“

Die Begründung der Entscheidung

Zur Begründung hat der BayVerfGH im Wesentlichen ausgeführt:

1. Kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip

Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) wegen der Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sei nicht gegeben. Nach der Intention des Gesetzgebers soll die Altersgrenze des Art. 39 Abs. 2 Satz 2 GLKrWG gewährleisten, dass die Leistungsfähigkeit der berufsmäßigen ersten Bürgermeister und der Landräte über die gesamte Amtszeit andauert. Es sprächen gewichtige Gründe dafür, dass die Altersgrenze wegen der beruflichen Anforderungen gerechtfertigt sei (vgl. § 8 Abs. 1 AGG).

(a) Aspekt: Altersgrenze hinsichtlich der Anforderungen des Amtes gerechtfertigt

So wiesen die Kommunalgesetze berufsmäßigen ersten Bürgermeistern und Landräten umfangreiche Aufgaben im Hinblick auf die Verwaltung und Vertretung der Gemeinden und Landkreise zu. Der erforderliche, der gewissenhaften Erfüllung der Amtspflichten geschuldete Einsatz erfordere nicht nur ein überdurchschnittliches Maß an Arbeitseinsatz, Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit im Sinn physischer und psychischer Belastbarkeit – er sei insbesondere auch nicht oder nur begrenzt absehbar und dementsprechend nicht steuerbar. Vieles lasse sich zeitlich auch nicht frei disponieren, mitunter seien unaufschiebbare Entscheidungen zu treffen. Die wesentliche Bedeutung der unbeeinträchtigten Leistungsfähigkeit eines berufsmäßigen ersten Bürgermeisters oder eines Landrats erschlösse sich auch anhand der gesetzlichen Vertretungsregeln. Diese sehen bei den berufsmäßigen Bürgermeistern im Regelfall, bei den Landräten stets eine lediglich ehrenamtliche Vertretung vor. Der Gesetzgeber habe daher in seine Überlegungen einbeziehen dürfen, dass ehrenamtliche Vertreter regelmäßig nicht in der Lage wären, den (zeitlichen) Anforderungen einer hauptamtlichen Tätigkeit mittel- oder gar längerfristig Rechnung zu tragen.

(b) Aspekt: Altersgrenze verfolgt einen rechtmäßigen Zweck

Die Normierung einer Altersgrenze für berufsmäßige erste Bürgermeister und für Landräte soll zu einer effektiven und kontinuierlichen Amtsführung beitragen und verfolgt damit einen rechtmäßigen Zweck. Sie sei auch angemessen im Sinn des § 8 Abs. 1 AGG: Der Gesetzgeber geht davon aus, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung mit zunehmendem Alter die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit steigt. Aus neueren tatsächlichen Erkenntnissen über die Leistungsfähigkeit Älterer ergebe sich nichts, was eine andere Einschätzung hätte gebieten müssen. Die in verschiedenen Veröffentlichungen wiederholt getroffene Feststellung, ältere Arbeitnehmer seien nicht weniger, sondern anders leistungsfähig, beziehe sich im Wesentlichen auf den Personenkreis der etwa 55- bis 64-Jährigen. Die angegriffene Altersgrenze lasse demgegenüber eine Ausübung des Amts deutlich über das 64. Lebensjahr hinaus zu, gegebenenfalls sogar bis in den Beginn des achten Lebensjahrzehnts hinein. Schon das stehe einer uneingeschränkten Gültigkeit der gewonnenen Erkenntnisse für berufsmäßige erste Bürgermeister und für Landräte entgegen. Unabhängig davon zeigten die Untersuchungen, dass der Erhaltung der Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer auch positiv Rechnung getragen werden müsse, etwa durch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit. Eine dementsprechende besondere Gestaltung der Arbeitsbedingungen sei mit den Anforderungen des Amts eines berufsmäßigen ersten Bürgermeisters oder Landrats aber nicht vereinbar.

(2) Kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz

(a) Aspekt: Keine Altersgrenze für ehrenamtliche erste Bürgermeister

Ein Verstoß gegen Art. 118 Abs. 1 BV ergebe sich insbesondere nicht daraus, dass die Altersgrenze nur für berufsmäßige, nicht aber für ehrenamtliche erste Bürgermeister gilt, denn dem liege eine sachgerechte Differenzierung zugrunde. Nach der gesetzlichen Konzeption des Art. 34 Abs. 1 und 2 der Gemeindeordnung (GO) ist die berufsmäßige Ausübung des Amts des ersten Bürgermeisters abhängig vom Aufgabenkreis der Gemeinde (als Kreisverwaltungsbehörde) und von der Zahl der Einwohner. Hat die Gemeinde nicht mehr als 5.000 Einwohner, so sieht Art. 34 Abs. 2 Satz 2 GO den ersten Bürgermeister im gesetzlichen Regelfall als Ehrenbeamten, darüber bis zu 10.000 Einwohnern als Beamten auf Zeit. Diese gesetzliche Regelung beruhe auf der nachvollziehbaren Einschätzung, dass der im Amt des ersten Bürgermeisters geforderte Arbeitseinsatz zum gemeindlichen Aufgabenkreis, zur Einwohnerzahl einer Gemeinde und der daraus abgeleiteten Aufgabenfülle in einer unmittelbaren Beziehung stehe. Der Gesetzgeber konnte daher davon ausgehen, dass das Amt des ersten Bürgermeisters in Gemeinden bis zu 5.000 Einwohnern regelmäßig nicht jenen besonderen Einsatz erfordert, der in größeren Gemeinden die angegriffene Altersgrenze rechtfertigt.

(b) Aspekt: Keine Altersgrenze für Mitglieder der Staatsregierung

Bereits in seiner Entscheidung vom 29. 4. 1968 hat der VerfGH festgestellt, dass die Altersgrenze für berufsmäßige erste Bürgermeister nicht deshalb gegen den Gleichheitssatz verstößt, weil es für die Mitglieder der Staatsregierung keine Altersgrenze gibt. Neue Erkenntnisse, die zu einer anderen Beurteilung Anlass geben müssten, hätten sich seither nicht ergeben. Ergänzend sei darauf zu verweisen, dass bei den Mitgliedern der Staatsregierung im Krankheitsfall eine hauptberufliche Vertretung zur Verfügung stehe, während berufsmäßige erste Bürgermeister im gesetzlichen Regelfall und Landräte stets lediglich ehrenamtliche Vertreter hätten.

(c) Aspekt: Altersgrenze von 67 Jahren erst für Wahlen ab 2020

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ergebe sich schließlich auch nicht daraus, dass der Gesetzgeber die Altersgrenze bereits auf 67 Jahre angehoben, es aber übergangsweise für bis zum Ablauf des Jahres 2019 stattfindende Wahlen noch bei der Altersgrenze von 65 Jahren belassen hat. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu bestimmen, ob ein Rechtsgebiet der Novellierung bedarf und ab wann eine Neuregelung gelten soll. Die Bestimmung des Zeitpunkts für das Inkrafttreten eines Gesetzes bedarf daher im Regelfall keiner besonderen Rechtfertigung. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen kommt nur in Betracht, wenn hierbei äußerste Grenzen überschritten werden. Sowohl die Altersgrenze von 65 als auch diejenige von 67 Jahren steht für sich gesehen mit der Verfassung im Einklang.

Sondervotum

Zwei Richter haben ein Sondervotum zu den Akten niedergelegt. Sie sind der Auffassung, dass die Übergangsregelung, soweit sie erst für Wahlen ab 2020 die Altersgrenze auf 67 Jahren heraufsetze, gegen den Gleichheitssatz des Art. 118 Abs. 1 BV verstoße:

Der Gesetzgeber habe sich mit dem Gesetz in der bereits ab 1. März 2012 gültigen Fassung dazu entschieden, die Altersgrenze für die Wählbarkeit vom 65. auf das 67. Lebensjahr anzuheben. Er habe damit zu erkennen gegeben, dass er auch Personen zwischen der Vollendung des 65. und des 67. Lebensjahrs physisch und psychisch für hinreichend belastbar hält, den Anforderungen im Amt des ersten Bürgermeisters oder des Landrats gerecht zu werden. Dass insoweit in der Entwicklung der Leistungsfähigkeit älterer Menschen zwischen 2014 und 2020 wesentliche Unterschiede zu erwarten wären, die es rechtfertigen könnten, die angehobene Altersgrenze erst ab 2020 anzuwenden, sei nicht erkennbar.

BayVerfGH, E. v. 19. 12. 2012, Vf. 5-VII-12

Ass. iur. Klaus Kohnen; Abbildung: (c) huebi71 – Fotolia.com

Net-Dokument BayRVR2012121901