Gesetzgebung

Bayerischer Städtetag: Richtlinie der EU bedroht kommunale Trinkwasserversorgung

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EU-Parlament entscheidet über Vergabe von Dienstleistungskonzessionen. 

„Die Europäische Kommission darf die bewährte Wasserversorgung in kommunaler Hand nicht auf dem Altar der Liberalisierung opfern. Wasserversorgung ist ein elementarer Teil der kommunalen Daseinsvorsorge. Trinkwasser ist keine beliebige Handelsware, sondern ein Lebensmittel für alle Menschen“, sagt der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly.

„Die EU-Kommission will mit der Konzessionsrichtlinie über die Hintertür Konzernen einen Zugang zur Daseinsvorsorge öffnen. Wenn das Europäische Parlament der Liberalisierung zustimmt, wäre ein Tor zur Privatisierung der Wasserversorgung aufgestoßen.“

Die Liberalisierung würde bedeuten, dass sich öffentliche Wasserversorger langfristig zurückziehen müssten.

Hintergrund

Nach Veröffentlichung eines Grünbuchs über die Modernisierung des EU-Vergaberechts hat am 20.12.2011 die Europäische Kommission die Richtlinien-Entwürfe zur Modernisierung der Regeln für die öffentliche Auftragsvergabe sowie eine Richtlinie zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen vorgelegt. Die EU-Kommission plant, Dienstleistungskonzessionen dem Vergaberecht zu unterwerfen. Die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen ist bisher nicht durch spezielle Vorschriften geregelt. Mit der Dienstleistungskonzession erhält der Konzessionär statt einer Vergütung als Gegenleistung für die Erbringung der Dienste das Recht zur kommerziellen Nutzung oder Verwertung. Dabei trägt der Konzessionär das wirtschaftliche Risiko. Die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen war bislang den Grundsätzen für den EU-Binnenmarkt (Gleichbehandlung, Diskriminierungsfreiheit, Transparenz, Wettbewerb) unterworfen. Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europaparlaments wird am 24. Januar 2013 abstimmen; zu späteren Zeitpunkten müssen dann EU-Parlament und Europäischer Rat entscheiden.

Maly: „Die Kommunen sehen keinen Handlungsbedarf für eine EU-Richtlinie.“

Öffnung des Wassermarktes für die Konzerne

Maly: „In den Richtlinien-Entwürfen der EU-Kommission klingt das alles kompliziert, aber die marktwirtschaftliche Ideologie, die dahinter steht, ist klar: Im Kern soll der Wassermarkt liberalisiert werden, um ihn für Konzerne zu öffnen. Großkonzerne wittern ein Geschäft, sie wollen sich einen lukrativen Markt erschließen.“

Diese Absicht ist vor dem Hintergrund der Schuldenkrise zu sehen. Wenn EU-Mitglieder wie Portugal, Spanien oder Griechenland von der EU-Troika aufgefordert werden, staatseigene Betriebe oder öffentliche Versorgungsbetriebe zu privatisieren, stehen Interessenten bereit. Hierfür soll ein europaweiter Rechtsrahmen geschaffen werden. Betroffen wäre damit auch die kommunale Wasserversorgung, wie sie in Deutschland und besonders in Bayern sehr kleinräumig bei gemeindlichen oder städtischen Versorgern organisiert ist. Auch wenn der französische EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier immer wieder abwiegelt, bleibt laut Maly die Furcht begründet:

„Durch die Hintertür könnte dann die kommunale Wasserversorgung privatisiert werden. Profitieren würden global agierende Wasserkonzerne wie GDF Suez oder Veolia, die ihren Sitz in Frankreich haben. Das Nachsehen hätten die Bürgerinnen und Bürger: Denn Stadtwerke und interkommunale Zusammenarbeit bei kommunalen Wasserversorgern wären dann bedroht.“

Der Richtlinienentwurf der EU-Kommission schafft nicht Transparenz, er bringt keine „schlanken“ Regelungen, sondern er führt zu Rechtsunsicherheiten, er zieht teure Verwaltungsverfahren für Kommunen nach sich und bedeutet einen höheren Aufwand für juristische Beratung.

Maly: „Die EU sollte die Bereiche, die gut funktionieren, in Ruhe lassen. Die kommunale Daseinsvorsorge funktioniert, sie liefert gesundes Wasser zu fairen Preisen. Die Menschen wollen keine Experimente mit der Privatisierung von Daseinsvorsorge. Das Erfolgsmodell der kommunalen Wasserwirtschaft darf nicht zerschlagen werden. Das Gewinnstreben von Konzernen darf nicht über den Interessen der Menschen in Europa stehen.“

Bayerischer Städtetag, PM v. 21.01.2013