Aktuelles

Landtag: Kinderkommission – Fachtagung Essstörung – Vorträge von Experten

©pixelkorn - stock.adobe.com

Sie essen fast gar nichts, trinken nicht mal, erbrechen sich nach jedem Essen absichtlich oder stopfen sich unkontrolliert voll – unter Essstörungen wie Magersucht, Bulimie und Binge-Eating leiden immer jüngere Patienten. Betroffene zwischen 12 und 14 Jahren sind heute schon die Regel. 

Und der Kampf mit dem Körper ist weit verbreitet: Nach einer WHO-Studie findet sich jedes zweite 15-jährige Mädchen und jeder dritte Junge im selben Alter zu dick, obwohl das objektiv nicht stimmt. Um sich über die aktuelle Lage auszutauschen, hatte die Kinderkommission Experten zum Thema „Essstörungen“ zu einem Fachgespräch in den Landtag geladen.

Ihr jüngster magersüchtiger Patient, ein Junge, sei acht Jahre alt gewesen, sagte Karin Lachenmeir, die Leiterin des Therapie-Centrums Esstörungen am Klinikum Dritter Orden in München. Meist beginne Anorexie, Magersucht, im Alter zwischen 14 und 18 Jahren. Unter den Essstörungen sei sie die seltenste. Häufiger komme Bulimie vor, die Ess-Brech-Sucht, die oft auch auf Magersucht folge. Noch keine eigenständige Diagnose gebe es für das Phänomen „Binge Eating“. Patienten, die darunter leiden, haben Essanfälle, bei denen sie zu schnell und zu viel essen. Übergewicht sei die Folge.

Hinter allen Essstörungen stecke ein geschädigtes Selbstwertgefühl. Doch die Gründe für die Krankheit seien vielschichtig: Mittlerweile wisse man, dass Essstörungen auch genetisch bedingt sind. Dazu kommen das in den Medien propagierte Schönheitsideal und das familiäre Umfeld – das könne allerdings ganz unterschiedlich sein: „Die typische Essstörungsfamilie gibt es nicht“, so Lachemeier. Essstörungen sind hartnäckig: Auch nach jahrelanger Therapie bleibe das Rückfallrisiko stets hoch.

Dass es immer früher losgeht und schon Kinder an Grundschulen Diätwettbewerbe abhalten, weiß auch Maja Schrader. Sie arbeitet für das BKK-Projekt „bauchgefühl“, das Erkrankte berät, vor allem aber auf Prävention setzt. Auch Jungen seien zunehmend betroffen, so Schrader. Im Internet wendet sich die Initiative nicht nur an Jugendliche, sondern auch an deren Eltern, um ihnen zu helfen, Essstörungen ihrer Kinder vorzubeugen.

Mit einem Unterrichtsprogramm für die Klassen sechs und sieben sowie acht und neun sollen die Kinder stark gemacht werden: Dabei geht es um Schönheit und Schönheitsideale, ums Lebensmittelangebot oder ums Essverhalten. 50 Prozent aller weiterführenden Schulen habe man seit dem Projektstart 2009 in Bayern erreicht und 106 Lehrerfortbildungen dazu abgehalten, so Schrader.

Es gelte, sich sowohl der seelischen Hintergründe der Krankheit anzunehmen wie auch die Symptome zu bekämpfen, sagte Andreas Schnebel, Vorstand von ANAD, eines Trägers Therapeutischer Wohngruppen und Vorstandsmitglied des Bundesfachverbands Essstörungen e.V. Sehr unterschiedlich sei das Wissen der Hausärzte: Nicht alle schickten die Patienten in geeignete Einrichtungen. Plätze bei Kinder- und Jugendpsychiatern seien rar, besonders auf dem Land sei die Versorgung nicht ausreichend. Er wünschte sich mehr Kliniken für Kinder- und Jugendpsychosomatik in Bayern.

Petra Dettenhöfer (CSU) fragte nach, ob die BKK sich mit ihrem Projekt mit anderen Krankenkassen vernetze – Schrader verneinte. Claudia Stamm (Bündnis 90/Die Grünen) wollte unter anderem wissen, ob es auch ein spezielles Programm für jüngere Kinder gebe – ihr Konzept könne auch auf sie übertragen werden, sagte Schrader. Man müsse nun sehen, wie das Thema politisch angegangen werden kann, schloss die Vorsitzende Brigitte Meyer (FDP) die Sitzung.

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Aus den Ausschüssen v. 07.02.2013 (Anna Schmid)