Gesetzgebung

Bayerischer Städtetag: Diskussion um das Landesentwicklungsprogramm (LEP)

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Maly: „Lockerungen gefährden das einmalige Weichbild der bayerischen Landschaft“ 

„Ein Blick ins Internet genügt: Wer Bayern aus der Vogelperspektive betrachtet, sieht, wie das Land ausfranst. Wer näher heranzoomt, stößt auf Asphaltflächen vor Einkaufshallen und Zufahrten zu Fabriken. Vom Boden aus kann man Beton in der Landschaft wachsen sehen: An Autobahnausfahrten wuchern Autohöfe, Tankstellen, Spielhallen, Fastfood-Ketten und Discounter. Wie an einer Kette reiht sich Halle an Halle, Fabriken folgen auf Factory-Outlet-Center, Imbiss folgt auf Spielhölle“, sagt der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly.

Damit Gewerbegebiete nicht mehr großzügig angesiedelt werden können, hat sich die damalige Staatsregierung 2006 bei der Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms (LEP) für ein strenges Anbindungsziel entschieden.

Maly: „Wer nun wieder Lockerungen fordert, bringt das einmalige Weichbild der bayerischen Landschaft endgültig in Gefahr. Landesplanung ist kein Folterwerkzeug, sondern will eine geregelte Entwicklung des Landes sichern.“

Landesentwicklung braucht Regeln, wie ein konsequentes Anbindungsgebot, damit unser Land nicht unter architektonischer Beliebigkeit, betonierter Lieblosigkeit und asphaltierter Hässlichkeit untergeht.

Maly: „Bayern ist es wert, sich Gedanken zu machen: Wir wollen keine Verhältnisse wie in den USA oder in Norditalien mit wuchernden Siedlungsgeschwüren mit Einkaufszentren am Ortsrand und Wildwuchs von Industrie mitten im Grünen. Das Anbindungsgebot soll eine weitere Zersiedelung unseres Landes eindämmen.“

Städte benötigen Innenentwicklung statt Außenentwicklung.

Maly: „Das Glück des Landes liegt nicht darin, auf der Grünen Wiese ständig neue Flächen auszuweisen. Vorhandene Flächen müssen besser genutzt werden, Ortsflächen müssen geschlossen bleiben. Der Zersiedelung muss Einhalt geboten werden. Wenn das Wuchern in die Fläche so weitergeht, gefährden wir die wertvollen Kleinstrukturen in unseren Städten und Dörfern, dann geht das Sterben der Bäckereien und Metzgereien weiter. In vielen Dörfern kann man sich heute schon nicht mehr versorgen – ohne Auto ist kein Einkauf möglich.

Diese Entwicklung trifft Dörfer, mittlere Städte und Große Kreisstädte, trifft die zentralen Orte im ländlichen Raum: Wenn es in der Fläche wuchert, kommen die Ortskerne in Bedrängnis. Die beliebige Ansiedlung von Gewerbegebieten an Autobahnausfahrten und Staatsstraßen verschleißt wertvolle Natur und ist wirtschaftlich nicht effizient. Dieser Wildwuchs schädigt nicht nur die Kernstädte, sondern auch viele kleine Dörfer. Die demographische Entwicklung wird damit nicht aufgehalten.

Maly: „Zersiedelte Strukturen bedeuten hohe Kosten für die Bürger, wenn Leitungen in die Fläche gelegt werden müssen für Trinkwasser, Abwasserkanäle, Strom, Gas, Fernwärme und Breitband: Je weiter die Strecken für die Leitungen sind, desto teurer kommt es für Gebührenzahler oder Steuerzahler. Unterhaltskosten werden auf die Allgemeinheit umgelegt. Wir müssen die Zersiedelung bremsen – dafür gibt es das Anbindegebot im LEP. Was nach Bevormundung oder Dirigismus klingen mag, ist eine Chance für Städte und Gemeinden, um über ihr organisches Wachstum von Wohngebieten und Gewerbegebieten nachzudenken. Die Wunden, die wir unserer Kulturlandschaft mit Beton, Stahl und Teer zufügen, vernarben nicht. Dies gilt nicht zuletzt für den Bau von großen Hotelanlagen im Außenbereich, etwa in idyllischer Alpenlage oder am Seeufer: Bayern darf nicht zur Costa Brava mutieren, wo sich Hotel an Hotel klotzt.“

Maly: „Bayern sollte den Mut haben, nun nicht überstürzt einen unfertigen Entwurf zur Landesentwicklung nur mit Blick auf den Wahltermin im Herbst durch das Parlament zu peitschen. Warum lassen wir uns nicht bis zur nächsten Legislaturperiode Zeit? Bevor etwas Unfertiges verbschiedet wird, sollten wir uns die Zeit nehmen, es zu verbessern.“

Zersiedelungsverbot und Anbindegebot

Zersiedelung ist das ungeregelte und unstrukturierte Wachstum von Städten und Dörfern in die Landschaft. Den Landschaftsverschleiß treiben Gebäude und Anlagen voran, die ohne Anbindung an den Hauptort im Grünen entstehen. Als Siedlungssplitter durchlöchern sie freie Landschaftsräume. Sie gefährden die Tier- und Pflanzenwelt, den Wasserhaushalt und das Klima. Intakte Kulturlandschaft wird verschandelt, der Erholungswert für Menschen schwindet. Im Vergleich zu angebundenen Neubaugebieten verbrauchen Bauvorhaben im Grünen überdurchschnittlich Boden und Geld. Straßen, Wasserleitungen, Kanäle, Stromleitungen, Telekommunikationsleitungen müssen vom Hauptort durch die grüne Wiese gelegt werden, doch ihre Auslastung ist nicht sicher. Die Distanz von Gewerbe- oder Wohngebiet zur Ortschaft muss mit dem Auto überbrückt werden. Mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien wächst der Druck auf freie Landschaftsräume. Städte und Gemeinden können der Zersiedlung Einhalt gebieten, wenn sie Baulandreserven, Brachflächen, leere Bausubstanz und Möglichkeiten der Nachverdichtung in ihren Siedlungsgebieten (Innenentwicklung vor Außenentwicklung) nutzen, auf flächensparende Siedlungs- und Erschließungsformen setzen und Ausweisungen von neuem Bauland an Siedlungseinheiten anbinden. Ein Sonderfall des Anbindegebots ist die integrierte Lage des Einzelhandels. Hier braucht es in der Regel mehr als nur eine Anbindung an den Siedlungskörper, nämlich die Erreichbarkeit zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Einzelhandel ist damit wohnortnah in Orts- oder Stadtteilzentren anzusiedeln, damit etwa Senioren ohne Auto ihren täglichen Einkauf von Lebensmitteln erledigen können.

Bayerischer Städtetag, PM v. 21.02.2013