Aktuelles

Bayerischer Gemeindetag: Im Schneckentempo zum schnellen Internet

©pixelkorn - stock.adobe.com

Das neue bayerische Förderprogramm für schnelles Internet kommt allmählich in Fahrt. Wie das bayerische Breitbandzentrum mitteilte, sind seit dem Start vor einem halben Jahr von 2056 Gemeinden im Freistaat 205 ins Verfahren eingestiegen. Mehr als 40 Städte und Gemeinden ermitteln den aktuellen und prognostizierten Bedarf an Breitbanddiensten. Acht Gemeinden stehen nach dieser Bedarfsermittlung und der sich anschließenden Markterkundung vor der Auswahl eines Netzbetreibers, sagte der Pressesprecher des Breitbandzentrums, Christophe Marandon. 600 Kommunen wurden in 800 Beratungsterminen über den komplexen Sachverhalt aufgeklärt. In Workshops und Fachdialogen stimmt sich das Breitbandzentrum mit den Bezirksregierungen, dem Wirtschaftsministerium und externen Dienstleistern ab.

Nach wie vor wird in den Rathäusern über das umständliche bürokratische Verfahren geklagt, das nach den Vorgaben der Europäischen Union 19 Einzelstationen umfasst. Dadurch gehe viel Zeit verloren, heißt es unisono. Gleichwohl hat sich der Hürdenlauf durch den Paragraphendschungel einigermaßen eingespielt. Auch das Breitbandzentrum, hinter dem das Beratungsunternehmen Pricewaterhouse Coopers (PwC) steht, hat sich in die Materie eingearbeitet und ist inzwischen zu einem wichtigen Partner der Kommunen geworden.

Thomas Huber, Bürgermeister (Freie Wähler) der 5300-Einwohner-Gemeinde Kumhausen bei Landshut, macht aber deutlich: „Ohne die zusätzliche fachliche Beratung durch ein kompetentes Büro und das Breitbandzentrum wären wir gescheitert.“

Sind die Fördermittel, maximal 500.000 Euro, bei einer Kommune eingegangen, muss sie aus eigener Tasche, je nach Haushaltssituation, zwischen 20 und 60 Prozent drauflegen. Nur die nordostbayerischen Gemeinden und die Gemeinden im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen erhalten 80 Prozent. Ein Vertrag mit dem Netzbetreiber, zum Beispiel der Telekom, regelt dann den Ausbau. Der Bayerische Gemeindetag arbeitet momentan mit Hochdruck an einem entsprechenden Mustervertrag. Mehrere Konfliktfälle sind denkbar, die einer Regelung bedürfen. Was ist zum Beispiel, wenn ein kleiner Netzbetreiber pleite geht? Welche Sicherheiten, beziehungsweise Rückforderungsmöglichkeiten gibt es dann für eine Kommune? Was passiert mit dem Netz nach Ablauf des Förderzeitraums von sieben Jahren? Kann eine Gemeinde es erwerben? Diese und andere Fragen soll der Mustervertrag beantworten.

„Wir liegen mit den Arbeiten am Vertrag in den letzten Zügen“, berichtet Stefan Graf, zuständiger Referent des Gemeindetags. „Wir hoffen, nach der Sommerpause bis Mitte September über ein Muster für die Gemeinden zu verfügen.“

Alle Beteiligten seien prinzipiell glücklich, dass es dieses Förderprogramm mit einem derartigen Volumen gibt, sagt Graf. Die Schwäche des Programms liegt aber darin, dass es nicht auf die flächendeckende Versorgung der Gemeinde abzielt. Ein weiteres Problem seien die zahlreichen Vorgaben der EU, welche die Wirkung des Programms schwächten. Graf ist sich nicht sicher, ob die bei der EU angemeldeten zwei Milliarden Euro Fördergelder (davon 1 Milliarde kommunaler Eigenanteil) in absehbarer Zeit tatsächlich verbaut werden können. Vielleicht müsse man noch einmal an den Stellschrauben drehen, um das Fördervolumen voll zu nutzen und nicht digitale Spaltungen in den Gemeinden zu schaffen. Er wünsche sich, sagt ein Gebietsbetreuer des Breitbandzentrums in diesem Zusammenhang, dass die eine oder andere Gemeinde mutiger ist und einen größeren Schritt geht.

Es ist das erklärte Ziel des Bayerischen Gemeindetags, schnelles Internet in einer möglichst großen Fläche mit einer entsprechenden Anzahl von Gewerbebetrieben und Haushalten anzubieten. Graf empfiehlt, möglichst viele Kabelverzweiger mit einem DSL-Anschlussmodul (KVZ/DSLAM) mit Glasfasertechnik zu erschließen und den Rest der Leitungen fürs erste auf Kupferbasis zu belassen. Sonst reichten die maximal 500.000 Euro pro Gemeinde womöglich nicht aus. Über die Größe der Fördergebiete vermag das Breitbandzentrum derzeit keine allgemein gültigen Angaben zu machen. Dazu seien die Gebiete zu unterschiedlich. In kleinteiligeren Gebieten sei die Wirtschaftlichkeitslücke geringer, sprich, die Gemeinde muss weniger Geld in die Hand nehmen. Es gebe aber auch Lösungen für größere Gebiete, so der Sprecher.

Die größte Hürde sieht auch Roland Werb von der Beratungsfirma Corwese darin, das Verfahren so zu steuern, dass es den Spielregeln der EU gerecht wird. Viele Gemeinden fragten sozusagen ins Blaue den Bedarf ab und rieben sich hernach ratlos die Augen, wie sie mit dem Ergebnis weiter machen sollen.

„Wenn man den Bedarf nicht steuert, kommt etwas heraus, was schwer umsetzbar ist“, so der Fachmann.

Richtschnur sollte sein, was technisch machbar und sinnvoll ist. Es sei auch ein großes Hin und Her, will man alle förmlichen Vorschriften einhalten. Zu Beginn des Verfahrens kursierte deshalb das Wort vom „Bürokratiemonster“. Das will Christophe Marandon vom Breitbandzentrum verständlicherweise so nicht stehen lassen. Sei man eingearbeitet, seien die 19 Förderschritte nicht so schlimm.

„Wir beraten ja auch.“

Insgesamt gesehen geht es um Netze mit Übertragungsraten von über 50 Mbit/s, mindestens 30 Mbit/s im downstream und mindestens 2 Mbit/s im upstream (Netz der nächsten Generation oder „Next Generation Access“) in Gewerbe-, oder in „Kumulationsgebieten“, also ausdrücklich nicht um eine flächendeckende Grundversorgung. Schnelle Datenautobahnen für flächendeckend für jedes bayerische Dorf würden nach Einschätzung des Wirtschaftsministeriums 20 Milliarden Euro Fördermittel verschlingen.

Kumhausen zählt zu den acht Gemeinden, welche die Nase vorne haben. Der Spitzengruppe gehören außerdem die Gemeinden Deining (Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz), Ergolding bei Landshut in Niederbayern, das unterfränkische Iphofen, das schwäbische Roggenburg (Landkreis Neu-Ulm), das mittelfränkische Uffenheim (Landkreis Neustadt a.d. Aisch), das oberbayerische Warngau bei Miesbach und der Markt Willanzheim bei Kitzingen in Unterfranken an. Auf die Regierungsbezirke bezogen, haben die Oberbayern und die Oberpfalz die Nase vorn, meldet Sprecher Marandon. Die Oberbayern deshalb, weil sie die meisten Gemeinden haben. In der Oberpfalz werde landkreisweit geplant und auf einen Schlag gleich ein ganzer Schwall von Gemeinden gemeldet. Das sei beispielsweise beim Landkreis Cham der Fall. Deshalb seien bereits 16 Prozent der Oberpfälzer Gemeinden im Verfahren.

Mit knapp 6 Prozent hinken die Niederbayern und die Oberfranken hinterher. Das bedeutet nicht etwa, dass dort Schlafmützen in den Rathäusern sitzen. Einige Kommunen befänden sich womöglich noch in der Endphase des erste Breitbandförderprogramms, oder sie hätten noch keine Mittel für das schnelle Internet im Haushalt eingestellt, beziehungsweise, sie warteten einfach ab und schauten, wie es die anderen machen, so der Sprecher des Breitbandzentrums. Wie das Breitbandzentrum auf seiner Internet-Seite (www.schnelles-internet-in-bayern.de) mitteilt, müssen die Kommunen darauf achten,dass sie schon bei der Festlegung des Erschließungsgebiets die Stellungnahme der Bundesnetzagentur einholen. Die derzeit längeren Beratungszeiten der Netzagentur würden sich deutlich verkürzen, sobald die Telekommunikationsunternehmen ihre Infrastrukturdaten an den Infrastrukturatlas der Bundesnetzagentur gemeldet haben. Das werde voraussichtlich ab November 2013 der Fall sein. In Absprache mit der Bundesnetzagentur können Kommunen zeitgleich zur Markterkundung bereits die Bundesnetzagentur um eine Stellungnahme bitten und das Ergebnis der Markterkundung dann nachreichen. Dadurch können sie die Mindestfrist der Markterkundung (1 Monat) effizient nutzen, so das Breitbandzentrum.

Die Internetseite des Breitbandzentrums enthält neben einem allgemeinen Überblick über alle Gemeinden im Förderverfahren auch praktische Tipps für die Kommunen. Beispielsweise, wie sie die aktuellen Bandbreiten messen, den Markt erkunden und den Förderantrag stellen. Besonders wertvoll sind die verschiedenen Musterdokumente.

Besonders zeitintensiv ist, die Erschließungsgebiete zu definieren. Weil die Gemeinden dabei Fristen einhalten müssen, sind viele noch nicht so weit. Von 340 Gemeinden sind in Schwaben beispielsweise 22 im Verfahren. Auffällig ist, dass solche Gemeinden, die bereits gut oder sogar sehr gut mit schnellem Internet versorgt sind, sich sehr schnell für das neue Förderprogramm gemeldet haben. Demgegenüber halten sich die schlechter versorgten Kommunen auffällig zurück. Mit einer speziellen Akquise will das Breitbandzentrum um sie werben. Oft seien die Gemeinden auch von der Fläche her zu weitläufig. Für einen Netzbetreiber werde es deshalb schwierig, trotz der Fördersumme die Wirtschaftlichkeitslücke darzustellen. Man versuche, je nach der verfügbaren Technik Lösungen zu finden. Der Terminus Wirtschaftlichkeitslücke beschreibt den Betrag, der einem Netzbetreiber fehlt, um das Netz wirtschaftlich, das heißt gewinnbringend, auszubauen.

Raum für Spekulation bietet derzeit, wie die Netzbetreiber auf das Förderprogramm reagieren, die eigentlich einen eigenwirtschaftlichen Ausbau geplant hatten. Zwar hätten sich bereits einige gemeldet, so Marandon, aber die Mehrzahl wartet offenbar noch ab. Dieses Verhalten ärgert Ludwig Baumann, Kämmerer und Breitbandpate der Gemeinde Ergolding.

„Die Betreiber halten still“, weil jeder wisse, dass es Zuschüsse gibt, die Wirtschaftlichkeitslücke also gedeckt werde. Keiner versorge freiwillig. „Das ist eine Abzocke der Gemeinden“, kritisiert Baumann.

Auch die Bürokratie spiele den Kommunen einen Streich.

„Das dauert elendslang.“

Ergolding hat im Frühjahr angefangen, jetzt erfolge erst die Ausschreibung. Insgesamt würden 60 Wochen vergehen. Normalerweise hätte er das mit einer VOB-Ausschreibung erledigt. Baumann rechnet mit zwei bis drei Anbietern. Ergolding hatte zunächst zwei Fördergebiete und hat sie dann zu einem zusammengelegt. Als es um die vorgeschriebene Bedarfsermittlung ging, bekam Baumann Probleme, denn von einem neuen Baugebiet mit 48 Parzellen sind noch nicht alle Grundstücke verkauft. Also kann Baumann für diese Flächen auch noch keinen Bedarf ermitteln. Andererseits haben ihn Leute gefragt, ob man überhaupt Internet brauche. Baumann findet das ein „Trauerspiel“. „Mich fragt auch keiner, ob man Strom braucht.“

Die Gemeinde Roggenburg bei Neu-Ulm hat auf dem 19 Stationen umfassenden Antragsmarathon mittlerweile die Hälfte der Strecke hinter sich.

„Wir haben das Auswahlverfahren beendet und gehen jetzt in die Ausschreibung“, berichtet Bürgermeister Franz-Clemens Brechtel (CSU).

Weil man zu schnell war, mussten bei den Kumulationsgebieten Änderungen vorgenommen werden. Ansonsten stellt Brechtel dem Breitbandzentrum und der Regierung von Schwaben als Bewilligungsbehörde ein gutes Zeugnis aus.

„Die haben uns prächtig unterstützt.“

Bei den Fördergebieten sei alles optimal gelöst worden. Am 30. September laufe die Ausschreibungsfrist aus. Brechtel rechnet mit guten Angeboten. Das Investitionsvolumen liege bei 1 bis 1,5 Millionen Euro. Anfang des neuen Jahres wolle man mit dem Bau beginnen.

„Wie zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts der Strom kam, so erfüllen wir jetzt mit dem schnellen Internet elementare Bedürfnisse“, resümiert der Bürgermeister.

Sonst habe eine Gemeinde erhebliche Standortnachteile.

Am 20. September ist in der Gemeinde Kumhausen mit ihren 49 Ortsteilen Abgabetermin für die Gebote der Netzbetreiber. Eigentlich wollten die Kumhausener die Angebote bereits im August einholen und nicht bis in den September warten. Es gebe aber die bereits erwähnten langen Fristen. Auch betrete man Neuland, so dass etliche Fragen mit dem Breitbandzentrum und dem Wirtschaftsministerium abzuklären waren.

„Wir gehen davon aus, dass wir Angebote erhalten“, ist sich Bürgermeister Huber sicher.

Anfragen habe es bereits gegeben. Huber gibt sich zuversichtlich, noch in diesem Jahr den Auftrag erteilen zu können. Die Gemeinde hat vier Kumulationsgebiete ausgewiesen. Vom Ausbau des schnellen Internets profitieren etwa 1700 Einwohner in den umliegenden Ortsteilen, die über eine schlechte bis gar keine Breitbandversorgung verfügen. Über die erforderlichen Mittel mochte Huber noch keine Angaben machen. Sie seien aber bereits im Haushalt eingestellt. Spätestens Ende nächsten Jahres soll zumindest ein Teil der Kumhausener beim down- und upstream keine Kreise oder Sanduhren mehr sehen.

Am Beispiel Kumhausen zeigt sich auch, dass die Bürger auf das zeitraubende Verfahren mit Unverständnis reagieren. Huber versuchte das mit offenen Gesprächen auszugleichen, sagt er in einem Interview auf der Internetseite des Breitbandzentrums. Ebenso unverständlich war den Bürgern, wieso die Gemeinde keine flächendeckende Versorgung anstrebt, sondern sich stattdessen auf bestimmte Ortsteile festlegen musste.

„Ich habe das in vielen Gesprächen thematisiert und offen gelegt, dass nicht nur die Bürger, die sich in den Kumulationsgebieten befinden, eine Verbesserung erfahren, sondern auch die anderen.“

Diese Kumulationsgebiete mit 30Mbit/s strahlen auch auf Bereiche aus, die bisher nur über 1 Mbit/s verfügen.

Bayerischer Gemeindetag, Aktuelles v. 29.08.2013 (Manfred Hummel)