Gesetzgebung

StMI: Volksentscheid zu Angelegenheiten der Europäischen Union

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Innenminister Joachim Herrmann hat darauf hingewiesen, dass durch den Volksentscheid zu ‚Angelegenheiten der Europäischen Union‘ am 15. September 2013 nicht nur die Rolle des Landtags gestärkt, sondern auch für die bayerische Bevölkerung eine unmittelbare Einflussmöglichkeit geschaffen werden soll.

„Wenn künftig durch einen europäischen Vertrag Kompetenzen der Länder auf die Europäische Union übertragen werden sollen, kann die Bayerische Staatsregierung durch Gesetz gebunden werden. Das kann durch den Landtag oder auch im Wege eines mit Volksbegehren herbeigeführten Volksentscheids geschehen. Damit können auch die bayerischen Bürgerinnen und Bürger unmittelbar Einfluss nehmen, wie sich Bayern vor allem im Bundesrat zu verhalten hat“, so Herrmann.

Kompetenzübertragungen auf die Europäische Union müssen Bundestag und Bundesrat grundsätzlich mit Zweidrittelmehrheit zustimmen. Länderkompetenzen können dabei zum Beispiel im Bereich der schulischen Bildung, der Kultur oder des Rundfunks betroffen sein. Durch Gesetz soll die Bayerische Staatsregierung hier künftig bei ihrem Abstimmungsverhalten gebunden werden können, so zum Beispiel mit dem Ziel einer Ablehnung der Kompetenzübertragung.

Herrmann: „Mit dieser Verfassungsänderung wollen wir mehr Demokratie in Fragen der Europäischen Union verwirklichen. Und wir stärken damit einmal mehr das direkte politische Mitspracherecht der bayerischen Bürgerinnen und Bürger.“

In Bayern können Gesetze nicht nur vom Landtag, sondern unmittelbar vom Volk im Wege eines Volksentscheids beschlossen werden. Das gilt auch hinsichtlich der Möglichkeit einer Bindung der Bayerischen Staatsregierung durch Gesetz, wie es der Volksentscheid zu den Angelegenheiten der Europäischen Union vorsieht. Ein Volksentscheid setzt voraus, dass zuvor mindestens 25.000 Stimmberechtigte die Zulassung eines Volksbegehrens beantragt haben und das Volksbegehren innerhalb eines Eintragungszeitraums von zwei Wochen von mindestens zehn Prozent der Stimmberechtigten in Bayern unterstützt wird. Wenn der Landtag das Volksbegehren ablehnt, findet ein Volksentscheid statt.

StMI, PM v. 11.09.2013

Redaktionelle Anmerkung

Die landesparlamentarische Bindung der Bundesratsmitglieder eines Landes im Hinblick auf ihr Abstimmungsverhalten bei Kompetenzübertragungen auf die EU ist verfassungsrechtlich stark umstritten (Maßstab ist insoweit nicht die Landesverfassung, sondern das Grundgesetz).

Im Kern geht es dabei um die Frage, wem die sog. Integrationsverantwortung obliegt, wer also über die Verlagerung von Gesetzgebungskompetenzen auf die EU-Ebene entscheidet.

Hierzu bestimmt Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG, dass der Bund durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen kann.

Da sich der Grundgesetzgeber bei der Ausgestaltung des Bundesrates bewusst dafür entschieden hat, nicht die Vertreter der Landesparlamente an der Bundesgesetzgebung zu beteiligen, sondern nur Gesandte der Landesregierungen, bedeute das – verkürzt gesprochen – dass die Landesparlamente insoweit außen vor sind.

Anderer Auffassung zufolge „könnte man darüber nachdenken, ob die im Lissabon-Urteil statuierte „Integrationsverantwortung“ der deutschen gesetzgebenden Körperschaften nicht auch den Landesparlamenten obliegt“ (so der Präsident des BVerfG Prof. Dr. Voßkuhle anlässlich einer Festrede zum 60jährigen Bestehens des Landes Baden-Württemberg am 25. April 2012).

Nach Baden-Württemberg (Art. 34a der Verfassung des Landes Baden-Württemberg) ist Bayern – soweit ersichtlich – das zweite Bundesland, das eine entsprechende Bindung in die Verfassung aufnimmt.

Insgesamt sind diese Verfassungsänderungen im Kontext von Bestrebungen zu sehen, einem zunehmenden Bedeutungsverlust der Landesparlamente durch Übertragung von Hoheitsrechten entgegenzuwirken (vgl. hierzu bereits die „Stuttgarter Erklärung der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente“ aus dem Jahre 2010).

Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich das BVerfG in Zukunft mit der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen wird befassen müssen – man wird wohl sagen können: wird befassen dürfen, denn für interessante Diskussionen wird gesorgt sein: So sind Prof. Dr. Voßkuhle und Prof. Dr. Huber zwar unterschiedlicher Auffassung (vgl. Huber, „Die Bayerische Verfassung als lebendige Grundlage politischen und gesellschaftlichen Lebens“, BayVBl. 2012, 257, 260) aber beide gemeinsam im Zweiten Senat.

Ass. iur. Klaus Kohnen