Gesetzgebung

Staatsregierung: Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes (KAG) eingebracht

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Zeit ist Geld - auch bei den KommunalabgabenGrund für die Gesetzesinitiative

1. Beschluss des BVerfG v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08

Einerseits reagiert der Gesetzentwurf auf einen Beschluss des BVerfG v. 05.03.2013 und nimmt die hiernach erforderlichen Anpassungen vor: Das BVerfG hatte Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. cc) Spiegelstrich 2 KAG für verfassungswidrig erklärt und die Nichtigkeit der betreffenden Vorschrift angeordnet, wenn nicht der bayerische Gesetzgeber bis zum 01.04.2014 eine verfassungsgemäße Neuregelung trifft.

Die genannte Vorschrift des KAG betrifft die Frist, innerhalb derer kommunale Beiträge festgesetzt werden dürfen und bestimmt, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist. Damit ermöglicht diese Regelung im Ergebnis, zeitlich unbegrenzt Abgaben zu erheben.

Das lasse die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, eine gewisse Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt und verstoße daher gegen das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, so das BVerfG.

Detaillierter zum Beschluss des BVerfG: siehe hier.

2. Sonstige Gründe

Anlässlich der gebotenen Neuregelung wurden – unabhängig von der Entscheidung des BVerfG – weitere Vorschläge zur Änderung des KAG geäußert, die der Gesetzentwurf aufnimmt. Diese betreffen insbesondere die Zweitwohnungsteuer, die Verzinsung von Forderungen, die Verrentung von Beiträgen, die dingliche Sicherung von Gebühren- und Kostenerstattungsforderungen sowie die Kalkulation von Friedhofsgebühren.

Wesentliche Änderungen des Gesetzentwurfs

1. Beitragsfestsetzungsfrist

Dem Regelungsauftrag des BVerfG werde dadurch entsprochen, dass eine zeitliche Höchstgrenze eingeführt wird, innerhalb derer ein Beitrag festzusetzen ist. Die Frist beginnt – unabhängig vom Entstehen der Beitragsschuld – mit Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, und beträgt, abhängig von der Erfüllung gesetzlicher oder satzungsrechtlich verankerter Mitwirkungspflichten durch den Beitragsschuldner, 20 bzw. 25 Jahre.

Hierzu erhält insbesondere Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb KAG folgende neue Fassung:

[Art. 13 Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung]

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

1. – 3. […]

4. aus dem Vierten Teil – Durchführung der Besteuerung –

a) […]

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

aa) […]

bb) § 169 mit der Maßgabe,

– dass über Abs. 1 Satz 1 hinaus die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist; liegt ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a vor und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre,

– dass in Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 die Worte „§ 10 Abs. 2 Satz 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes“ durch die Worte „Art. 15 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes“ ersetzt werden und

– dass die Festsetzungsfrist nach Abs. 2 Satz 1 einheitlich vier Jahre beträgt,

Damit ist – im Normalfall – die Beitragserhebung ausgeschlossen, wenn die Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Unabhängig davon ist sie aber auch dann nicht mehr möglich, wenn seit Eintritt der Vorteilslage 20 (bzw. 25) Jahre vergangen sind, ohne dass ein Beitrag festgesetzt worden wäre.

Im Ergebnis steht die Neuregelung einer Beitragserhebung in den Fällen entgegen, in denen – aus welchen Gründen auch immer – ein Beitragsanspruch noch 20 Jahre nach Eintritt der Vorteilslage nicht entstanden ist oder nicht geltend gemacht wurde. Damit ist eine feste Höchstfrist normiert, die das Entstehen des Beitrags nicht voraussetzt – also unabhängig davon beginnt, ob gültiges Satzungsrecht vorliegt oder ob sonstige Umstände rechtlicher Natur (nicht erfolgter Grunderwerb, fehlerhafte Widmung, fehlende Gemeinderatsbeschlüsse) die Verwirklichung des Beitragstatbestandes vereitelt haben. Lediglich in den Fällen, in denen der Beitrag deshalb nicht festgesetzt werden kann, weil der Beitragsschuldner oder sein Rechtsvorgänger seine Mitwirkungspflichten verletzt hat, erhöht sich die Frist auf 25 Jahre. Solche Mitwirkungspflichten waren bisher nur im Satzungsrecht enthalten und sollen nun gesetzlich normiert werden (in Art. 5 Abs. 2a Satz 2 – neu – KAG).

2. Zweitwohnungsteuer

Die Einkommensfreigrenzen für die Erhebung der Zweitwohnungsteuer sollen nicht mehr in absoluten Zahlen ausgedrückt werden (derzeit 25.000 € bzw. 33.000 €), sondern durch ein Vielfaches des Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des EStG (momentan 28.455 € bzw. 36.585 €).

Hintergrund dieser Änderungen in Art. 3 Abs. 3 KAG ist das gestiegene Nominaleinkommen. Hiernach seien Bevölkerungsgruppen in die Steuerpflicht hineingewachsen, deren relative wirtschaftliche Lage (Geringverdiener) sich trotz nominal höheren Einkommens nicht geändert habe, so der Gesetzentwurf. Dabei wird auf den Grundfreibetrag des EStG zurückgegriffen, der seinerseits Veränderungen im Einkommensniveau Rechnung trägt und bei Bedarf regelmäßig an die allgemeine wirtschaftliche Lage angepasst wird.

Von den nach der neuen Berechnungsmethode höheren Einkommensfreigrenzen seien keine signifikanten Auswirkungen auf die Einnahmemöglichkeiten der Gemeinden aus der Zweitwohnungsteuer zu erwarten, so der Gesetzentwurf.

3. Verzinsung von Forderungen

Die Verzinsungsregelungen sollen dynamisiert werden, indem auf den Basiszinssatz nach § 247 BGB abgestellt wird.

Bisher ist der Zinssatz statisch und beträgt für jeden Monat einhalb Prozent. Das ergibt sich einerseits durch die Verweisung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b Doppelbuchst. dd KAG auf §§ 238-240 Abgabenordnung (AO) und betrifft etwa Stundungen oder Abgabenbescheide, die zur Vollziehung ausgesetzt sind. Für Rückzahlungsschulden ergibt sich dies aus Art. 5 Abs. 5 Satz 4 KAG.

Das bedeutet einen jährlichen Zinssatz von 6% (12 x 0,5), der je nach Fallkonstellation vom Bürger oder von der Kommune zu leisten ist. Dieser Zinssatz erscheine angesichts einer seit Jahren andauernden Niedrigzinsphase nicht gerechtfertigt, so der Gesetzentwurf. Daher ersetzt der Gesetzentwurf den statischen Zinssatz durch einen dynamischen und verweist hierzu auf den Basiszinssatz nach § 247 BGB. Dieser wird halbjährlich zum 01. Januar und 01. Juli durch die Deutsche Bundesbank angepasst und beträgt derzeit -0,63%. Zum Basiszinssatz wird ein Aufschlag von 2% vorgenommen.

Die Absenkung des Zinsniveaus wird laut Gesetzentwurf dazu führen, dass von den genannten Billigkeitsmaßnahmen (etwa Stundung, Aussetzung der Vollziehung) künftig verstärkt Gebrauch gemacht werde.

Veränderungen des Zinsniveaus haben laut Gesetzentwurf zunächst nur Auswirkungen auf neu zu erlassende Zinsbescheide; eine Anpassung bereits bestandskräftiger Zinsbescheide (§ 234 AO) an die veränderte Sach- und Rechtslage komme allenfalls unter der Maßgabe der über die Verweisung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG anzuwendenden Vorschriften der §§ 130 f. AO in Betracht.

4. Verrentung von Beiträgen

Für Straßenausbaubeiträge wird in Anlehnung an § 135 Abs. 2 und 3 Baugesetzbuch die Möglichkeit der Verrentung eingeführt. Die Verrentung bewirkt, dass die Beitragsschuld in mehreren aufeinander folgenden Jahresleistungen zu begleichen ist.

Art. 5 KAG erhält einen neuen Absatz 10:

[Art. 5 Beiträge]

(10) 1Die Gemeinde kann im Einzelfall zur Vermeidung unbilliger Härten oder in anderen durch Satzung bestimmten Fällen zulassen, dass Beiträge nach Abs. 1 Satz 3 in Raten oder in Form einer Rente gezahlt werden. 2Lässt die Gemeinde eine Verrentung zu, so ist der Beitrag durch Bescheid in eine Schuld umzuwandeln, die in höchstens zehn Jahresleistungen zu entrichten ist. 3In dem Bescheid sind Höhe und Zeitpunkt der Fälligkeit der Jahresleistungen zu bestimmen. 4Der jeweilige Restbetrag ist mit zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB jährlich zu verzinsen; in den Fällen des Satzes 1 Alternative 2 wird der Zinssatz in der Satzung bestimmt. 5Der Beitragsschuldner kann am Ende jeden Kalenderjahres den Restbetrag ohne jede weitere Zinsverpflichtung tilgen. 6Die Jahresleistungen stehen wiederkehrenden Leistungen im Sinn des § 10 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung gleich.

In seinem Anwendungsbereich geht Art. 5 Abs. 10 Satz 1 KAG – die Ratenzahlung wird gemeinhin als besondere Form der Stundung behandelt – der Bestimmung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG i.V.m. § 222 AO vor.

Angesichts der Tatsache, dass die Rechtsprechung den Begriff der „unbilligen Härte“ ebenso wie denjenigen der „erheblichen Härte“ in § 222 AO grundsätzlich sehr restriktiv auslegt, es aber erfahrungsgemäß sonstige berechtigte Fälle geben kann, erhalten die Kommunen in Art. 5 Abs. 10 Satz 1 Alt. 2 KAG die Möglichkeit, in ihre Beitragssatzungen eine ergänzende Regelung dergestalt aufzunehmen, dass Ratenzahlungen und Verrentungen auch ohne das Vorliegen einer unbilligen bzw. erheblichen Härte eingeräumt werden können. Die Gemeinden können damit entscheiden, ob sie von der weitergehenden Möglichkeit überhaupt Gebrauch machen wollen, wenn ja unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen. Sie können in der Satzung oder durch Gemeinderatsbeschluss auch den Zinssatz festlegen, nach dem der jeweilige Restbetrag zu verzinsen ist, so der Gesetzentwurf.

Es stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Kommune, ob sie die neuen Regelungen des Satzes 1 des Art. 5 Abs. 10 KAG auf Antrag des Beitragsschuldners auch für in der Vergangenheit festgesetzte und auf noch nicht vollständig entrichtete Beiträge anwende.

5. Dingliche Sicherung von Gebühren- und Kostenerstattungsforderungen

Auch grundstücksbezogene Benutzungsgebühren und Kostenerstattungsansprüche für Grundstücksanschlüsse sollen künftig als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen.

Hintergrund ist, dass bei zunehmenden Insolvenzen von Privatpersonen bei den Kommunen in den Bereichen der Abfallentsorgung, Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung erhebliche Gebührenausfälle zu besorgen sind. Dem soll vor allem in Zwangsversteigerungsverfahren durch die Bevorrechtigung der grundstücksbezogenen Gebührenforderungen als öffentliche Last entgegengewirkt werden, so der Gesetzentwurf. Gleiches gelte für den Erstattungsanspruch für Grundstücksanschlusskosten.

6. Kalkulation von Friedhofsgebühren

Bei der Kalkulation von Gebühren für die Inanspruchnahme gemeindlicher Bestattungseinrichtungen wird auf die ausdrückliche Anordnung verzichtet, dass Kostenüber- und -unterdeckungen im nächsten Kalkulationszeitraum auszugleichen sind.

Art. 8 Abs. 6 KAG erhält einen neuen Satz 3:

[Art. 8 Benutzungsgebühren]

(6) 1Bei der Gebührenbemessung können die Kosten für einen mehrjährigen Zeitraum berücksichtigt werden, der jedoch höchstens vier Jahre umfassen soll. 2Kostenüberdeckungen, die sich am Ende des Bemessungszeitraums ergeben, sind innerhalb des folgenden Bemessungszeitraums auszugleichen; Kostenunterdeckungen sollen in diesem Zeitraum ausgeglichen werden. 3Satz 2 findet bei Gebühren für die Inanspruchnahme gemeindlicher Bestattungseinrichtungen keine Anwendung.

Bei den Benutzungsgebühren für gemeindliche Bestattungseinrichtungen führe Art. 8 Abs. 6 Satz 2 KAG zu dem – gegenüber anderen Einrichtungen – ungewöhnlichen Ergebnis, dass der Ausgleich im Regelfall einen anderen Nutzungsberechtigten treffe. Wegen der wechselnden Nutzungsberechtigten setzte sich auch die Solidargemeinschaft der Gebührenpflichtigen, innerhalb derer ein Gebührenausgleich stattfinden solle, stets unterschiedlich zusammen. Das der Vorschrift zugrundeliegende Ausgleichssystem sei auf die Friedhofsgebühren daher nicht ohne weiteres übertragbar, so der Gesetzentwurf. Auch die Literatur fordere aus diesem Grunde eigenständige Regularien für die Überlassung bzw. das Nutzungsrecht von Grabstätten und die daraus zu kalkulierende Grabgebühr.

Da auch für die Kalkulation von Friedhofsgebühren die allgemeinen Grundsätze des Abgabenrechts, insbesondere das Kostendeckungsgebot und das Äquivalenzprinzip, gölten, könne laut Gesetzentwurf zugunsten eines praxisgerechten Vollzugs auf das gesetzlich normierte verpflichtende Erfordernis des Ausgleichs von Gebührenüber- und -unterdeckungen verzichtet werden. Gemeinden, welche den Ausgleich vornehmen und weiterhin vornehmen wollen, seien hieran nach wie vor nicht gehindert.

 

Staatsregierung, Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes, LT-Drs. 17/370 v. 13.01.2014 (PDF, 522 KB)

Ass. iur. Klaus Kohnen. Abbildung: © bluedesign – Fotolia.com

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