Gesetzgebung

Staatskanzlei: Baden-Württemberg und Bayern gehen bei Energiewende gemeinsamen Weg

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Kretschmann und Seehofer: Energiewende kann nur erfolgreich sein, wenn Bund und Länder gemeinsam an nationalem Konsens arbeiten

In einem Positionspapier haben Baden-Württemberg und Bayern einen gemeinsamen Weg bei der Umsetzung der Energiewende skizziert. In Bayern und Baden-Württemberg liegen große Lastzentren, gleichzeitig werden in beiden Ländern in den nächsten Jahren die größten atomaren und auch konventionellen Produktionskapazitäten vom Netz genommen.

„Als Länder mit einem bislang hohen Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung einerseits und mit einer starken, im internationalen Wettbewerb stehenden Industrie andererseits, stellt uns die Energiewende vor große Herausforderungen. Diese Situation ist mit der in anderen Bundesländern nicht ohne weiteres zu vergleichen“, sagten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Ministerpräsident Horst Seehofer am Dienstag (28. Januar 2014).

„Bei der Energiewende geht es um ein nationales Projekt, das nur erfolgreich sein kann, wenn Bund und Länder gemeinsam eine konstruktive Lösung anstreben.“

Ziel müsse es sein, einerseits Versorgungssicherheit langfristig zu gewährleisten und andererseits Strom so kostengünstig wie möglich zu erzeugen.

Kretschmann und Seehofer: „Bei einem solchen Gespräch wird über Gemeinsamkeiten gesprochen und über Unterschiede. Beides gibt es zwischen Bayern und Baden-Württemberg.“

„Wir haben mit Bayern unter anderem über unsere Idee gesprochen, eine Energieministerkonferenz einzurichten, in der Bund und Länder alle Fragen rund um die Energiewende und den künftigen Energiemarkt diskutieren können“, fuhr Ministerpräsident Kretschmann fort.

Beiden Ländern gehe es um eine konstruktive Zusammenarbeit aller Entscheidungsträger, um die Energiewende voranzubringen.

Einig seien sich Baden-Württemberg und Bayern auch darin, dass die Gewährleistung der Versorgungssicherheit ein übergeordnetes Ziel sei und auf die zunehmende Einspeisung der Erneuerbaren entsprechend reagiert werden müsse.

„Stichwort Kapazitätsmarkt. Aus meiner Sicht ist der unumgänglich. Die Bereitstellung gesicherter Leistung muss zusätzlich honoriert werden. Ohne Schaffung einer tragfähigen wirtschaftlichen Basis finden sonst Investitionen in zuverlässige und flexibel zuschaltbare Erzeugungskapazitäten nicht statt“, so Seehofer.

„Besprochen haben wir auch den Windausbau: Wir sind uns einig, dass wir die Pläne der Bundesregierung unterstützen, Überförderungen an windstarken Standorten abzubauen und das Referenzertragsmodell weiterzuentwickeln. Dabei muss jedoch gewährleistet sein, dass auch in Süddeutschland der Bau neuer Anlagen noch wirtschaftlich möglich ist, das heißt, dass auch an Standorten mit einem Referenzertrag von 60 bis 80 Prozent noch rentable Windkraftinvestitionen vorgenommen werden können“, betonte Kretschmann.

“Auch das Potential der Bioenergie zur Stabilisierung des Energiesystems muss kosteneffizient weiter erschlossen werden. Bayern und Baden-Württemberg halten es für notwendig, dass Erweiterungen bestehender Anlagen, die eine bedarfsgerechte Stromerzeugung ermöglichen, nicht zu einem Verlust des bisherigen Vergütungsanspruchs führen“, fügte Seehofer hinzu.

„Wir unterstützen den Bund bei der Lösung der Aufgabe, eine sichere und bezahlbare Energieversorgung für Bürger und Unternehmen im Land zu gewährleisten“ erklärten Kretschmann und Seehofer. „Die Eckpunkte sind als konstruktiver Rahmen für die nun anstehende Detailarbeit an der EEG-Reform unter Einbindung der Länder zu begrüßen. Vieles wird nun jedoch von der erforderlichen konkreten Ausgestaltung der einzelnen Regelungen abhängen.“

Staatskanzlei, PM v. 28.01.2014

Anlage: Positionspapier „Energie für Deutschlands starken Süden“

„Energie für Deutschlands starken Süden“

Energiepolitisches Positionspapier der Landesregierung von Baden-Württemberg und der Bayerischen Staatsregierung

Bayern und Baden-Württemberg bekennen sich zur Energiewende hin zu einer Energieversorgung ohne Kernenergie, die sich auf die Nutzung der Erneuerbaren Energien ausrichtet. Als Länder mit einem bislang hohen Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung einerseits und mit einer starken, im internationalen Wettbewerb stehenden Industrie andererseits, stellt sie die Energiewende vor besondere Herausforderungen. Gemeinsames Ziel der Landesregierung von Baden-Württemberg und der Bayerischen Staatsregierung ist eine klima- und umweltverträgliche, sichere und bezahlbare Energieversorgung für Bürger und Unternehmen auch im Süden Deutschlands auch in Zukunft zu gewährleisten. Beide Länder unterstützen die Bundesregierung bei der Lösung dieser Aufgabe. Die von der Bundesregierung vorgelegten Eckpunkte zur Reform des EEG sind eine gute Diskussionsgrundlage.

1. Energieministerkonferenz

Die Landesregierung von Baden-Württemberg und die Bayerische Staatsregierung sehen eine konstruktive, enge Koordinierung der Energiepolitik zwischen Bund und Ländern auf Augenhöhe als essentiell für das Gelingen der Energiewende an. Sie sprechen sich deshalb für die Einrichtung einer ständigen Energieministerkonferenz aus, die sich aus den für Energiepolitik in den Ländern zuständigen Ministern und Ministerinnen bzw. Senatoren und Senatorinnen zusammensetzt und unter dem Vorsitz der Länder den fortwährenden, engen Dialog mit dem für Energie zuständigen Bundesminister führt. Die große Bedeutung der Energiepolitik und deren vielfältige Ausstrahlung auf weitere Politikfelder, so z.B. auch auf die Industriepolitik, und die Vielfalt der zur Lösung anstehenden energiepolitischen Herausforderungen, macht die Einrichtung einer solchen Fachministerkonferenz ebenso zwingend wie die bereits auf Bundesebene vollzogene Zuständigkeitskonzentration.

2. Versorgungssicherheit, Kapazitätsmechanismen, Lastmanagement

Für die Landesregierung von Baden-Württemberg und die Bayerische Staatsregierung hat der Erhalt der Stromversorgungssicherheit zentrale Bedeutung. In beiden Ländern zusammen ist bis zum Jahr 2020 mit einem Rückgang der gesicherten, d.h. jederzeit verfügbaren Erzeugungsleistung von rd. 7 Gigawatt (GW) zu rechnen. Auf eine vollständige Kompensation durch Stromlieferungen aus anderen Teilen Deutschlands oder dem Ausland zu setzen, wäre unverantwortbar, da weder von der rechtzeitigen Fertigstellung der notwendigen Stromleitungen noch von jederzeit ausreichenden Überkapazitäten im Ausland sicher ausgegangen werden kann und darf.

Die Landesregierung von Baden-Württemberg und die Bayerische Staatsregierung stellen fest, dass unter den aktuellen stromwirtschaftlichen Rahmenbedingungen bereits der Bestand vor allem an ausreichend flexiblen, hochdynamischen, aber auch klimafreundlichen Kapazitäten in Frage steht und auch mittel- bis langfristig keine ausreichenden Investitionen in gesicherte Kapazitäten stattfinden, wie sie als Ergänzung der Stromerzeugung aus dargebotsabhängigen erneuerbaren Quellen benötigt werden. Sie sprechen sich daher dafür aus, das Strommarktdesign anzupassen und bis zum Sommer 2014 eine Entscheidung zugunsten der Einführung eines fokussierten Kapazitätsmechanismus zu treffen, der die Bereitstellung gesicherter Leistung zusätzlich zu den Erlösen aus dem Stromverkauf honoriert und so eine wirtschaftliche Basis für Investitionen in neue, flexible und klimafreundliche Erzeugungs-, Last- und Speicherkapazitäten schafft. Die Umsetzung durch den Bundesgesetzgeber muss bis Sommer 2015 erfolgen, um rechtzeitig die notwendigen Investitionsentscheidungen zu ermöglichen. Die Landesregierung von Baden-Württemberg und die Bayerische Staatsregierung werden ihre Forderung nach Einführung eines Kapazitätsmechanismus kurzfristig gemeinsam, offensiv und öffentlich vertreten.

Die Landesregierung von Baden-Württemberg und die Bayerische Staatsregierung sind der Auffassung, dass auch die Nachfrageseite einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität und damit zur Versorgungssicherheit leisten kann, indem die Nachfrage zeitlich besser mit dem Stromangebot koordiniert wird. Sie werden daher ihre bisherige Zusammenarbeit bei der Ermittlung der Potenziale für das sog. Lastmanagement auch bei der Umsetzung von Pilotprojekten zur Förderung von Marktmodellen zur Hebung dieser Potentiale fortsetzen.

3. Reform des EEG

Die Landesregierung von Baden-Württemberg und die Bayerische Staatsregierung wollen den Ausbau der Erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung weiter engagiert fortsetzen. Dabei sehen sie eine kosteneffiziente Förderung und die Forcierung der Markt- und Systemintegration der Erneuerbaren Energien als wichtige Ziele an und werden sich daher konstruktiv an der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) beteiligen, die die Bundesregierung in ihren am 22. Januar 2014 beschlossenen Eckpunkten (PDF, 297 KB) skizziert.

Bei der Windkraft an Land unterstützen die Landesregierung von Baden-Württemberg und die Bayerischen Staatsregierung die Pläne der Bundesregierung, Überförderungen an windstarken Standorten abzubauen und das Referenzertragsmodell weiterzuentwickeln. Dabei muss jedoch gewährleistet sein, dass auch in Süddeutschland der Bau neuer Anlagen noch wirtschaftlich möglich ist, d.h. dass auch an Standorten mit einem Referenzertrag von 60 bis 80 Prozent noch rentable Windkraftinvestitionen vorgenommen werden können. Bei der Übergangsregelung muss eine Lösung gefunden werden, die den Vertrauensschutz von Investoren, die umfangreiche Vorarbeiten geleistet haben, angemessen berücksichtigt. Auch hier müssen die vorgelegten Eckpunkte noch angepasst werden.

Die Landesregierung von Baden-Württemberg und die Bayerische Staatsregierung unterstützen die Konzentration des Zubaus von Biogasanlagen überwiegend auf Abfall- und Reststoffe. Das Potenzial der Bioenergie zur Stabilisierung des Energiesystems durch Flexibilisierung und Vernetzung muss kosteneffizient erschlossen werden. Die Landesregierung von Baden-Württemberg und die Bayerische Staatsregierung halten es für notwendig, dass Erweiterungen bestehender Anlagen, die eine bedarfsgerechte Stromerzeugung ermöglichen, nicht zu einem Verlust des bisherigen Vergütungsanspruchs führen. Voraussetzung ist, dass die Gesamtmenge des in der jeweiligen Anlage produzierten Stroms gleich bleibt und der Strom direkt vermarktet wird. Dies leistet einen Beitrag zur Versorgungssicherheit ohne die Gesamtkosten für Strom aus Biogas zu erhöhen.

Baden-Württemberg und Bayern sind stark auf den Export setzende Industrieländer. Die Landesregierung von Baden-Württemberg und die Bayerische Staatsregierung begrüßen daher die Absicht der Bundesregierung, die Besondere Ausgleichsregelung so weiterzuentwickeln, dass sie europarechtskonform und zielgenau ist, die Kosten angemessen verteilt und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen nicht gefährdet.

4. Energieeffizienz

Die Landesregierung von Baden-Württemberg und die Bayerische Staatsregierung stimmen überein, dass zum Erreichen der Ziele der Energiewende auch große Anstrengungen zur Verbesserung der Energieeffizienz notwendig sind. Sie verfolgen das Ziel, die energetische Sanierungsquote zu steigern und damit den Wärmebedarf im Gebäudebestand zu senken sowie die Kraft-Wärme-Kopplung und die Nah- und Fernwärmenetze auszubauen. Sie treten für eine zügige Umsetzung der EU-Energieeffizienz-Richtlinie ein.

Die Landesregierung von Baden-Württemberg und die Bayerischen Staatsregierung fordern die Bundesregierung auf, einen konkreten Arbeitsplan mit Meilensteinen für die Erarbeitung eines Energieeffizienz-Aktionsplanes für Deutschland vorzulegen, dabei eng mit den Ländern zusammenzuarbeiten und bei der Umsetzung der Energieeffizienzrichtlinie in deutsches Recht die Möglichkeit vorzusehen, dass im Jahr 2016 bei erkennbarem relevantem Abweichen vom erforderlichen Einsparpfad geeignete Maßnahmen identifiziert und ergriffen werden (insbesondere die Einführung weiterer Anreizsysteme).