Gesetzgebung

Bayerischer Städtetag: Die ursprüngliche Dynamik der Energiewende ist inzwischen versandet – Bund, Länder und Kommunen sollten Entscheidungen gemeinsam tragen

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„Proteste gegen Stromtrassen, Widerstand gegen Windräder, Bedenken gegen die Effizienz von Sonnenenergie, Kritik an Pumpspeicherkraftwerken und am Ausbau der Wasserkraft, Ablehnung von Biomassekraftwerken wegen Vermaisung der Landschaft: Wenn alle Einwände gegen einzelne Möglichkeiten der regenerativen Energieerzeugung berücksichtigt werden, kann die Energiewende nicht gelingen. Der Konsens zum Ausstieg aus der Atomkraft 2011 war klar. Leider ist die ursprüngliche Dynamik der Energiewende inzwischen versandet. Dabei ist die Energiewende eine Chance. Alle Beteiligten in Bund, Bayern und Kommunen sollten eine gemeinsame Entscheidung auch gemeinsam vertreten und nicht gleich einknicken, sobald unangenehme Nachrichten kommen und Gegenwind bläst. Denn die Menschen sind durchaus bereit, Belastungen mit zu tragen, sofern sie von der Notwendigkeit überzeugt sind“, sagt Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags.

Maly: „Die Kehrtwende bei der Windenergie bleibt ärgerlich, weil damit eine wichtige regenerative Energiequelle ausgebremst wird.“

Der Freistaat Bayern und die Bundesregierung sorgen mittel- und langfristig für eine Entschleunigung des Ausbaus der Windenergie in Bayern. Die geplanten Abstandsregelungen sind wegen ihrer Komplexität für die Bürgerschaft und auch für die Kommunalpolitik nicht verständlich: Der Vorstoß des Bundes zielt auf die Privilegierung, um Windenergieanlagen von einem höhenbezogenen Mindestabstand „10 H“ von Wohnbebauung abhängig zu machen. „10 H“ bedeutet, dass bei einer 200 Meter hohen Anlage ein Abstand von 2000 Metern zu Siedlungen gehalten werden müsste. Allerdings könnten die Kommunen planerisch geringere Abstände festlegen. Laut Ministerratssitzung vom 8. April 2014 ist nun auch die Staatsregierung davon abgerückt, „10 H“ über den Privilegierungstatbestand hinaus auf die kommunale Bauleitplanung zu erstrecken. Mit der Gesetzinitiative kommt die Staatsregierung nur scheinbar den Interessen der Windkraftgegner entgegen. Der Grund: Die Bürger gehen davon aus, dass die „10 H“-Regelung uneingeschränkt gilt, tatsächlich gilt sie aber nur unter dem Vorbehalt, dass die Gemeinden nicht planerisch tätig werden. Probleme werden auf die kommunale Planungsebene verlagert und sorgen abermals für mühsame Diskussionen und Irritationen auf kommunaler Ebene.

Die Vorgeschichte: Bereits ein Ministerialschreiben im August 2013 an die Kreisverwaltungsbehörden hat die Ausbau-Euphorie gebremst. Es erfolgte damals die Aufforderung, Anträge auf Errichtung einer Windenergieanlage nur mit Blick auf die kommende Gesetzesänderung zu entscheiden. Mit dieser Kehrtwende fiel die Staatsregierung ausgerechnet den Kommunen in den Rücken, die den Appell im Bayerischen Energiekonzept 2011 zur Umsetzung der Energiewende ernst genommen haben. Städte und Gemeinden haben mit Bürgern und Trägern öffentlicher Belange mühevoll abgestimmte Pläne für die Standortsteuerung von Windenergieanlagen erarbeitet. Einige Städte, Gemeinden und Stadtwerke haben als Vorhabenträger im Vertrauen auf die Gesetzeslage in Windräder investiert. Diese Investitionen dürfen nicht ins Leere gehen, die beteiligten Unternehmen und Kommunen brauchen Planungssicherheit.

Die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) will die Kosten der öffentlichen Förderung begrenzen, die finanziellen Risiken und Lasten der Energiewende gerechter verteilen und regenerative Energien besser in den Markt integrieren.

Maly: „Der Kompromiss zur Reform des EEG geht in die richtige Richtung, um die staatliche Vergütung zu begrenzen. Die Umstellung des Fördersystems muss schrittweise und behutsam erfolgen, um dezentrale Energieprojekte von vielfältigen Akteuren nicht zu beeinträchtigen.“

Bestandsanlagen sollten weiterhin von der Beteiligung des Eigenstromverbrauchs an der EEG-Umlage ausgeschlossen bleiben. Die Befreiung von der EEG-Umlage für stromintensive Unternehmen mag mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie begründet sein, aber nötig ist auch weiterhin eine Befreiung des Öffentlichen Nahverkehrs von der EEG-Umlage, um für Fahrgäste empfindliche Preissteigerungen zu vermeiden. Flankierend zur EEG-Reform muss ein Energiemarktdesign geschaffen werden, das einen Kapazitätsmarkt vorsieht, damit energieeffiziente und klimaschonende Gas-Kraftwerke zum Ausgleich der volatilen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wieder wirtschaftlich betrieben werden können.

Auszug aus den Forderungen des Vorstands des Bayerischen Städtetags zur Energiewende

Der Bayerische Städtetag erwartet vom Bund ein Gesamtkonzept, um die Energiewende zielgerichteter umzusetzen. Insbesondere wird der Bund aufgefordert, gemeinsam mit den Ländern, den Kommunen, den kommunalen Energieversorgern und der gesamten Energiewirtschaft ein integriertes Energiemarktdesign zu erarbeiten, das die Umsetzung der energiepolitischen Ziele wirtschaftlich und ökologisch vertretbar ermöglicht, die Versorgungssicherheit gewährleistet und die Verbraucherinteressen berücksichtigt. Dazu gehört auch die Ausgestaltung eines Kapazitätsmarkts für Kraftwerkskapazitäten. Überdies muss gewährleistet werden, dass kurzfristig anfahrbare Kraftwerke mit energieeffizienter Technologie zum Ausgleich der volatilen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wirtschaftlich betrieben werden können.

Der Freistaat Bayern wird weiterhin aufgefordert, einen Masterplan für die künftige Energieversorgung Bayerns zu schaffen, der verlässliche Rahmenbedingungen und einen Projektplan mit Zielen, Meilensteinen und Verantwortlichkeiten enthält.

Die Energieeinsparung und die Steigerung der Energieeffizienz sind wesentliche Bestandteile der Energiewende. Das erhebliche Energie-Einsparpotenzial bei den Fahrzeugen im ÖPNV muss ausgeschöpft werden.

Die Wasserkraft ist eine tragende Säule beim Umstieg auf erneuerbare Energien. Der Ausbau der Wasserkraft ist ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der Energiewende, soweit er ökologisch verträglich erfolgt und auch ökonomischen Gesichtspunkten Folge leistet.

Das größte Potenzial zur Umsetzung der Energiewende in Bayern ist in der Windkraft zu sehen. Der Vorschlag der Staatsregierung, Windkraftkonzepte von der Einhaltung „höhenbezogener Abstandsregelungen“ abhängig zu machen, wird abgelehnt. Diese Initiative stellt die Ernsthaftigkeit der Energiewende in Frage, weil sie die Erreichung der Ausbauziele der Staatsregierung nahezu unmöglich macht und auf eine Verhinderung neuer Windenergieanlagen hinausläuft. Es muss den Kommunen und den Regionalen Planungsverbänden überlassen bleiben, in ihren Windkraftkonzepten im Rahmen der Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angemessene Abstände zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauung zu finden.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) muss als wichtiger Anreizmechanismus für das Vorantreiben der erneuerbaren Energien in der Gesellschaft überarbeitet, aber grundsätzlich erhalten bleiben. Öffentliche Verkehrsunternehmen müssen von der EEG-Umlage befreit bleiben.

Der bundesweite Stromnetzausbau muss in größtmöglicher Transparenz erfolgen. Dies war bislang nicht der Fall. Der Leitungsbedarf muss im Licht der von der Großen Koalition beschlossenen neuen Rahmenbedingungen der Energiewende geprüft werden. Trassenführungen müssen einen angemessenen Abstand von der Wohnbebauung einhalten und streckenweise müssen Erdverkabelungsmöglichkeiten geprüft werden. Die Kommunen müssen in die Umsetzung vor Ort eingebunden werden. Das von den kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene vorbereitete gemeinsame Positionspapier mit den vier Übertragungsnetzbetreibern muss zügig unterzeichnet werden, um den Kommunen eine aktive und informelle Mitwirkung zu ermöglichen.
Die Verteilnetze müssen in die Diskussion einbezogen werden. Es wird daran erinnert, dass rund 97 Prozent der erneuerbaren Energien über diese Netze eingespeist werden. Bei ihnen besteht ein erheblicher Ausbau- und Finanzierungsbedarf. Zur Erreichung intelligenter Netze muss die Smart-Meter-Technologie einbezogen werden.

Bayerischer Städtetag, Pressemitteilung v. 10.04.2014