Gesetzgebung

Staatsregierung: Gesetzentwurf zur Änderung des Landeswahlgesetzes (LWG) eingebracht (Einführung von Volksbefragungen)

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Ungeschriebene Voraussetzung für eine Volksbefragung dürfte die Richtungserwartung seinDie Staatsregierung hat am 29.04.2014 den Gesetzentwurf zur Änderung des Landeswahlgesetzes (Einführung von Volksbefragungen) eingebracht (LT-Drs. 17/1745). Die Gesetzesänderung soll bei staatlichen Vorhaben von landesweiter Bedeutung künftig Volksbefragungen ermöglichen.

Laut Gesetzentwurf ist bei der Durchführung einer Volksbefragung in etwa mit den gleichen Kosten zu rechnen wie bei einem Volksentscheid (ca. 10 bis 15 Mio. Euro). Der Freistaat erstatte den Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften die durch die Abstimmung veranlassten notwendigen Ausgaben durch einen festen Betrag je stimmberechtigter Person (Art. 17 Abs. 1 LWG).

Grund für die Gesetzesinitiative

Neben den in der Verfassung bereits vorgesehenen direktdemokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten im Bereich der Gesetzgebung solle erstmals auch die Möglichkeit einer unmittelbaren Volksbeteiligung im Bereich der Aufgaben geschaffen werden, die der Staatsregierung als oberster leitender und vollziehender Behörde (Art. 43 Abs. 1, Art. 55 Nr. 1 BV) obliegen.

Wesentliche Änderungen

Der III. Teil des Gesetzes erhält einen neuen „Abschnitt IV Volksbefragung“, der aus dem neuen Art. 88a besteht:

Art. 88a Volksbefragung

(1) 1Über Vorhaben des Staates mit landesweiter Bedeutung wird eine Volksbefragung durchgeführt, wenn Landtag und Staatsregierung dies übereinstimmend beschließen. 2Über die Gesetzgebung findet keine Volksbefragung statt.

(2) Art. 75 Abs. 1, Art. 76 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Art. 77 Sätze 1 und 2, Art. 78 und 80 finden entsprechende Anwendung.

(3) Das Ergebnis einer Volksbefragung lässt die dem Landtag und der Staatsregierung nach der Verfassung zustehenden Befugnisse unberührt.

Gegenstand der Volksbefragung

Volksbefragungen müssen sich nach der grundgesetzlichen Ordnung im Rahmen der Landeskompetenzen halten.

Über die Landes-Gesetzgebung findet dabei laut Gesetzentwurf keine Volksbefragung statt, da diese in der Verfassung abschließend geregelt sei.Die ausdrückliche Herausnahme der Gesetzgebung als Gegenstand der Volksbefragung betrifft laut Begründung Gesetze, Gesetzesvorlagen und ihre Einbringung sowie sämtliche Akte der Haushaltsgesetzgebung.

Als Beispiele für „staatliche Vorhaben“, zu denen eine Volksbefragung durchgeführt werden kann, nennt die Begründung Projekte in staatlicher Trägerschaft oder die Ausübung gesellschaftsrechtlich vermittelter (unternehmerischer) Mitwirkungsrechte des Staates.

Von landesweiter Bedeutung seien insbesondere Vorhaben zur Herstellung und Sicherung einer für Bayern insgesamt relevanten Infrastruktur.

Initiativrecht

Eine Volksbefragung ist laut Gesetzentwurf nur vorgesehen, wenn Landtag und Staatsregierung dies übereinstimmend beschließen.

Die Bindung an einen Beschluss der Staatsregierung wird mit den möglichen Gegenständen der Volksbefragung begründet: Diese beträfen insbesondere den von Verfassungs wegen der Staatsregierung zugewiesenen Verantwortungsbereich (Art. 43 Abs. 1, Art. 55 Nr. 1 BV).

Da auch dieses Regierungshandeln der uneingeschränkten parlamentarischen Kontrolle unterliege und sich aus ihm Belastungen für den Haushalt ergeben könnten, bedürfe es zudem eines Beschlusses des Landtags (der mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschließt, Art. 23 Abs. 1 BV).

Liest man die Begründung zum Gesetzentwurf (PDF, 388 KB) mit Bedacht durch, so stößt man auf S. 4, 1. Spalte auf eine Passage (Abschnitte 2 und 3), in der die Bedeutung derartiger Volksbefragungen mehrfach relativiert wird. Man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, die Staatsregierung habe hier möglichen Bedenken des Landtags entgegenwirken wollen, aufgrund (zahlreicher) – unmittelbarer – Volksbefragungen könne es zu einem Bedeutungsverlust der – repräsentativen – Volksvertretung kommen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der vom Ministerpräsidenten in seiner Regierungserklärung v. 12.11.2013 angekündigten „Koalition mit den Bürgerinnen und Bürgern“. So mag das Zustimmungserfordernis des Landtags auch dem Umstand geschuldet sein, dass es andernfalls schwer gewesen wäre, eine parlamentarische Mehrheit für das Vorhaben zu erhalten.

Durchführung der Volksbefragung

Volksbefragungen sollen nach den auch für Wahlen und Volksentscheide geltenden Regeln unter Beachtung der Wahlrechtsgrundsätze durchgeführt werden.

Die Stimmberechtigung richtet sich nach Art. 1 Abs. 1 LWG, dessen Wortlaut um Volksbefragungen ergänzt werden soll.

Der Inhaber eines Wahlscheins kann sein Stimmrecht in einem beliebigen Stimmbezirk innerhalb der kreisfreien Gemeinde oder des Landkreises ausüben – Art. 3 Abs. 3 Satz 2 LWG soll ebenfalls entsprechend um Volksbefragungen ergänzt werden.

Durch eine Ergänzung in Art. 6 Nr. 3 LWG soll bestimmt werden, dass auch bei Volksbefragungen für jeden Landkreis und für jede kreisfreie Gemeinde ein Abstimmungsleiter und ein Abstimmungsausschuss als Wahlorgane tätig werden.

In Art. 88a Abs. 2 LWG werden die Bestimmungen über die Durchführung eines Volksentscheids für entsprechend anwendbar erklärt:

  • Mit der Bezugnahme auf Art. 75 Abs. 1 LWG wird geregelt, dass die Staatsregierung den Tag und Gegenstand der Volksbefragung bekanntzumachen hat. Neben der Bekanntmachung der Fragestellung können danach zu ihrer Erläuterung auch weitere Informationen über das Vorhaben des Staates, zu dem das Volk befragt werden soll, gegeben werden.
  • Für die Stimmzettelgestaltung und Stimmabgabe finden Art. 76 Abs. 1 Sätze 1 und 2 LWG und für die Feststellung des Ergebnisses der Volksbefragung Art. 78 LWG entsprechende Anwendung.
  • Für die Prüfung der Volksbefragung gilt die bei Volksentscheiden vorgesehene Regelung in Art. 80 LWG entsprechend.

Ergebnis der Volksbefragung

Nach Art. 88a Abs. 3 LWG lässt das Ergebnis einer Volksbefragung die dem Landtag und der Staatsregierung nach der Verfassung zustehenden Befugnisse unberührt – mit anderen Worten: Es ist unverbindlich.

Die Gesetzesbegründung billigt dem Ergebnis einer Volksbefragung gleichwohl deutlich stärkeren Einfluss auf die Entscheidung über ein Vorhaben zu als eine demoskopische Umfrage, weil die Volksbefragung nach den für Wahlen und Volksentscheiden geltenden Regeln durchgeführt werde. So könne eine Volksbefragung bei umstrittenen Vorhaben auch befriedend wirken.

 

Staatsregierung, Gesetzentwurf zur Änderung des Landeswahlgesetzes (Einführung von Volksbefragungen), LT-Drs. 17/1745 v. 29.04.2014 (PDF, 388 KB)

Ass. iur. Klaus Kohnen; Abbildung: (c) cirquedesprit – Fotolia.com

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