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BVerwG: Für den unionsrechtlichen Anspruch auf finanzielle Abgeltung nicht genommenen Urlaubs kommt es nicht darauf an, auf wessen Veranlassung das Beamtenverhältnis beendet wurde

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euro auf sonnenliegeMit U. v. 31.01.2013 hatte das BVerwG entschieden, dass Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG auch für Beamte einen Anspruch auf Abgeltung von Urlaub begründet, den sie krankheitsbedingt vor Eintritt in den Ruhestand nicht nehmen konnten. Mit U. v. 30.04.2014 – veröffentlicht am 27.05.2014 – hat das BVerwG nun das Tatbestandsmerkmal der „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ konkretisiert und entschieden, dass ein Beamter auch dann einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung seines krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenen Jahresurlaubs hat, wenn er auf eigenen Wunsch aus dem Beamtenverhältnis entlassen wird.

Zum Sachverhalt

Die Klägerin, bei der ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt ist, stand von Anfang Januar 2009 bis Ende März 2012 im Dienst der Beklagten (Bundesnachrichtendienst, Personalverwaltung). Von Anfang März 2011 bis Ende März 2012 war sie dienstunfähig krankgeschrieben. Mit Ablauf des 31. März 2012 wurde sie auf ihren Antrag hin aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Im Jahr 2011 nahm sie sieben Urlaubstage in Anspruch, im Jahr 2012 hatte die Klägerin keinen Urlaub.

Die Klägerin verlangte die Abgeltung ihres nicht in Anspruch genommenen Urlaubs unter Einschluss des Schwerbehindertenzusatzurlaubs.

Dem trat die Beklagte entgegen: Der Abgeltungsanspruch setze die Beendigung des Dienstverhältnisses durch Eintritt in den Ruhestand wegen Erreichens der Regelaltersgrenze oder die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit voraus. In diesen Fällen sei der Urlaubsanspruch zu sichern, weil der Beamte diesen wegen des Ruhestands nicht mehr habe realisieren können. Diese Schutzfunktion sei aber in den Fällen nicht geboten, in denen der Beamte seinen nicht verbrauchten Urlaub auf eigenes Betreiben hin nicht mehr antreten könne – ohne ihren Entlassungsantrag hätte die Klägerin ihren Jahresurlaub in natura nehmen können.

Zur Entscheidung

Das BVerwG hat mit U. v. 30.04.2014, 2 A 8.13, entschieden, dass die Klage überwiegend begründet ist: Die Beklagte sei zur finanziellen Abgeltung des Erholungsurlaubs verpflichtet. In Bezug auf den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 125 SGB IX sei die Klage mangels einer Anspruchsgrundlage jedoch unbegründet.

Das BVerwG hat folgenden Leitsatz formuliert:

Leitsatz

Für den unionsrechtlichen Anspruch auf finanzielle Abgeltung nicht genommenen Urlaubs kommt es hinsichtlich des Begriffs der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nicht darauf an, auf wessen Veranlassung das Dienstverhältnis beendet worden ist oder in wessen Verantwortungsbereich der jeweilige Beendigungsgrund fällt. Deshalb erfüllen sämtliche Beendigungsgründe der § 30 BBG und § 21 BeamtStG das Merkmal der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (im Anschluss an Urteil vom 31. Januar 2013 – BVerwG 2 C 10.12 – NVwZ 2013, 1295).

Zur Begründung

1. Mindestjahresurlaub

Nach der für die nationalen Gerichte verbindlichen Auslegung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG durch den EuGH hätten auch Beamte aufgrund dieser nach Ablauf der Umsetzungsfrist unmittelbar anwendbaren Bestimmung grundsätzlich einen Anspruch auf Abgeltung des von ihnen nicht in Anspruch genommenen Mindestjahresurlaubs von vier Wochen.

Die Beendigung des Beamtenverhältnisses der Klägerin durch ihre antragsgemäße Entlassung nach § 33 BBG sei eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Nach der Rechtsprechung des EuGH umfasse der Begriff der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sämtliche Umstände, die die rechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis, d.h. insbesondere die Dienstleistungspflicht des Arbeitnehmers sowie die Entgeltpflicht des Arbeitgebers, beenden, so dass der Arbeitnehmer keinen bezahlten Jahresurlaub mehr nehmen könne (EuGH, Urteile vom 20. Januar 2009 – Rs. C- 350/06 und C- 520/06 Rn. 56 und vom 3. Mai 2012 Rn. 29; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 Rn. 12).

Diese Auslegung entspreche auch dem Zweck des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft, von dem nicht abgewichen werden dürfe und den die zuständigen nationalen Stellen nur in den in der maßgeblichen Richtlinie selbst ausdrücklich gezogenen Grenzen umsetzen dürften. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bezwecke es, dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Der Anspruch auf Jahresurlaub und der Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgelts seien zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs. Durch das Erfordernis der Zahlung des Urlaubsentgelts solle der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist. Werde das Arbeitsverhältnis beendet, ist es dem Arbeitnehmer nicht mehr möglich, tatsächlich bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Um zu verhindern, dass dem Arbeitnehmer wegen dieser Unmöglichkeit jeder Genuss des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub, selbst in finanzieller Form, verwehrt werde, sehe Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG vor, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf eine finanzielle Vergütung habe.

2. Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 125 SGB IX

Für einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung des nicht in Anspruch genommenen Zusatzurlaubs (§ 125 SGB IX) gebe es hingegen keine Rechtsgrundlage: Der unionsrechtliche Abgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sei auf den Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG beschränkt. Die Arbeitszeitrichtlinie stelle lediglich Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz auf und überlasse es den Mitgliedstaaten, den Beamten weitergehende Ansprüche auf Urlaub und dessen Abgeltung einzuräumen (EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 Rn. 35 f.).

Für den Anspruch auf Abgeltung des nicht genommenen Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX biete das innerstaatliche Recht für Beamte keine Grundlage. § 7 Abs. 4 BUrlG, der nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Grundlage auch für die Abgeltung dieses Urlaubs ist, sei auf Beamte nicht anwendbar (Urteil vom 31. Januar 2013 a.a.O. Rn. 8).

BVerwG, U. v. 30.04.2014, 2 A 8.13

Ass. iur. Klaus Kohnen; Abbildung: (c) Schlierner – Fotolia.com

Net-Dokument BayRVR2014043001