Gesetzgebung

Staatsregierung: Gesetzentwurf zur Änderung der Bayerischen Bauordnung (BayBO) und des Gesetzes über die behördliche Organisation des Bauwesens, des Wohnungswesens und der Wasserwirtschaft (OrgBauWasG) eingebracht

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Windrad – WindenergieDer Gesetzentwurf (LT-Drs. 17/2137 v. 27.05.2014) sieht insbesondere höhenbezogene Mindestabstände von Windkraftanlagen (WKA) zur Wohnbebauung vor und macht von der zu diesem Zweck vorgesehenen Länderöffnungsklausel in § 249 Abs. 3 BauGB Gebrauch. Die Länderöffnungsklausel ist Gegenstand eines aktuellen Gesetzgebungsverfahrens auf Bundesebene: Der Gesetzentwurf zur Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Vorgabe von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen sieht einen neuen Abs. 3 in § 249 BauGB vor. Die geänderte Vorschrift würde hiernach lauten (Änderungen im Gesetzestext fett markiert bzw. durchgestrichen):

§ 249 Sonderregelungen zur Windenergie in der Bauleitplanung

(1) – (2) […]

(3) Die Länder können durch bis zum 31. Dezember 2015 zu verkündende Landesgesetze bestimmen, dass § 35 Absatz 1 Nummer 5 auf Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung findet, wenn sie einen bestimmten Abstand zu den im Landesgesetz bezeichneten zulässigen baulichen Nutzungen einhalten. Die Einzelheiten, insbesondere zur Abstandsfestlegung und zu den Auswirkungen der festgelegten Abstände auf Ausweisungen in geltenden Flächennutzungsplänen und Raumordnungsplänen, sind in den Landesgesetzen nach Satz 1 zu regeln. Die Länder können in den Landesgesetzen nach Satz 1 auch Abweichungen von den festgelegten Abständen zulassen.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 18/1310; PDF, 180 KB) wurde im Bundestag in erster Lesung beraten und dem Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit federführend überwiesen. Dieser führte am 21.05.2014 eine öffentliche Expertenanhörung durch. Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf (BR-Drs. 155/14) mit Beschluss vom 23.05.2014 abgelehnt (PDF, 80 KB). Der Gesetzentwurf ist nicht zustimmungsbedürftig.

Grund für die Gesetzesinitiative

Hier führt der Gesetzentwurf der Staatsregierung die rasante technologische Entwicklung an, die dazu geführt habe, dass sowohl die Größe der Rotoren als auch die Gesamthöhe von WKA deutlich zugenommen hätten. Diese Entwicklung habe Auswirkungen auf die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Errichtung von WKA sowohl in ihrem näheren Wohnumfeld als auch das Landschaftsbild betreffend („Verspargelung“). Die Akzeptanz der Bevölkerung sei jedoch für das Gelingen der Energiewende und den hierzu erforderlichen weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien wesentlich.

Ein großzügig bemessener Regel-Mindestabstand, von dem jede einzelne Gemeinde mittels Bauleitplanung im Sinne geringerer Abstandsanforderungen abweichen könne, ermögliche einen Interessenausgleich zwischen den Erfordernissen der Energiewende und den Interessen der örtlichen Wohnbevölkerung.

Wesentliche Regelungen

1. Art. 82 BayBO

Art. 82 BayBO erhält neben einer neuen Überschrift drei neue Absätze 1-3. Der bisherige Wortlaut wird Abs. 4. Die Vorschrift lautet hiernach (Änderungen im Gesetzestext fett markiert bzw. durchgestrichen):

Art. 82 Frist zur Windenergie und Nutzungsänderung ehemaliger landwirtschaftlicher Gebäude

(1) § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB findet auf Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung, wenn diese Vorhaben einen Mindestabstand vom 10-fachen ihrer Höhe zu Wohngebäuden in Gebieten mit Bebauungsplänen (§ 30 BauGB), innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile (§ 34 BauGB) – sofern in diesen Gebieten Wohngebäude nicht nur ausnahmsweise zulässig sind – und im Geltungsbereich von Satzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB einhalten.

(2) 1Höhe im Sinn des Abs. 1 ist die Nabenhöhe zuzüglich Radius des Rotors. 2Der Abstand bemisst sich von der Mitte des Mastfußes bis zum nächstgelegenen Wohngebäude, das im jeweiligen Gebiet im Sinn des Abs. 1 zulässigerweise errichtet wurde bzw. errichtet werden kann.

(3) 1Soweit am … [Inkrafttreten des Gesetzes] bestehende Flächennutzungspläne im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB Flächen für Windkraftanlagen darstellen, die nicht im Einklang mit Abs. 1 stehen, hat diese Darstellung nur die Wirkung des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB, daraus einen Bebauungsplan zu entwickeln. 2Bei der Aufstellung eines solchen Bebauungsplans sind insbesondere das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 BauGB sowie die Vorschriften über die Beteiligung der Öffentlichkeit des § 3 BauGB zu beachten. 3Bei Bebauungsplänen, die eine Sondergebietsfläche für Windkraftanlagen mit einem geringeren Abstand als dem 10-fachen ihrer Höhe zu Wohngebäuden einer benachbarten Gemeinde in Gebieten im Sinn des Abs. 1 festsetzen, gilt Satz 1 nur, wenn die betroffene benachbarte Gemeinde der Festsetzung zustimmt.

(4) […]

Art. 82 Abs. 1 bedeutet die Entprivilegierung von Vorhaben, die den Mindestabstand von 10 H zu den aufgeführten Wohngebäuden nicht einhalten. Dies hat laut Gesetzentwurf zur Folge, dass WKA, die in einem geringeren Abstand errichtet werden sollen, nicht mehr als privilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, sondern als sonstige Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB zu qualifizieren sind. Diese können nur dann zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Beeinträchtigung öffentlicher Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB werde die Errichtung von entprivilegierten Windkraftanlagen regelmäßig eine Bauleitplanung erforderlich machen, § 1 Abs. 3 BauGB.

Vom Schutzbereich der Abstandsregelung erfasst werden laut Gesetzentwurf nur Gebiete, die regelmäßig im Kontext einer geordneten städtebaulichen Entwicklung stehen. Im Rahmen der §§ 30, 34 BauGB werden dabei nur solche Gebiete erfasst, in denen Wohngebäude nach der BauNVO nicht nur ausnahmsweise zulässig sind. Die Einbeziehung von Wohngebäuden im Bereich von Außenbereichssatzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB beruhe darauf, dass es sich hier um den geschützten Gebieten vergleichbare Flächen mit verstärkter Wohnbebauung handele. Anders sei dies für einzelne Wohngebäude im Außenbereich zu sehen.

Mit dem Begriff „Wohngebäude“ im Sinn des Art. 82 Abs. 1 und 2 BayBO wird laut Gesetzentwurf grundsätzlich an die Begriffsgebung der BauNVO angeknüpft. Bereits aus § 249 Abs. 3 Satz 1 BauGB ergibt sich, dass es sich nur um zulässige bauliche Nutzungen handeln kann. Erforderlich ist daher, dass die Gebäude zulässigerweise zu Wohnzwecken errichtet wurden bzw. werden können. Dabei werden laut Gesetzentwurf auch Gebäude erfasst, die nur teilweise zu Wohnzwecken genutzt werden.

Nach der Neuregelung ist die Errichtung von Windkraftanlagen, die den Mindestabstand von 10 H nicht einhalten, somit nur noch möglich, wenn die Gemeinde dies in ihrem Bebauungsplan entsprechend festsetzt.

Sofern im Flächennutzungsplan Konzentrationszonen für Windkraftanlagen festgesetzt sind, die den Mindestabstand nicht einhalten, können diese nach dem Gesetzentwurf als Grundlage von Bebauungsplänen dienen, so dass die entsprechenden Anlagen dennoch gebaut werden können. Dies jedoch nur, falls die Nachbargemeinde zustimmt, sofern diese WKA zur Wohnbebauung der Nachbargemeinde den Mindestabstand von 10 H unterschreiten.

2. Art. 83 BayBO

Artikel 83 erhält einen neuen Abs. 1 (Änderungen im Gesetzestext fett markiert):

Art. 83 Übergangsvorschriften

(1) Soweit vor Ablauf des 4. Februar 2014 bei der zuständigen Behörde ein vollständiger Antrag auf Genehmigung von Anlagen zur Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie eingegangen ist, finden Art. 82 Abs. 1 und 2 keine Anwendung.

(2)-(7) […]

Art. 83 Abs. 1 sieht eine Übergangsregelung vor: Grundsätzlich gilt, dass Verfahren, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen werden, nach der bisherigen Rechtslage, also mit den geringeren Mindestabständen, zu entscheiden sind. Wird ein Genehmigungsverfahren nach dem Inkrafttreten abgeschlossen, ist die neue Rechtslage der Entscheidung zugrunde zu legen. Nach der Stichtagsregelung findet jedoch die bisherige Rechtslage auch nach Inkrafttreten des Gesetzes weiterhin Anwendung, sofern vor Ablauf des 4. Februar 2014 ein vollständiger Antrag (vgl. dazu 9. BImSchV) auf bau- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigung gestellt worden ist. Altanlagen genießen Bestandsschutz.

Bei dem Zeitpunkt für den Stichtag handelt es sich um einen sog. vertrauenszerstörenden Zeitpunkt. Am 4. Februar 2014 hat der Ministerrat die Eckpfeiler der bayerischen Regelung beschlossen. So wurden der grundsätzliche Mindestabstand von 10 H, von dem im Rahmen einer „relativen Privilegierung“ Ausnahmen möglich sein sollen, sowie die Stichtagsregelung festgelegt. Der Beschluss wurde der Öffentlichkeit mitgeteilt und über die Medien verbreitet. Damit konnten und mussten etwaige Antragsteller mit den konkret angestrebten Rechtsänderungen rechnen, so dass sie sich nicht mehr auf schutzwürdiges Vertrauen berufen können.

Staatsregierung, Gesetzentwurf zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und des Gesetzes über die behördliche Organisation des Bauwesens, des Wohnungswesens und der Wasserwirtschaft, LT-Drs. 17/2137 v. 27.05.2014 (PDF, 406 KB)

Ass. iur. Klaus Kohnen; Abbildung: (c) grafikplusfoto – Fotolia.com

Net-Dokument BayRVR2014052701