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Rezension: Edenharter, Der demografische Wandel als Herausforderung für das Raumordnungsrecht und das Baurecht (Duncker & Humblot, 2014)

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von Dr. Andreas Stefansky und Dipl.-Geogr. Anne Ritzinger, Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL), Hannover

Die Auswirkungen des demografischen Wandels, insbesondere von Alterung und Bevölkerungsrückgang, machen sich in allen Lebensbereichen bemerkbar, beispielsweise was die medizinische Versorgung, die Nahversorgung oder die verkehrliche Erreichbarkeit von Einrichtungen der Daseinsvorsorge angeht. Über Steuerungsmöglichkeiten der zukünftigen Entwicklung wird u.a. in den Raumwissenschaften intensiv diskutiert.

Das von Andrea Edenharter vorgelegte Werk „Der demografische Wandel als Herausforderung für das Raumordnungsrecht und das Baurecht“ stellt eine sehr umfassende und sorgfältig recherchierte Bestandsaufnahme aus juristischer Perspektive dar. Es werden sowohl verfassungs- und europarechtliche Grundlagen, als auch die Berücksichtigung des demografischen Wandels im Raumordnungsrecht, im Bauplanungs- wie im Bauordnungsrecht behandelt. Die Lektüre ist jedem Praktiker und Wissenschaftler, der sich mit dem Themenbereich beschäftigt, unbedingt zu empfehlen.

Ziel der Untersuchung ist es zu prüfen, inwieweit die bestehenden Vorschriften ausreichen, um Fehlentwicklungen im Zuge der demografischen Entwicklung zu begegnen und bei Bedarf steuernd einzugreifen. Anhand ausgewählter Herausforderungen, u.a. der Einzelhandelssteuerung oder des Straßenbaus, wird die Wirkungsweise der Normkomplexe herausgearbeitet. Wo notwendig geht Andrea Edenharter vergleichend auf die Regelungen ausgewählter Bundesländer ein, u.a. auch auf das Landesplanungsgesetz Bayern 2012. Zudem macht sie Vorschläge für die Weiterentwicklung der Normen in Bezug auf eine Anpassung an die Herausforderungen des demografischen Wandels, wie die Einführung eines über den Umweltbereich hinausgehenden Monitoring-Systems (Kapitel 3, IV.). Damit hebt sich die Arbeit aus einer Vielzahl rechtswissenschaftlicher Arbeiten heraus.

Die Herausforderungen des demografischen Wandels sind vielschichtig und benötigen fachlich integrierte Lösungsansätze. Durch den gesetzten Fokus der rechtlichen Betrachtung sind der Untersuchung Grenzen aufgezeigt, sobald der Bereich nicht-formaler Instrumente relevant wird. Teilweise versucht die Autorin hier Brücken zu bauen und weist z.B. auf die Möglichkeiten der Raumordnerischen Zusammenarbeit hin (Kapitel 3). Zudem ist die Arbeit durch Gespräche mit Praktikern u.a. aus der Regionalplanung planungspraktisch „geerdet“ und nimmt vielfältige Bezüge auf durch in der Praxis diskutierte Anliegen wie die Weiterentwicklung des Zentrale Orte-Konzepts. Positiv hervorzuheben ist ebenso, dass die Autorin nicht nur rechtswissenschaftliche Literatur ausgewählt hat, sondern auch raumwissenschaftliche Werke einbezieht. Den Stand der Forschung in anderen Disziplinen zu den Anforderungen der demografischen Entwicklung an das Raumordnungs- und Baurecht rezipiert die Autorin jedoch zum Teil nur oberflächlich. Unbenommen davon ist die Studie eines der umfassendsten und juristisch fundiertesten Werke zu diesem Themenkomplex und bietet einen sehr guten Überblick über die raumordnungsrechtlichen und baurechtlichen Instrumente im Umgang mit den Herausforderungen des demografischen Wandels.

„Der demografische Wandel als Herausforderung für das Raumordnungsrecht und das Baurecht“ ist in fünf Kapitel gegliedert.

Zunächst nähert sich die Autorin grundlegend dem Gegenstand ihrer Untersuchung aus soziologischer Sicht (Kapitel 1) und grenzt den Untersuchungsgegenstand „Demografischer Wandel“ auf die Komponenten Alterung und Bevölkerungsrückgang ein. Sie geht auf zentrale Lebensbereiche ein, die vom demografischen Wandel betroffen sind, und stellt die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung in verschiedenen Bundesländern beispielhaft dar.

In Kapitel 2 werden die verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Grundlagen ausführlich dargestellt. Die Autorin analysiert die Themenbereiche Schutz älterer Menschen, Aufrechterhaltung von Infrastruktur, Daseinsvorsorge und Nahversorgung und die rechtlichen Grundlagen von Rückbaumaßnahmen.

Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Darstellung des einfachen Gesetzesrechts (Raumordnungsrecht). Zudem wird ein wesentliches Element der Raumordnung, das Zentrale Orte-Konzept, untersucht. Die Autorin stellt fest, dass das Raumordnungsrecht per se eine geringe Steuerungswirkung entfaltet (was, wie sie richtigerweise schreibt, an dem hohen Stellenwert der Fachplanungen und politischen Einflussnahmen liegt) und erwähnt, dass sich das Raumordnungsrecht stärker einem Einsatz flexibler Instrumente öffnen müsse (Kapitel 3, V.). Als Beispiele für solche „ursprünglich nicht-juristischen Mechanismen“ zur Verbesserung der integrierenden Wirkung des Raumordnungsrechts nennt die Autorin Monitoring und Planungscontrolling.

In Kapitel 4 arbeitet Andrea Edenharter das Bauplanungsrecht anhand der Themenfelder Einzelhandelssteuerung, Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse älterer Menschen, städtebauliche Steuerung des Stadtum- und -rückbaus und Aufrechterhaltung von Baurechten in vom Bevölkerungsrückgang besonders betroffenen Gegenden durch. Dabei zeigt sie detailliert die bestehenden Möglichkeiten zur konkreten Umsetzung beispielsweise der Einzelhandelssteuerung oder des Stadtumbaus auf und weist u.a. auf die Verantwortung der Kommunen zur Ausschöpfung der Möglichkeiten der Bauleitplanung hin.

Kapitel 5 befasst sich mit den bauordnungsrechtlichen Bestimmungen, die eine Relevanz für den (rechtlichen) Umgang mit dem demografischen Wandel haben. Insbesondere wird hier auf den Verfall und die Nichtnutzung baulicher Anlagen und deren Beseitigung und auf bauordnungsrechtliche Anforderungen an seniorengerechtes Bauen eingegangen.

Edenharter, Der demografische Wandel als Herausforderung für das Raumordnungsrecht und das Baurecht, Schriften zum Öffentlichen Recht (SÖR), Band 1263, Berlin 2014: Duncker & Humblot; 6 farbige Abb., 558 S., Broschur, ISBN 978-3-428-14294-1, 99,90 €

Anmerkung der Redaktion

Dr. rer. pol. Andreas Stefansky und Dipl.-Geogr. Anne Ritzinger sind wissenschaftliche Referatsleiter in der Geschäftsstelle der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) – Leibniz-Forum für Raumwissenschaften, Hannover. Anne Ritzinger ist für das Referat „Bevölkerung, Sozialstruktur, Siedlungsstruktur“ zuständig, Andreas Stefansky für das Referat „Rechtliche und konzeptionelle Grundlagen der Raumentwicklung“.

Net-Dokument BayRVR2014071501