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StMBKWK: Konsequente Fortsetzung des Dialogprozesses zur Entwicklung des bayerischen Gymnasiums – Beim 2. Dialogforum Ergebnisse der Werkstattgespräche vorgestellt

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Am heutigen Abend stellte Bayerns Bildungsminister Dr. Ludwig Spaenle die Ergebnisse des 1. Dialogforums und der Werkstattgespräche mit der Schulfamilie, den kommunalen Spitzenverbänden, den Schulträgern und den bildungspolitischen Sprechern der Parteien zur Weiterentwicklung des bayerischen Gymnasiums in München zur Debatte.

Der Minister selbst machte in der Eröffnung erneut klar:

„Wir wollen und müssen mit der Weiterentwicklung des Gymnasiums der immer heterogeneren Schülerschaft im 21. Jahrhundert gerecht werden. Wir wollen unsere jungen Menschen in ihrer Vielfalt möglichst optimal fördern.“

Priorität genießt für den Minister die Tatsache, dass Schülerinnen und Schüler die gleichen Bildungsbedingungen unabhängig von ihrem Wohnort vorfinden.

„Gerade im Flächenstaat Bayern müssen wir dafür sorgen, dass unsere jungen Menschen überall die gleichen Bildungschancen haben – in der Stadt ebenso wie auf dem Lande.“

Für Ludwig Spaenle ergeben sich nach den Werkstattgesprächen, der Anhörung im Landtag und dem 1. Dialogforum Grundkonturen für das Gymnasium der Zukunft, die bei entsprechenden Modellen zugrunde gelegt werden:

  1. Es gibt ein bayerisches Gymnasium, das vertiefte Allgemeinbildung vermittelt und die Absolventen auf ein Studium bzw. eine hochqualifizierte Berufsausbildung vorbereitet. Die Qualität des Gymnasiums bleibt unverändert hoch. Die Gymnasialpädagogik wird weiter entwickelt.
  2. Die große Herausforderung des Gymnasiums heute ist die enorme Heterogenität der Schülerschaft. 40 Prozent eines Jahrgangs besuchen das Gymnasium. Das erfordert zeitgemäße pädagogische Konzepte.
  3. Der Lehrplan des Gymnasiums behält einen inhaltlichen Umfang von acht Schuljahren.
  4. Ziel ist es, Modelle für die individuelle Förderung und individuelle Lernzeit zu entwickeln. Dabei gilt als Grunderkenntnis: G8 für alle Schüler ist ebenso überholt wie G9 für alle Schüler.
  5. Es wird der „LehrplanPLUS“ für das Gymnasium entwickelt. Kompetenzorientierung und zeitgemäße Gymnasialpädagogik stehen auf der Grundlage von Fachinhalten hierbei im Mittelpunkt.

Erste Ergebnisse aus den Werkstattgesprächen

Konkreta aus den Werkstattgesprächen nannte Walter Gremm, der Leiter der Gymnasialabteilung:

  1. Die Gesprächspartner hatten Maßnahmen z.B. für verstärkte Individuelle Förderung und für eigenverantwortliches Lernen erörtert und den Stellenwert der Kompetenzorientierung bei der Entwicklung des LehrplanPLUS im Spannungsfeld zu fachlichen Inhalten diskutiert.
  2. Sie hatten für eine „Kultur des Übergangs“ in der Unterstufe plädiert, damit Schülerinnen und Schüler den Weg zum und am Gymnasium pädagogisch begleitet beschreiten können. Gelingende Bespiele sollen in der Breite umgesetzt werden.
  3. Mit Blick auf die Mittelstufe vertraten die Teilnehmer zwar unterschiedliche strukturelle Ansätze für eine Gestaltung der Lernzeit. Weitgehend Übereinstimmung herrschte aber bei der Einschätzung, dass auch methodische und unterrichtsorganisatorische Maßnahmen der Entlastung der Schülerinnen und Schüler dienen können.
  4. Die Bedeutung der Grundlagenfächer Deutsch, Mathematik und einer Fremdsprache soll in der Oberstufe erhalten bleiben. Nach Ansicht der Gesprächsteilnehmer sollte eine Vertiefungsmöglichkeit das jetzige System von Pflicht- und Wahlpflichtfächern neben dem bestehenden Profilbereich ergänzen.

Dialog wird fortgesetzt

Minister Spaenle kündigte die „konsequente Fortführung des Dialogs“ an. Noch vor der Sommerpause wird Minister Spaenle den Ministerrat über die bisherigen Gesprächsergebnisse informieren.

Ministerrat und Landtag beschließen am Ende des Gesprächsprozesses mögliche Veränderungen.

„Wir wollen eine langfristig akzeptierte Lösung für ein zeitgemäßes Gymnasium, die der sehr heterogenen Schülerschaft und den Standortbedingungen der Schulen in der Stadt und auf dem Land gerecht wird“, betonte der Minister abschließend.

Dialog von Schulfamilie und Universität über die bisherigen Ergebnisse

Max Schmidt vom Bayerischen Philologenverband votierte für zusätzliche „Zeit für die Konzentration und die Reflexion“ und erinnerte an das Gymnasialmodell seines Verbandes. Der LehrplanPLUS erfülle nur dann die Erwartungen, wenn hier die fachlichen Inhalte um die Kompetenzorientierung ergänzt werden. Bei einer möglichen Veränderung der Belastung in der Mittelstufe müsse man den gesamten Zeitraum der Schullaufzeit genau analysieren.

Karl-Heinz Bruckner als Vorsitzender der Vereinigung der Direktorinnen und Direktoren der bayerischen Gymnasien und Chef des Neuen Gymnasiums in Nürnberg stellte nicht die Strukturfrage von acht- und neunjährigem Gymnasium in den Vordergrund. Er votierte auch für mehr Möglichkeiten, dass die Schülerinnen und Schüler reflektieren können. Ziel müsse es sein, dass Schüler lernen, Probleme differenziert anzugehen und zu lösen.

Susanne Arndt, die Vorsitzende der Landes-Eltern-Vereinigung der Gymnasien in Bayern, setzt bei der Weiterentwicklung des Gymnasiums ganz wesentlich auf den LehrplanPLUS, da hier die Kompetenzorientierung im Mittelpunkt steht. Sie sieht darin die Chance, dass junge Menschen an konkreten Aufgaben lernen können. In der Mittelstufe möchte sie die Anzahl der Fächer reduzieren, um die Schülerinnen und Schüler entlasten zu können. Das gebundene Buch möchte sie durch digitale Schulbücher ersetzen.

Julian Fick vom Landesschülerrat sprach sich ebenfalls für mehr Zeit für die Schüler zur Reflexion aus. Auch Lehrkräfte benötigten mehr Zeit, um neue Lehr- und Unterrichtsmethoden in ihren Klassen einführen und anwenden zu können. Bisher konzentrierten sich die Lehrkräfte noch sehr stark auf die Lehrbücher, nicht auf die Inhalte des Lehrplans. Der neue Lehrplan biete hier eine Chance zur Veränderung. Die Anzahl der Fächer in der Mittelstufe zu kürzen, hält Julian Fick nicht für das Maß der Dinge.

Der Nürnberger Bürgermeister Dr. Klemens Gsell machte für den Bayerischen Städtetag deutlich, dass eine grundlegende Veränderung der gymnasialen Schullandschaft rasch zum Bedarf neuer Räume führen kann. In Städten müsse die Weiterentwicklung des Gymnasiums immer auch zusätzliche Ganztagsangebote umfassen. Um Schülerinnen und Schüler zu entlasten, votierte Dr. Gsell für neue Methoden des Sprachenunterrichts. Leider würden Sprachen häufig noch wie Mathematik unterrichtet – Regeln stünden im Mittelpunkt.

Landrat Richard Reisinger sprach sich für den Bayerischen Landkreistag für Planungssicherheit aus. Wenn die Sachaufwandsträger wissen, was geplant wird, können die Schulbauten entsprechend gestaltet werden. Die zweite Fremdsprache würde Richard Reisinger, selbst studierter Lehrer, lieber erst ab der 7. Klasse unterrichten.

Prof. Dr. Manfred Prenzel von der TUM, zugleich Vorsitzender des Wissenschaftsrats, skizzierte ein Bild von einem profilierten Gymnasium. Sein Lieblingsmodell des Gymnasiums der Zukunft ist das rhythmisierte Ganztagsgymnasium in achtjähriger Form. Die Gymnasien lud er, mit den Hochschulen die Fragen der Wissenschaftspropädeutik zu diskutieren. Manfred Prenzel gab sich zurückhaltend bei der Frage nach der Gewährung eines zusätzlichen Schuljahres. Dagegen lud er dazu ein, nach Bedarf der Schülerinnen und Schüler zusätzliche Lernangebote dann zu machen, wenn sie sie konkret benötigen.

„Bei der Unterrichtsqualität sehe ich Handlungsbedarf“, betonte der Professor und trat für Zeiten an der Schule ein, in denen Schülerinnen und Schüler nicht geprüft werden.

Für ihn ergeben sich aus seiner Einsicht in den Unterrichtsalltag auch Aufgaben für die Lehrerbildung und Lehrerfortbildung sowie für die Fähigkeit der Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler zu Leistung zu motivieren.

Josef Kraus als Präsident des Deutschen Lehrerverbandes hält die Einführung des achtjährigen Gymnasiums für „falsch“, er votierte für ein grundständiges neunjähriges Gymnasium. Er mahnte dazu, dass das Abitur auch künftig die Studierfähigkeit vermittle und nicht auf die Studierberechtigung reduziert werde. Für ihn muss das Gymnasium menschliche Entwicklung ermöglichen. Um auf die zunehmende Heterogenität zielführend zu reagieren, benötige das Gymnasium ein neuntes Jahr als Regellösung. Das Schlagwort „Kompetenzvermittlung“ deutete Josef Kraus als „trojanisches Pferd“, gebraucht würden gesicherte fachliche Inhalte. Ein neues G9 könne für ihn zum Schuljahr 2016/2017 starten.

„Wir brauchen ein G9 aus einem Guss mit einer G8-Option“, lautete seine Fazit.

StMBKWK, Pressemitteilung v. 21.07.2014