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Bayerischer Städtetag: Barrierefreiheit im öffentlichen Raum – Maly: Kommunalgipfel öffnet eine Chance zu einer Teilung von Aufgaben und Kosten

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„Das Ziel der Barrierefreiheit ist ehrgeizig und gut. Die Kommunen bekennen sich zum Ziel des Ministerpräsidenten, Bayern bis 2023 barrierefrei zu machen. Aber: Wer Barrierefreiheit verspricht, darf die Finanzierung nicht ausblenden, da stehen Freistaat und Kommunen gemeinsam in der Verantwortung. Politik darf nicht Gefahr laufen, dass sie Erwartungen weckt, ohne sie erfüllen zu können. Der Kommunalgipfel des Ministerpräsidenten mit den kommunalen Spitzenverbänden im Herbst öffnet eine Chance, das Thema anzupacken“, sagt der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly.

Ministerpräsident Seehofer hat in seiner Regierungserklärung das Ziel ausgerufen, Bayern solle bis 2023 im gesamten öffentlichen Raum barrierefrei werden. Das Vorhaben der Barrierefreiheit ist für die Praxis komplex: Öffentliche Plätze, Gebäude wie Universitäten, Schulen, Theater, Rathäuser und Behörden sind ebenso betroffen wie Barrieren im öffentlichen Nahverkehr. Tatsächlich muss sich die Zugänglichkeit auf den gesamten öffentlichen Raum beziehen. Es reicht nicht aus, den Fokus allein auf gehbehinderte Menschen zu richten. Die Anforderungen zum Beispiel von sehbehinderten oder hörbehinderten Menschen an ihre Umwelt sind andere als die von gehbehinderten Menschen. Allein die notwendige Konzeptionierung zur Abstimmung aller Bedürfnisse verschiedener Behinderungen benötigt intensive Planung und auskömmliche Finanzmittel.

Maly: „Derzeit findet eine Exegese der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten statt, was denn alles unter Barrierefreiheit zu verstehen ist, wie das Ziel umgesetzt wird und vor allem: Wie und von wem in welchem Zeitrahmen das Ganze finanziert wird. Barrierefreiheit beginnt im Kopf: Freistaat und Kommunen müssen das Ziel der Barrierefreiheit gemeinsam definieren und dann vernünftig umsetzen.“

Ein Beispiel von vielen sind die Kosten für die Barrierefreiheit einer Ampelanlage: Mit Blindenleitsystem, Vibrationsplatten und akustischen Signalgebern, Tiefbauarbeiten zur Absenkung von Bordsteinen wird schnell eine Summe von 30.000 Euro für eine Fußgängerfurt erreicht.

„Bei einer mittelgroßen bayerischen Stadt mit siebzig bis achtzig Ampelanlagen erreicht man allein mit dieser Maßnahme einen Millionenbetrag.“

Wesentlich kostenintensiver ist die Sanierung von – oft historischen und denkmalgeschützten – Verwaltungsgebäuden, Rathäusern oder Schulen: Herstellung von stufenlosen Zugängen und breiten Türen (ca. 50.000 Euro), Einbau einer Rampe, Schaffung eines einheitlichen Fußbodenniveaus, Türöffner und Tastschalter, größere Bewegungszonen im Eingangsbereich (ca. 150.000 Euro), Nachrüstung des Aufzugs mit einzelnen Zugangspodesten und neuen Türdurchbrüchen (ca. 350.000 Euro).

Maly: „Denken wir zum Beispiel an die großen Schulpaläste, die Ende des 19. Jahrhunderts errichtet worden sind. Das sind funktionale Gebäude mit guter Bausubstanz – allerdings stecken sie voller Barrieren. Das sind bauliche und finanzielle Herausforderungen, wenn sich in der Praxis dann Denkmalschützer mit Hochbauingenieuren streiten, wo man am besten einen Außenaufzug installiert. Ein ähnliches Problem stellt sich bei Verwaltungsgebäuden und Rathäusern. Viele Gebäude stehen in strukturschwachen Städten und Gemeinden, die selbst bei auskömmlicher Mittelausstattung eines Sonderinvestitionsprogramms wegen der angespannten Haushaltssituation Schwierigkeiten haben, den notwendigen Eigenanteil aufzubringen.“

Viele Kommunen haben schon große Leistungen erbracht und sind weiter auf dem Weg. Ohne staatliche Hilfe und ein Sonderinvestitionsprogramm lässt sich die zeitliche Vorgabe bis 2023 nicht einhalten.

Maly: „Es ist problematisch, wenn die Staatsregierung Wünsche weckt, die andere erfüllen müssen. Die Staatsregierung hat bislang keine verpflichtenden Vorgaben gesetzt, um nicht den Tatbestand der Konnexität („wer bestellt, muss bezahlen“) zu erfüllen. Mit dem Versprechen der Barrierefreiheit wurden Erwartungen in der Bevölkerung geweckt, die zu einem großen Teil Städte und Gemeinden zu erfüllen hätten. Der Kommunalgipfel öffnet nun eine Chance zu einer fairen Teilung von Aufgaben und Kosten.“

Die Staatsregierung steht in der Pflicht, den mit der Umsetzung betrauten Kommunen hierfür angemessene Mittel zur Verfügung zu stellen. Lippenbekenntnisse der Staatsregierung genügen nicht. Mittel müssen schnell und unbürokratisch bereit stehen. Viele Kommunen haben bereits in der Vergangenheit beträchtliche Mittel für den Komplex der Barrierefreiheit ausgewiesen und tun dies auch weiterhin.

Maly: „Derzeit stehen schon viele aufwändige Projekte auf der Agenda: So geht die Staatsregierung schon bei der Finanzierung der Inklusion an Schulen nicht mit dem nötigen Eifer voran. Die Städte fordern konkrete Rahmenbedingungen und eine verlässliche, kontinuierliche und baldige Mit-Finanzierung bei der Barrierefreiheit. Modellprojekte und Pilotphasen sind hilfreich, führen aber alleine nicht zum Ziel.“

Bayerischer Städtetag, Pressemitteilung v. 24.07.2014