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Rezension: Busch/Kutscha (Hrsg.), Recht, Lehre und Ethik der öffentlichen Verwaltung. Festschrift für Hans Paul Prümm (Nomos, 2013)

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01_Prof. Lindner_passvon Prof. Dr. Josef Franz Lindner, Universität Augsburg

Die anzuzeigende Festschrift für Hans Paul Prümm anlässlich dessen 65. Geburtstages ist durchaus als außergewöhnlich zu bezeichnen. Denn sie bindet essentielle Aspekte nicht nur des öffentlichen Rechts, sondern des Rechts und der Rechtswissenschaft insgesamt zusammen, die bislang eher verstreut und segmentartig behandelt wurden und werden: Recht, Lehre und Ethik der öffentlichen Verwaltung – damit sind drei wichtige Steuerungsmechanismen der öffentlichen Verwaltung angesprochen und in einen Kontext gebracht. Mit diesen drei Begriffen sind zwar nicht alle Steuerungsressourcen der öffentlichen Verwaltung angesprochen, wie insbesondere die sog. „neue Verwaltungsrechtswissenschaft“ zutreffend herausgearbeitet hat (hinzu kommen die Ressourcen Haushalt/Finanzen und Personal), jedoch sind die von den Herausgebern gewählten Aspekte Recht, Lehre und Ethik zentral.

Für das Recht ergibt sich dies bereits und ohne weiteres aus Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes, wonach die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden ist.

Schon ungewöhnlicher ist die Aufnahme des Aspekts „Lehre“. Nicht nur im Öffentlichen Recht, sondern in der gesamten Rechtswissenschaft wird die Lehre bislang stiefmütterlich behandelt. Der Jubilar, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin mit den Schwerpunkten Öffentliches Recht, Rechtsphilosophie, Juristische Methodik und public administration stellt insofern eine sichtbare Ausnahme dar; er beschäftigt sich intensiv mit Aspekten der Rechtsdidaktik. Zu nennen ist nur die Herausgabe des Jahrbuchs der Rechtsdidaktik. Weshalb sich die Rechtswissenschaft der didaktischen Dimension ihres Faches so zögerlich nähert, ist unerfindlich, dürfte aber im Wesentlichen an den hochschulpersonalrechtlichen und strukturellen Anreizsystemen liegen. Die Rechtsdidaktik ist und bleibt – gerade in Zeiten, wo auch den juristischen Staatsexamina „Bologna“ droht – indes ein zentrales Desiderat. Insbesondere fehlt eine ausgearbeitete Propädeutik des öffentlichen Rechts, ein Manko, das viele Studierende der Rechtswissenschaft durchaus auch deutlich artikulieren. Umso verdienstvoller sind die von Hans Paul Prümm vorgelegten und initiierten Beiträge zur Rechtsdidaktik. Die anzuzeigende Festschrift enthält dementsprechend instruktive Beiträge zur Thematik „Rechtssprache und Rechtsdidaktik“. Besonders lesenswert ist insofern der Beitrag von Bernhard Bergmanns mit dem Titel „Rechtsdidaktik – Dilettantismus, oder: Warum es schwer ist, ein guter Rechtslehrender zu sein“.

Die Festschrift führt schließlich die Wendung „Ethik der öffentlichen Verwaltung“ in ihrem Titel. Auch dies ist mehr als ungewöhnlich, da die deutsche Rechtswissenschaft nach wie vor von einer strengen Unterscheidung zwischen Recht und Moral (und Ethik als Wissenschaft der Moral) gekennzeichnet ist. Die Verwaltung handelt nach Recht und Gesetz, allenfalls noch nach Pragmatik-Gesichtspunkten, jedoch nicht nach ethischen (wie auch zu begründenden?) Grundsätzen. Gleichwohl wäre ein völliges Ausblenden der ethischen Dimension des Rechts eine nach hiesiger Auffassung kritikwürdige Engführung der Wissenschaft gerade vom öffentlichen Recht. Zwar dürfte es unbestritten sein, dass man sich unter Berufung auf ethische Aspekte – mit Ausnahme der Radbruch’schen Formel – nicht über Recht und Gesetz hinwegsetzen kann – auch und zumal nicht als öffentliche Verwaltung. Ebenso klar ist jedoch auf der anderen Seite, dass die Auslegung und Anwendung öffentlich-rechtlicher Normen, zumal der Verfassung, aber auch des Verwaltungsrechts nicht lediglich eine Subsumtion nach Maßgabe von Recht und Gesetz darstellt, sondern immer auch einen Vorgang, in den ein wie auch immer geartetes Vorverständnis des Rechtsanwenders einfließt – eine hermeneutische Binsenweisheit. Diese fundamentale methodische Erkenntnis zwingt dazu, für die Frage des Einflusses von Vorverständnissen eine besondere Sensibilität zu entwickeln. Dies gilt auch für moralische Vorverständnisse. Es bedarf mithin eines gewissen „Ethos“ des Rechtsanwendenden, zumal in der öffentlichen Verwaltung, dass er sich an Recht und Gesetz orientiert und den materiellen Gerechtigkeitsmaßstäbe des Grundgesetzes und der Landesverfassungen, die insbesondere in den Grundrechten und im Rechtsstaatsprinzip zum Ausdruck kommen, zur Geltung verhilft. Dies ist insbesondere Aufgabe der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, zumal der Beamtenschaft. Es gehört zum unausgesprochenen, leider aber häufig unbeachteten Ethos des Beamten, auf rechtsstaatlicher Amtsführung auch dann zu bestehen, wenn es der politischen Führung, die heute leider häufig nach parteipolitischen Steuerungsmaximen agiert, nicht gefällt oder gar missfällt. Eben der Sicherstellung dieses Ethos sind die Grundsätze des Berufsbeamtentums zu dienen bestimmt, insbesondere das Leistungs- und das Unabhängigkeitsprinzip. Dem Themenkomplex „Ethik der Öffentlichen Verwaltung“, mit den sich auch der Jubilar befasst hat, ist ein grundlegender Beitrag in der anzuzeigenden Festschrift gewidmet, nämlich von Tobias Trappe. Wer sich mit Grundfragen der Ethik in der Verwaltung befassen will, sollte diesen Beitrag gewissermaßen als Einführung lesen.

Die Festschrift ist insgesamt in vier große Kapitel gegliedert, nämlich in die Abschnitte „Das Recht in der Gesellschaft“, „Recht und Ethik in der Verwaltung“, „Rechtssprache und Rechtsdidaktik“ sowie „Verwaltung und Recht im Studium“. Ein Verzeichnis der Schriften des Jubilars rundet das Werk ab. Unter den einzelnen Überschriften finden sich jeweils recht heterogene Themen und Herangehensweisen. Es ist hier nicht der Ort, die einzelnen Beiträge – gewissermaßen buchhalterisch – aufzuführen, geschweige denn zu bewerten. Dem Interesse und der subjektiven Einschätzung des Lesers der Festschrift soll an dieser Stelle nicht vorgegriffen werden. Jedenfalls die Themenbreite ist beeindruckend: Von Aspekten der ökonomischen Dimension des Rechts über die Sicherheitsgewährleistung der Verfassung, die Problematik eines Streikrechts für Beamte, das öffentliche Beten als Gefährdung des Schulfriedens (mit einem Fragezeichen versehen) bis hin zu Problemen des demographischen Wandels als Herausforderung für das Personalmanagement im Öffentlichen Dienst, reichen die Themenstellungen.

Es bleibt insbesondere zu wünschen, dass vor allem die Beiträge zur Rechtsdidaktik (Uwe Meyer, Sprache und Recht, Bernhard Bergmanns, Rechtsdidaktik – Dilettantismus, oder: Warum es schwer ist, ein guter Rechtslehrender zu sein, Arnd-Christian Kulow, Vom Folgen zum Verstehen – eine Etüde zum „didactic turn“ in der Rechtslehre) nachhaltige Beachtung finden und die Rechtswissenschaft insgesamt zu einem grundsätzlicheren Befassen mit rechtsdidaktischen Problemen ermutigen.

Insgesamt handelt es sich trotz des handlichen Formats um eine gewichtige, gehaltvolle, kurz lesenswerte Festschrift.

Dörte Busch / Martin Kutscha (Hrsg.), Recht, Lehre und Ethik der öffentlichen Verwaltung – Festschrift für Hans Paul Prümm. Nomos, Baden-Baden 2013, 374 Seiten, ISBN 978-3-8487-0856-7. 89,00 EUR

Anmerkung der Redaktion

Prof. Dr. Josef Franz Lindner ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Augsburg. Der Lehrstuhl widmet sich dem Öffentlichen Recht in der gesamten Breite, den philosophischen Grundlagen des Rechts sowie dem Bio-, Medizin- und Gesundheitsrecht. Die Forschungsschwerpunkte liegen u.a. beim Staats- und Verfassungsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Freistaates Bayern, beim Öffentlichen Recht im europäischen Mehrebenensystem sowie im Bildungs- und Beamtenrecht.

Net-Dokument BayRVR2014081101