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LG Regensburg: Urteil im Fall M. – Freispruch aus teils tatsächlichen und teils rechtlichen Gründen

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Die 6. Strafkammer des Landgerichts Regensburg hat den Angeklagten im wiederaufgenommenen Verfahren M. mit Urteil vom 14. August 2014 von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung, der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und der Sachbeschädigung in neun Fällen freigesprochen. Das auf Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus lautende Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. August 2006 wurde im Umfang der Wiederaufnahme aufgehoben und eine Entschädigung des Angeklagten für die vollzogenen Unterbringungsmaßnahmen angeordnet. Verfahrenskosten und notwendige Auslagen des Angeklagten treffen die Staatskasse.

Nach 15 Hauptverhandlungstagen und umfangreichen Beweiserhebungen sah das Gericht als erwiesen an, dass der Angeklagte die Nebenklägerin 2001 im Rahmen eines Ehekonflikts geschlagen, getreten, gebissen und bis zur unmittelbar bevorstehenden oder sogar schon eingetretenen Bewusstlosigkeit gewürgt habe. Es folgte damit den über Zeugen vom Hörensagen und Protokollverlesungen eingeführten früheren Aussagen der Nebenklägerin, die wegen ihrer Übereinstimmung mit der übrigen Beweislage, insbesondere einem zeitnah erstellten Attest über die Verletzungen, den Angaben des behandelnden Arztes und den Schilderungen seiner Arzthelferin, im Kernbereich als glaubhaft erachtet wurden. Das Entlastungsvorbringen des Angeklagten wertete die Kammer als zu wenig greifbar, um zu seinen Gunsten vernünftige Zweifel an der Tatbegehung hegen zu können. Er habe sich selbst auf ausdrückliche Nachfrage nicht zu den Ereignissen am Tattag geäußert, sondern die Anschuldigungen lediglich pauschal bestritten und auf Verschwörungstheorien beharrt.

Rechtlich ordnete die Kammer den Übergriff des Angeklagten auf die Nebenklägerin wegen der potentiellen Lebensbedrohlichkeit des Würgens im Einklang mit dem in der Hauptverhandlung erstatteten rechtsmedizinischen Gutachten als gefährliche Körperverletzung ein. Zum Freispruch kam es insofern dennoch, weil der Angeklagte nach Einschätzung des Gerichts zur Tatzeit möglicherweise schuldunfähig war. Die Kammer schloss sich diesbezüglich der Beurteilung des hinzugezogenen psychiatrischen Sachverständigen an. Letzterer habe Anhaltspunkte für eine beim Angeklagten eventuell bestehende wahnhafte Störung festgestellt und mangels hinreichend aussagekräftiger gegenteiliger Anknüpfungstatsachen, vor allem aber mangels Mitwirkung des Angeklagten an einer Exploration, nicht ausschließen können, dass dessen Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit bei Begehung der Tat krankheitsbedingt aufgehoben gewesen sei.

Soweit dem Angeklagten darüber hinaus zur Last lag, die Nebenklägerin 2002 beim Holen persönlicher Gegenstände nach der Trennung im vormals gemeinsamen Wohnhaus festgehalten und misshandelt zu haben, genügten die rekonstruierbaren Beweisansätze dem Gericht nicht dazu, auf die Verwirklichung sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen einer Freiheitsberaubung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung rückzuschließen. Den Misshandlungsvorwurf habe die Nebenklägerin bereits in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth relativiert. Die Annahme einer Freiheitsberaubung erfordere die konkrete Feststellung, dass der Täter das Opfer bewusst gegen seinen Willen und nicht nur ganz kurzfristig an einer Ortsveränderung gehindert habe. Nachdem durch eine Zeugenaussage in der aktuellen Hauptverhandlung Hinweise erkennbar geworden seien, dass die Nebenklägerin den Angeklagten auch in Gesprächsabsicht aufgesucht habe, hätte es nach Auffassung der Kammer einer ergänzenden Befragung der Nebenklägerin zum Verlauf ihres damaligen Aufenthalts im Tatortanwesen bedurft. Eine solche sei jedoch nicht durchführbar gewesen, da sich die Nebenklägerin auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen habe. Der Freispruch gründete sich in diesem Anklagepunkt also auf einen nicht vollständig geführten Tatnachweis.

Im Hinblick auf die dem Angeklagten ferner angelasteten Autoreifenstechereien um die Jahreswende 2004/2005 konnte sich das Gericht trotz akribischer Aufklärungsbemühungen keine Überzeugung von der Urheberschaft bilden. Zwar deuteten mehrere Indizien, unter anderem der enge zeitliche und inhaltliche Zusammenhang mit einem Schreiben, in dem der Angeklagte einen Großteil der geschädigten Fahrzeugbesitzer mit dem von ihm gezeichneten Verschwörungsszenario in Verbindung gebracht habe, auf eine Verursachung durch den Angeklagten hin. Es fehlten jedoch wichtige, im Ausgangsverfahren noch vorhandene Sachbeweise. Zudem sei das Erinnerungsvermögen der Zeugen aufgrund des langen Zeitablaufs meist erheblich getrübt gewesen, so dass sich die Verdachtsmomente nicht einmal mit Hilfe des in der Hauptverhandlung gehörten Sachverständigen für Verkehrsunfallanalyse und Kfz-Schäden hätten erhärten lassen. Von den erhobenen Sachbeschädigungsvorwürfen wurde der Angeklagte infolge dessen wegen eines nicht ausreichend sicheren Tatnachweises freigesprochen.

Anlass zur erneuten Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus sah die Kammer, wiederum ausgehend von den Ausführungen des in der Hauptverhandlung zu Rate gezogenen psychiatrischen Sachverständigen, nicht. Dessen Gutachten habe verdeutlicht, dass eine Diagnosestellung und ein Gefährlichkeitsnachweis mit den heute noch zur Verfügung stehenden, vom Vorprozess abweichenden Erkenntnismöglichkeiten nicht zu leisten seien.

Im Kosten- und Entschädigungsausspruch wendete das Gericht die bei einem Freispruch ohne Maßregelanordnung im wiederaufgenommenen Verfahren geltenden Regelfallnormen an. Gründe für eine andersartige Ausgestaltung der Kostentragung oder eine Versagung der Entschädigung lägen nicht vor.

LG Regensburg, Pressemitteilung v. 14.08.2014