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BVerwG: Zur Frage, wann die unterlassene Einholung eines zusätzlichen Gutachtens verfahrensfehlerhaft ist

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GutachtenIn einer disziplinarrechtlichen Streitigkeit hat das BVerwG ein Urteil des BayVGH aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen: Der BayVGH hätte den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, den behandelnden Facharzt als sachverständigen Zeugen zum Schweregrad des angenommenen depressiven Symptoms zu vernehmen, nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, hierüber liege bereits ein gerichtliches Sachverständigengutachten vor.

Zum Sachverhalt

Der Beklagte, ein Bundespolizist, wurde 2009 durch rechtskräftigen Strafbefehl wegen Betrugs in 22 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt. Im nachfolgenden Disziplinarverfahren wurde der Beklagte wegen dieses Pflichtenverstoßes sowie der Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten aus dem Beamtenverhältnis entfernt.

Der BayVGH, der das auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis lautende Urteil des VG Regensburg (U. v. 26.07.2010, RO 10B DK 10.230) bestätigte (U. v. 22.10.2013, 16b D 10.2314), ging zwar davon aus, dass der Beklagte zur Tatzeit an Depressionen litt. Die depressionsbedingte Minderung der Steuerungsfähigkeit habe aber kein ausreichendes Gewicht, um von der Verhängung der Höchstmaßnahme absehen zu können. Dabei stützte sich der BayVGH auf ein Sachverständigengutachten vom April 2013, wonach die Depression des Beklagten nicht so stark gewesen sei, dass die Voraussetzungen des § 20 oder § 21 StGB erfüllt worden wären. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, den behandelnden Facharzt des Beklagten als sachverständigen Zeugen zum Schweregrad des angenommenen depressiven Symptoms zu vernehmen, hatte der BayVGH abgelehnt.

Zur Entscheidung

In der Ablehnung des Antrags erblickte das BVerwG einen Verfahrensmangel, weil das vorliegende Gutachten nicht in der Lage gewesen sei, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln. Das BVerwG hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt (Rn. 9):

„Angesichts der Tatsache, dass nur der behandelnde Facharzt zeitnah zum maßgeblichen Tatzeitraum April/Mai 2008 persönlichen Kontakt mit dem Beklagten hatte, der sich am 11. Juni 2008 erstmals bei ihm vorstellte, hätte sich dem Verwaltungsgerichtshof eine persönliche Vernehmung des Facharztes als sachverständigen Zeugen indes aufdrängen müssen […]. Dies gilt umso mehr, als der Sachverständige im Rahmen der Erläuterung seines Gutachtens angegeben hatte, Aussagen über den Verlauf des depressiven Syndroms vor dem ersten Vorstellungstermin seien aufgrund des schriftlichen Arztbriefes nicht möglich. Die Stellungnahme sage nichts über den Schweregrad der depressiven Erkrankung in diesem Zeitraum aus […]. Denn damit lag eine ausreichende Tatsachenbasis für die vom Verwaltungsgerichtshof zu treffende Einschätzung der ‚Erheblichkeit’ einer vorhandenen Minderung der Steuerungsfähigkeit im maßgeblichen Zeitpunkt nicht vor.“

BVerwG, B. v. 26.09.2014, 2 B 23.14

Ass. iur. Klaus Kohnen; Foto: (c) DOC RABE Media – Fotolia.com