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TU München: Explosionsschutz im Stadtgebiet – Ingenieure simulieren Detonation von Fliegerbomben

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Explosionen wie etwa die kontrollierte Sprengung von Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg können schwere Schäden an den umliegenden Bauwerken verursachen. Ingenieure der Technischen Universität München (TUM) haben Modelle entwickelt, um die Auswirkungen von Detonationswellen im Stadtbereich vorhersagen zu können. Die Simulationen könnten im Ernstfall auch Menschenleben retten.

Im August 2012 wurde in einer Baugrube in Schwabing eine 250 Kilogramm schwere Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt. Da sie nicht entschärft werden konnte, wurde sie kontrolliert gesprengt. 2500 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Die Druckwelle richtete zahlreiche Schäden an den umliegenden Gebäuden an: zerborstene Scheiben, Risse in den Wänden und herabfallende Deckenteile. Im November 2013 zerstörte die kontrollierte Sprengung eines Blindgängers in Oranienburg sogar ein ganzes Haus, das sich neben dem Fundort befand.

Wissenschaftler um Prof. Martin Mensinger vom Lehrstuhl für Metallbau der TU München forschen im Projekt „Verfahren zur Analyse von Detonationseinwirkungen in urbanen Gebieten“ (DETORBA) an Möglichkeiten, durch neue Simulationsmethoden Schäden durch Detonationswellen an Bauwerken besser vorherzusagen.

Detonationswellen überlagern sich

Zunächst erstellten die Ingenieure realistische Modelle, um das Verhalten der Detonationswelle vorherzusagen. Die Druckwelle wird von den Gebäuden reflektiert. Dadurch kommt es zu mehrfachen Überlagerungen der zurückgeworfenen Wellen. Bereits einfache Gebäudeformen führen zu äußerst komplexen Wechselwirkungen. Um diese so realistisch wie möglich berechnen zu können, nutzten die Ingenieure hochauflösende dreidimensionale Stadtmodelle, die auf Geoinformationssystemen (GIS) beruhen.

Da die anfälligen Stellen von Bauwerken und Bauteilen bekannt sind, können die Forscher anhand der Modelle sehr genau abschätzen, wo in der Baustruktur Schädigungen zu erwarten sind und welches Ausmaß sie erreichen. Aber auch die Verletzungsgefahr für die Menschen durch eine Detonation im städtischen Raum bewerten die Wissenschaftler.

Wo und wie die Explosion Bauteile und Bauwerke verformt, analysieren die Ingenieure durch eine Kombination der Druckwellen-Simulation mit mechanischen Modellen. Auf Basis dieser Ergebnisse erforschen sie beispielsweise, wie die Widerstandsfähigkeit der Pfeiler von Bauwerken gesteigert werden kann.

Nachgiebigkeit der Pfeiler schützt Bauwerke

„Wir haben gezeigt, dass Stützen deutlich geringer durch Druckwellen beansprucht werden, wenn sie nachgiebiger sind“, erklärt Bauingenieur Stefan Trometer. „Eine gezielte Nachgiebigkeit entsteht beispielsweise durch eine gelenkige Befestigung der Stütze auf dem Fundament. Wenn man diesen Befestigungspunkt zusätzlich etwas unterhalb der Geländeoberfläche anordnet, hat dies ebenfalls einen positiven Einfluss auf die Widerstandsfähigkeit. Wir entwickeln hierfür spezielle Stützen in Stahl-Beton-Verbundbauweise.“

Es ist außerdem möglich für fiktive Szenarien – dazu gehören Fliegerbombenfunde oder andere Bedrohungen wie Attentate – Gefährdungskarten zu erstellen. Im Ernstfall sollen Rettungskräfte die Möglichkeit haben, auf die Simulationen zuzugreifen. Sie erhalten so Informationen darüber, an welchen Stellen die größten Schäden zu erwarten sind und welche Bereiche beispielsweise für Rettungswege frei sein könnten. Auch die Evakuierungen von Gebäuden bei Fliegerbombenfunden könnten mithilfe der Karten besser geplant werden.

Über das Projekt:

Das Projekt „Verfahren zur Analyse von Detonationseinwirkungen in urbanen Gebieten“ (DETORBA) wird vom BMBF im Rahmenprogramm „Forschung für die zivile Sicherheit“ gefördert. Ziel des Forschungsprogramms ist es, durch anwendungsnahe Lösungen die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen (www.sifo.de). Projektpartner sind neben der Technische Universität München die CADFEM GmbH, die virtualcitySYSTEMS GmbH und die Dynardo GmbH. Assoziierte Partner sind die Stadt Frankfurt am Main, die Firma Haverkamp GmbH und die Ingenieurbüros Happold und Büchting+Streit.

TU München, Pressemitteilung v. 23.10.2014