Aktuelles

BVerwG: Zahlungsansprüche von Beamten wegen unzulässiger altersabhängiger Besoldung nur in geringem Umfang begründet

©pixelkorn - stock.adobe.com

Beamte haben unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Entschädigung, weil die Höhe ihrer Bezüge entgegen den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf“ allein von ihrem Lebensalter abhing. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig heute entschieden.

Die Kläger sind Beamte oder Soldaten, für die die besoldungsrechtlichen Bestimmungen der Länder Sachsen-Anhalt und Sachsen bzw. des Bundes maßgeblich sind. Die früher anzuwendenden gesetzlichen Besoldungsregelungen (§§ 27 und 28 BBesG a.F.) knüpften die erste Einstufung in die Tabelle der nach der Dienstzeit aufsteigenden Dienstbezüge allein an das Lebensalter des Betreffenden an. Nach dem Urteil des EuGH vom 19. Juni 2014 (C-501/12 u.a., Specht) benachteiligt dies jüngere Beamte ungerechtfertigt wegen ihres Alters.

Das BVerwG hat einigen der Beamten eine Entschädigung i.H.v. 100 €/Monat zugesprochen, abhängig vom jeweils maßgeblichen Besoldungsrecht sowie vom Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs.

Nach den nunmehr geltenden gesetzlichen Bestimmungen werden neu eingestellte Beamte regelmäßig in die erste Stufe eingruppiert. Ihr Grundgehalt steigt anschließend mit ihrer Dienstzeit an; diese Anknüpfung der Besoldung an die im Dienstverhältnis verbrachte Zeit steht mit den Vorgaben des Unionsrechts in Einklang. Nach dem geltenden Besoldungsrecht der Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt werden die vorhandenen Beamten in dieses neue System übergeleitet. Maßgeblich ist dabei grundsätzlich diejenige Dienstaltersstufe, die die Beamten nach bisherigem Recht erreicht hatten. Die damit verbundene Perpetuierung der bisherigen diskriminierenden Wirkung ist nach dem genannten Urteil des EuGH vom 19. Juni 2014 aber gerechtfertigt.

Deshalb scheiden für Beamte des Landes Sachsen-Anhalt Ausgleichsansprüche für den Zeitraum ab dem 1. April 2011 aus. Für Beamte des Freistaates Sachsen gilt dasselbe für den Zeitraum ab dem 1. September 2006. Denn im Freistaat Sachsen ist das neue Besoldungssystem zulässigerweise rückwirkend zu diesem Datum in Kraft gesetzt worden. Diese gesetzliche Regelung hat für die betroffenen Beamten keine belastende Wirkung und führt zudem dazu, dass für die Besoldung der Beamten des Freistaates Sachsen für den Zeitraum ab dem 1. September 2006 überhaupt eine gesetzliche Regelung besteht, die mit den Vorgaben des Unionsrechts in Einklang steht.

Ein Anspruch von Beamten als Ausgleich für die frühere, an das Alter anknüpfende Bemessung ihrer Dienstbezüge kann allein nach § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) bestehen. Diese Vorschrift räumt bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen des Alters einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf angemessene Entschädigung ein. Dagegen ist bereits nach dem Urteil des EuGH vom 19. Juni 2014 die Einstufung der Beamten in eine höhere oder gar die höchste Stufe der jeweiligen Besoldungsgruppe ausgeschlossen. Denn die unzulässige Benachteiligung wegen des Alters erfasst sämtliche Gruppen von Beamten. Deshalb besteht kein gültiges Bezugssystem mehr, an das der Anspruch auf Gleichbehandlung anknüpfen könnte. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch scheidet als Grundlage ebenso aus wie der verschuldensabhängige Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG. Die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlagen waren erst mit der Bekanntgabe des Urteils des EuGH vom 8. September 2011 (C-297/10 u.a., Hennigs und Mai) erfüllt.

Die Regelung des § 15 Abs. 2 AGG erfasst auch den Fall, dass sich der Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters nach § 7 Abs. 1 AGG aus der korrekten Anwendung von bundesgesetzlichen Bestimmungen (hier §§ 27 und 28 BBesG a.F.) ergibt. Wegen der unionsrechtskonformen Überleitungsbestimmungen der Länder und des Inkrafttretens des AGG im August 2006, das die oben genannte Richtlinie in innerstaatliches Recht umgesetzt hat, kommt ein Entschädigungsanspruch aber lediglich für den Monat August 2006 (Sachsen) bzw. für den Zeitraum von August 2006 bis Ende März 2011 (Sachsen-Anhalt) in Betracht; danach galt jeweils das unionsrechtskonforme neue Besoldungsrecht. Als angemessen im Sinne von § 15 Abs. 2 AGG hat das BVerwG eine pauschale Entschädigung von 100 €/Monat angesehen. Da das AGG erst Mitte August 2006 in Kraft getreten ist, ist der Entschädigungsbetrag für diesen Monat zu halbieren.

In Anwendung dieser Grundsätze hat das BVerwG den klagenden Beamten – je nach dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs und dem Inkrafttreten des neuen, unionsrechtskonformen Besoldungsrechts – einen Zahlungsanspruch in bestimmter Höhe zuerkannt (im Streitfall mit dem längsten Zeitraum in Höhe von 5 550 €, in einem Fall aus Sachsen lediglich i.H.v. 50 €) oder die Klage abgewiesen.

In den Streitfällen der Soldaten, deren Besoldung ebenfalls in den §§ 27 und 28 BBesG a.F. geregelt war, hat das BVerwG dagegen keinen Anspruch auf Entschädigung zuerkannt. Denn diese hatten ihre Ansprüche wegen der unionsrechtswidrigen Besoldung erst nach Ablauf der für sie maßgeblichen Ausschlussfrist gegenüber der Bundeswehr geltend gemacht. Auf die Frage, ob die Richtlinie auf die Besoldung von Soldaten überhaupt Anwendung findet, kam es deshalb nicht an.

BVerwG, Pressemitteilung v. 30.10.2014 zum U. v. 30.10.2014, 2 C 3.13 u.a.

Vorinstanzen:
OVG Magdeburg 1 L 188/11 – Urteil vom 11. Dezember 2012
VG Halle 5 A 63/10 HAL – Urteil vom 28. September 2011

BVerwG 2 C 6.13 – Urteil vom 30. Oktober 2014

Vorinstanzen:
OVG Magdeburg 1 L 9/12 – Urteil vom 11. Dezember 2012
VG Halle 5 A 349/09 HAL – Urteil vom 28. September 2011

BVerwG 2 C 32.13 – Urteil vom 30. Oktober 2014

Vorinstanzen:
OVG Bautzen 2 A 150/12 – Urteil vom 23. April 2013
VG Chemnitz 3 K 612/10 – Urteil vom 03. Februar 2011

BVerwG 2 C 36.13 – Urteil vom 30. Oktober 2014

Vorinstanzen:
OVG Koblenz 10 A 11216/12.OVG – Urteil vom 20. Februar 2013
VG Koblenz 1 K 607/12.KO – Urteil vom 23. Oktober 2012

BVerwG 2 C 38.13 – Urteil vom 30. Oktober 2014

Vorinstanzen:
OVG Koblenz 10 A 11217/12.OVG – Urteil vom 20. Februar 2013
VG Koblenz 1 K 726/12.KO – Urteil vom 23. Oktober 2012

BVerwG 2 C 39.13 – Urteil vom 30. Oktober 2014

Vorinstanzen:
OVG Koblenz 10 A 11167/12.OVG – Urteil vom 20. Februar 2013
VG Trier 1 K 858/12.TR – Urteil vom 25. September 2012

BVerwG 2 C 47.13 – Urteil vom 30. Oktober 2014

Vorinstanzen:
OVG Koblenz 10 A 10422/13 – Urteil vom 19. Juli 2013
VG Koblenz 1 K 812/12 – Urteil vom 26. Februar 2013

Update v. 26.02.2015

Das BVerwG hat den Volltext der Entscheidungen zu  2 C 3.13 und 2 C 6.13 veröffentlicht (beides Leitsatzentscheidungen). Zu dem Verfahren 2 C 6.13 hat das BVerwG nachfolgende Leitsätze formuliert.

„Leitsätze:

  1. Die Besoldung der Beamten der Besoldungsordnung A nach den §§ 27 und 28 BBesG F 2002 benachteiligt Beamte unmittelbar aufgrund ihres Lebensalters. Eine Einstufung der betroffenen Beamten in eine höhere oder gar in die höchste Dienstaltersstufe ihrer Besoldungsgruppe zum Ausgleich dieser ungerechtfertigten Diskriminierung ist ausgeschlossen. Da von der Diskriminierung potenziell sämtliche Beamte erfasst sind, besteht kein gültiges Bezugssystem, das als Grundlage herangezogen werden kann.
  2. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen des Verstoßes der §§ 27 und 28 BBesG F 2002 gegen die Richtlinie – RL – 2000/78/EG sind erst ab Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen Hennigs und Mai (Rs. C-297/10 und C-298/10) am 8. September 2011 erfüllt.
  3. Der verschuldensunabhängige Anspruch auf angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG ist Grundlage des abgestuften Sanktionensystems des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zur Umsetzung des Art. 17 der RL 2000/78/EG.
  4. § 15 AGG kommt als Grundlage für einen Anspruch auch dann in Betracht, wenn die Benachteiligung aus dem korrekten Vollzug einer gesetzlichen Regelung resultiert.
  5. Der für § 15 Abs. 2 AGG erforderliche immaterielle Schaden liegt regelmäßig bei einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe vor.
  6. Das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung gemäß § 15 Abs. 4 AGG ist erfüllt, wenn der Schuldner aus dem Schreiben die Auffassung des Arbeitnehmers entnehmen kann, wegen des Verhaltens des Arbeitgebers bestünden Ansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.
  7. Ist eine Rechtslage unsicher und unklar, beginnt auch die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG erst mit der objektiven Klärung der Rechtslage durch eine höchstrichterliche Entscheidung.
  8. Hat der Beamte die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG gewahrt, ist der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung von nicht unmittelbar durch Gesetz begründeten Ansprüchen nicht ergänzend anwendbar.
  9. Resultiert der Anspruch nach § 15 AGG aus einer den Beamten diskriminierenden Besoldungsregelung, so richtet sich der Anspruch auch dann gegen den Dienstherrn als Arbeitgeber, wenn dieser nicht die Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung besitzt.
  10. Zwar perpetuiert die schlichte betragsmäßige Überleitung der Besoldungsansprüche von Beamten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Besoldungsregelung bereits ernannt waren, ihre Benachteiligung aufgrund des Lebensalters. Diese Regelung ist jedoch im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG gerechtfertigt, weil sie der Wahrung des Besitzstands dieser Beamten dient und eine rückwirkende Einstufung der Beamten nach Maßgabe eines unionsrechtskonformen Systems übermäßig großen Verwaltungsaufwand verursachen würde und überaus kompliziert und fehlerträchtig wäre (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 – Rs. C-501/12, Specht – NVwZ 2014, 1294).“