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Landtag: Wissenschaftsausschuss diskutiert Maßnahmen zur Senkung der Studienabbrecherquote

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War der Urheber der Reformation ein Studienabbrecher? Natürlich nicht. Martin Luther unterbrach sein Studium lediglich für einige Jahre, um ins Kloster einzutreten. Doch wenn es nach der heutigen Definition ginge, würde er in diese Kategorie fallen. Grund: In Deutschland gibt es bislang keine Studienverlaufsstatistik. Diese beschreibt, ob Studierende ihr Studienfach wechseln, ihr Studium pausieren, an einer anderen Hochschule fortsetzen oder ganz beenden. Eine solche Datengrundlage wäre allerdings nötig, um Lösungen für die hohen Abbrecherquoten zu finden.

„Bayern liegt bei der Schwundquote zwar deutschlandweit auf Platz zwei“, erklärte der Vorsitzende des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst, Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER).

Ohne rechtliche Vorgaben sei aber unklar, wie belastbar diese Zahlen sind.

„Eine Abbrecherquote von einem Drittel ist leider normal“, ergänzte der stellvertretende Ausschussvorsitzende, Oliver Jörg (CSU).

Auf Antrag seiner Fraktion wurde daher eine Anhörung von Sachverständigen zum Thema „Strategien und Maßnahmen zur weiteren Erhöhung der Studienerfolgsquote an den bayerischen Hochschulen“ durchgeführt.

In Deutschland legt das Hochschulstatistikgesetz fest, welche Daten erhoben werden. Das sind nicht viel:

„Aktuell sind alle Statistiken nur Schätzungen, die sich bis zu 15 Prozent unterscheiden“, erläutert die wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Hochschulforschung, Prof. Dr. Isabell Welpe.

„Das Statistische Bundesamt hat Schwierigkeiten, die Erfolgsquoten zu messen, weil es keine Werte für die Bundesländer ermitteln kann“, betont Dr. Ulrich Heublein vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung.

Er fordert daher gemeinsam mit Welpe eine Novellierung des derzeitigen Gesetzes.

Damit zukünftig jeder Studierende erfasst wird, wünscht sich der Vorsitzende des Hochschulverbunds Hochschule Bayern, Prof. Dr. Michael Braun, individuelle Erkennungsmerkmale für Studentinnen und Studenten. Einen besseren Austausch auf Hochschulebene möchte zwar auch Verena Osgyan (Bündnis 90/Die Grünen). Bei einer länderübergreifenden Identifikationsnummer für Studierende bekomme sie als Mitglied der Datenschutzkommission allerdings „Bauchschmerzen“. Unkomplizierter ist das interne Monitoring, wie es seit einigen Semestern bereits an den Universitäten Passau, Regensburg und Erlangen-Nürnberg durchgeführt wird.

Die Wirtschaft mahnt trotz der offenen Fragen im Bereich des Datenschutzes zur Eile:

„Wir haben seit 2008 viel Geld investiert, um Maßnahmen gegen Studienabbrüche zu erproben“, erklärt Dr. Christof Prechtl von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft.

Aber ohne Zahlen sei kein Qualitätsmanagement möglich.

„Alles an Kennzahlen festzumachen, kann problematisch sein“, wirft dagegen Hochschulforscherin Welpe ein. „Bei einer 100-prozentigen Erfolgsquote unabhängig von der Qualifikation ist uns auch nicht geholfen.“

Vielmehr müsse überlegt werden, ob die Studierenden den falschen Weg eingeschlagen haben oder die Hochschulen Schuld am Abbruch tragen.

„’Abbrecher‘ ist grundsätzlich das falsche Wording“, ist Frank Weth von der Handwerkskammer für Unterfranken überzeugt. „Es handelt sich dabei um hochintelligente Menschen, die lediglich einmal falsch abgebogen sind.“

Der Bildungsexperte fordert aus diesem Grund mehr Orientierungsmöglichkeiten beim Wechsel von der Schule auf die Hochschule. Gleiches verlangt Isabell Zacharias (SPD). Derzeit sei das Bildungssystem ein selektives, bei dem erst mal viele junge Menschen aussortiert werden sollen.

„Egal ob Schule, duale Ausbildung oder Studium – wir brauchen zuallererst gute Beratungssysteme“, ist die Abgeordnete überzeugt.

Ausschussvorsitzender Piazolo will jetzt überlegen, was der Bayerische Landtag unternehmen kann, um zu einer bundesweiten Lösung zur Senkung der Abbrecherquote beizutragen.

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Sitzungen – Aus den Ausschüssen v. 05.11.2014 (von David Lohmann)