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Bayerischer Gemeindetag: Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer – Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht

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Die Geschäftsstelle des Bayerischen Gemeindetags hat letztmalig mit Rundschreiben vom 8. September 2014, Nr. 41/2014, über den Stand der Grundsteuerreform informiert. Zwischenzeitlich hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Prüfung vorgelegt, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungswidrig sind. Die Vorlage wird in erster Linie an der Tatsache gemessen, dass die letzte Hauptfeststellung des Einheitswertes zum 01.01.1964 erfolgte.

In dem Verfahren, das den Vorlagebeschluss des BFH zugrunde liegt, hatte der Kläger im Jahr 2008 ein Ladenlokal im ehemaligen Westteil von Berlin erworben. Er vertritt dabei die Ansicht, dass der gegenüber dem Voreigentümer festgestellte Einheitswert für das Ladenlokal ihm gegenüber keine Bindungswirkung entfalten könne, weil die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens wegen des lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts 1. Januar 1964 verfassungswidrig sei. Die Einheitswertfeststellung müsse daher zum 1. Januar 2009 ersatzlos aufgehoben werden.

Der Bundesfinanzhof stützt seine Vorlage dabei auf folgende Gesichtspunkte:

  • Einheitswerte werden für Betriebe der Land- und Fortwirtschaft, für Betriebsgrundstücke und für andere Grundstücke festgestellt. Sie sind neben den Steuermesszahlen und den von den Gemeinden festgelegten Hebesätzen Grundlage für die Bemessung der Grundsteuer. Maßgebend für die Feststellung der Einheitswerte sind in den alten Bundesländern und Westberlin die Wertverhältnisse zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964.
  • Der BFH ist der Ansicht, dass die Maßgeblichkeit dieser veralteten Wertverhältnisse (spätestens) seit dem Feststellungszeitpunkt 1. Januar 2009 wegen des 45 Jahre zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts nicht mehr mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung des Steuerrechts vereinbar ist. Durch den Verzicht auf weitere Hauptfeststellungen sei es nach Anzahl und Ausmaß zu dem Gleichheitssatz wiedersprechenden Wertverzerrungen bei den Einheitswerten gekommen. Die seit 1964 eingetretene rasante städtebauliche Entwicklung, gerade im großstädtischen Bereich, die Fortentwicklung des Bauwesens nach Bauart, Bauweise, Konstruktion und Projektgröße sowie andere tiefgreifende Veränderungen am Immobilienmarkt fänden keinen angemessenen Niederschlag im Einheitswert.
  • Der BFH vertritt nicht die Ansicht, dass das Niveau der Grundsteuer insgesamt zu niedrig sei und angehoben werden müsse. Vielmehr geht es lediglich darum, dass die einzelnen wirtschaftlichen Einheiten innerhalb der jeweiligen Gemeinde im Verhältnis zueinander realitätsgerecht bewertet werden müssen. Nur eine solche Bewertung könne gewährleisten, dass die Belastung mit Grundsteuer sachgerecht ausgestaltet werde und mit dem Gleichheitssatz vereinbar sei.

Es obliegt nunmehr dem Bundesverfassungsgericht über die Vorlage zu entscheiden. Der Vorlagebeschluss steht als solcher dem Erlass von Einheitswertbescheiden, Grundsteuermessbescheiden und Grundsteuerbescheiden sowie der Beitreibung von Grundsteuer nicht entgegen. Die entsprechenden Bescheide werden jedoch für vorläufig zu erklären sein.

Die Vorlage betrifft nicht die Bewertung des Grundvermögens im Beitrittsgebiet, für die die Wertverhältnisse am Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1935 maßgebend sind. Die Gründe, die den BFH zu der Vorlage veranlasst haben, gelten aber aufgrund dieses noch länger zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts erst recht auch für das Beitrittsgebiet.

Der Bundesfinanzhof sieht die Erhebung der Grundsteuer auf Basis der relativ alten Einheitswerte bereits seit längerem kritisch. Bislang hat das Bundesverfassungsgericht jedoch die Erhebung der Grundsteuer in der bisherigen Form regelmäßig bestätigt. Für Stichtage bis zum 01.01.2007 hat auch der Bundesfinanzhof dieses Verfahren für noch rechtmäßig anerkannt (vgl. Urteil des BFH vom 30.06.2010). Bereits in diesem Urteil hat der BFH jedoch auf die drohende Verfassungswidrigkeit hingewiesen. Gegen dieses Urteil des BFH ist ebenfalls eine Verfassungsbeschwerde anhängig. Darüber hinaus hat sich dem Vernehmen nach das Bundesverfassungsgericht mit weiteren Verfassungsbeschwerden zu dieser Thematik zu befassen.

In der Vergangenheit wurde die Grundsteuer lediglich im Rahmen von Verfassungsbeschwerden einzelner Steuerpflichtiger angegriffen. Diese Verfassungsbeschwerden wurden im Regelfall deshalb abgewiesen, weil sie an formalen Kriterien scheiterten. Der Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs als Obersten Bundesgericht kann jedoch eine erhebliche Relevanz für die Kommunen entwickeln.

Insoweit gehen wir davon aus, dass unter Umständen bereits im Jahr 2015 mit einer Entscheidung zu rechnen ist. Derzeit ist nicht absehbar, welche Entscheidung das Bundesverfassungsgericht treffen wird. Für den Fall jedoch, dass die Verfassungswidrigkeit festgestellt wird, ist davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht die Weitergeltung für einen gewissen Übergangszeitraum zulassen wird. Momentan wird in einer länderoffenen Arbeitsgruppe unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene über ein neues Grundsteuermodell diskutiert (vgl. Rundschreiben Nr. 41/2014 vom 8. September 2014).

Aus Sicht von Fachleuten ist für eine Umstellung auf ein neues Grundsteuermodell eine Übergangszeit von mindestens vier bis fünf Jahren erforderlich. Insoweit bleibt zu hoffen, dass ein etwaiger Übergangszeitraum, der diesen Umstand Rechnung trägt, vom Verfassungsgericht berücksichtigt werden wird.

Für die Mitglieder des Bayerischen Gemeindetags besteht derzeit kein akuter Handlungsbedarf. Die Finanzämter erklären aber bereits seit dem Jahr 2012 Feststellung der Einheitswerte für Grundstücke sowie Festsetzungen des Grundsteuermessbetrags hinsichtlich der Frage, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens verfassungsgemäß sind, nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO für vorläufig. Aus Sicht des Bayerischen Gemeindetags ist es nicht erforderlich, diesen Vorläufigkeitsvermerk in den Grundsteuerbescheiden der Kommune zu wiederholen. Im Zweifel würde § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO die Gemeinde zu einer konkreten Anpassung zwingen.

Bayerischer Gemeindetag, Aktuelles v. 11.12.2014