Die Staatsregierung hat o.g. Gesetzentwurf eingebracht (LT-Drs. 17/4944 v. 19.01.2015). Dieser regelt den Vollzug der Unterbringung von Personen in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt auf Grund einer strafgerichtlichen Entscheidung (§ 61 Nrn. 1 und 2 StGB) und somit einen Teilbereich des „unterbringungsmäßigen“ Maßregelvollzugs. Der Vollzug der Sicherungsverwahrung sowie der Therapieunterbringung (vgl. § 61 Nr. 3 StGB, § 1 ThUG) wurde mit dem BaySvVollzG bereits zuvor auf eine eigenständige gesetzliche Grundlage gestellt (zu den entsprechenden Gesetzgebungsverfahren: vgl. hier).
Wurde der Vollzug der Therapieunterbringung bis zur Verankerung im BaySvVollzG im 8. Abschnitt des UnterbrG behandelt, der mit der eigenständigen gesetzlichen Regelung aufgehoben wurde, so sieht der Entwurf des BayMRVG selbiges mit dem 7. Abschnitt des UnterbrG vor, der bislang den Maßregelvollzug nach § 61 Nrn. 1 und 2 StGB punktuell normiert.
Darüber hinaus regelt der Gesetzentwurf den Vollzug der „einstweiligen Unterbringung“ (unter diesen Begriff fasst der Gesetzentwurf die einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO sowie die Sicherungshaft gemäß § 463 Abs. 1 i.V.m. § 453c StPO) und stellt diesen erstmals auf eine gesetzliche Grundlage. Bisher wird die nähere Ausgestaltung des Vollzugs lediglich in einer weitgehend ländereinheitlichen Verwaltungsvorschrift, der Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO), geregelt. Die UVollzO hat lediglich untergesetzlichen Normcharakter und ist daher nicht in der Lage, Eingriffe in die Grundrechte der einstweilig Untergebrachten zu rechtfertigen.
Weiterhin ungeregelt bleibt hingegen der Vollzug der Unterbringung zur Beobachtung nach § 81 StPO. Dies hatte der Bayerische Richterverein im Rahmen der Verbändeanhörung mit deutlichen Worten kritisiert und auch hier Regelungsbedarf angemahnt:
„Die Praxis einer Unterbringung nach § 81 StPO zeigt, dass man die Betroffenen ohne Sonderstatus im Alltag einer geschlossenen Klinik alleine lässt. Dies ist nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Mitarbeiter der Klinik eine Zumutung. Es gibt schließlich in ganz Bayern keine Einrichtung, die speziell für eine Unterbringung zur Beobachtung Vorrichtungen bereithält. Das Zusammenleben mit psychisch kranken Patienten etwa auf einer Aufnahmestation dürfte für einen Menschen, der von heute auf morgen aus dem Alltag herausgerissen wurde, eine extreme Erfahrung sein und womöglich das Untersuchungsergebnis verfremden.“
Grund für die Gesetzesinitiative
Hier führt der Gesetzentwurf zunächst an, dass die derzeit nur punktuelle Regelung des Maßregelvollzugs in Art. 28 UnterbrG dessen Bedeutung nicht mehr gerecht würde. Zudem hätten sich seit dem Inkrafttreten des UnterbrG im Jahr 1992 das Rechtsbewusstsein und die Vollzugspraxis geändert.
Zudem gelte es, die Ausgestaltung des Vollzugs an die „jüngste“ Rechtsprechung des BVerfG anzupassen. Der Gesetzentwurf nennt hier:
- BVerfG, B. v. 10.01.2008 (2 BvR 1229/07): Das BVerfG habe hier für den Vollzug der Untersuchungshaft festgestellt, dass keine hinreichende gesetzliche Grundlage existiere, um die Rechte der Betroffenen nach Maßgabe vollzugspolitischer Zweckmäßigkeiten einzuschränken. Diese Wertung lasse sich auch auf den Vollzug der einstweiligen Unterbringung (§ 126a StPO) und der Sicherungshaft (§ 463 Abs. 1 i.V.m. § 453c StPO) übertragen.
- BVerfG, B. v. 23.03.2011 (2 BvR 882/09), B. v. 12.10.2011 (2 BvR 633/11) und B. v. 20.02.2013 (2 BvR 228/12): Hier habe das BVerfG im Hinblick auf die Zulässigkeit medizinischer Zwangsbehandlungen sowie mit dem B. v. 18.01.2012 (2 BvR 133/10) im Hinblick auf die Privatisierung von Maßregelvollzugseinrichtungen strenge Kriterien aufgestellt, die eine Neuregelung der derzeitigen vollzugsrechtlichen Gesetzesgrundlagen erforderlich machten.
Schließlich findet auch die UN-Behindertenrechtskonvention Erwähnung: Die Regelung der strafrechtlichen Unterbringung in einem eigenen Gesetz diene auch der Entstigmatisierung der auf Grundlage des UnterbrG untergebrachten Personen, die schließlich nicht aus strafrechtlichen Gründen untergebracht würden.
Eckpunkte des Gesetzentwurfs
Diese sind dem Gesetzentwurf, S. 22-26 zu entnehmen (LT-Drs. 17/4944 v. 19.01.2015, PDF, 1 MB).
Kritik des Bayerischen Richtervereins im Rahmen der Verbändeanhörung
Der Bayerische Richterverein hat im Rahmen der Verbändeanhörung an dem Gesetzentwurf grundlegende und in der Wortwahl sehr deutlich vernehmbare Kritik geübt. Bereits erwähnt wurde diesbezüglich die weiterhin fehlende Regelung zu § 81 StPO.
Zwar liegt nahe, dass der Gesetzentwurf nach der Verbändeanhörung moderat überarbeitet wurde (so verortet die Stellungnahme des Bayerischen Richtervereins den Hinweis auf die Patientenverfügung bei Art. 6 Abs. 4 Satz 4 während er sich im aktuellen Gesetzentwurf in Art. 6 Abs. 4 Satz 6 befindet) – soweit ersichtlich haben die seitens des Bayerischen Richtervereins geäußerten Kritikpunkte jedoch weiterhin Bestand, weshalb auf die Stellungnahme verwiesen werden soll (zu den in Bezug genommenen Regelungen vgl. den Gesetzentwurf (LT-Drs. 17/4944 v. 19.01.2015, PDF, 1 MB).
Staatsregierung, Gesetzentwurf über den Vollzug der Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie der einstweiligen Unterbringung (Bayerisches Maßregelvollzugsgesetz – BayMRVG), LT-Drs. 17/4944 v. 19.01.2015 (PDF, 1 MB)
Ass. iur. Klaus Kohnen; Abbildung: (c) Zerbor – Fotolia.com
Redaktioneller Hinweis: Der Klick auf die LT-Drs.-Nr. (siehe unterhalb des Beitrags unter „Tagged With“) liefert den aktuellen Stand bzw. den Gang des Gesetzgebungsverfahrens.
Net-Dokument BayRVR2015011902