Gesetzgebung

Vorgaben der Bayerischen Verfassung für die Energiepolitik des Freistaates Bayern – zur Dogmatik des Art. 152 Satz 2 BV

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01_Prof. Lindner_passvon Prof. Dr. Josef Franz Lindner, Universität Augsburg

Energiepolitische Fragen und Probleme stehen derzeit im Fokus der politischen Diskussion nicht nur in der Bundespolitik, sondern auch im Freistaat Bayern (Stichworte u.a.: „10H-Gesetz“, „Stromtrassen“, „Gaskraftwerke“). Nach dem – infolge der Katastrophe von Fukushima – mittlerweile politisch weitgehend unumstrittenen und wohl auch unumkehrbaren Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie durch entsprechende Änderungen des Atomgesetzes (vgl. insbes. § 7 Abs. 1a ff. AtG mit Anlage 3 zum AtG) steht die sog. „Energiewende“ im Zentrum der energiepolitischen Diskussion sowie der energierechtlichen Normsetzung.

I. Kompetenzrechtliche Vorgaben auf EU- und Bundesebene

Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Energiepolitik sind kompliziert, weil die Energiepolitik weder allein Bundes- noch Landesangelegenheit ist. Vielmehr halten sowohl das EU-Recht (vgl. etwa Art. 194 AEUV; hinzu kommen energierechtsrelevante EU-Richtlinien, vgl. dazu die amtliche Anmerkung zum EnWG) als auch das Bundesrecht entscheidende rechtliche Direktiven für die Gestaltung der Energiepolitik bereit. Maßgeblich sind auf Bundesebene insbesondere das Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG), das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen (Energieleitungsausbaugesetz – EnLAG), das Gesetz über den Bundesbedarfsplan (Bundesbedarfsplangesetz – BBPlG) sowie das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG). Auf der Basis dieser Rechtsgrundlagen soll der beschleunigte Ausbau der für die Realisierung der „Energiewende“ notwendigen Stromleitungen insbesondere vom windenergiereichen Norden der Bundesrepublik in den Süden planungs- und planfeststellungsrechtlich realisiert werden. Es handelt sich dabei um eine sog. „Bundesfachplanung“, die maßgeblich auch von der Bundesnetzagentur zu betreiben ist. Kompetenzgrundlage für die genannten Gesetze ist Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, der das Recht der Energiewirtschaft der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz zuweist. Davon hat der Bund abschließenden Gebrauch gemacht, so dass die Länder insoweit in ihrer Gesetzgebung gesperrt sind (Art. 72 Abs. 1 GG). Anders als in der politischen Diskussion mitunter der Eindruck entsteht, hat der Freistaat Bayern daher z.B. keine Kompetenz, selbst, abschließend und in eigener Zuständigkeit über die Errichtung von Stromtrassen auf dem Gebiet des Freistaates zu entscheiden oder solche abzulehnen (zu den Beteiligungsrechten der Länder im Rahmen der Bundesfachplanung s. etwa §§ 7 Abs. 3, 14 NABEG).

II. Landesverfassungsrechtliche Direktiven

Angesichts dieser kompetenzrechtlichen Vorgaben scheint es zunächst fernliegend zu sein, landesverfassungsrechtliche Direktiven für die bayerische Energiepolitik zu benennen und zu erörtern. Denn selbst wenn es entsprechende landesverfassungsrechtliche Vorgaben, also solche der Bayerischen Verfassung, gäbe, könnten diese die Organe des Freistaates Bayern jedenfalls insoweit nicht binden, als energiepolitische Entscheidungen des Freistaates Bayern durch bundes- und EU-rechtliche Vorgaben ausgeschlossen oder inhaltlich determiniert sind. Allerdings gilt auch umgekehrt: Soweit das EU- und Bundesrecht die Energiepolitik nicht abschließend determinieren, verbleiben dem Freistaat Bayern Entscheidungsspielräume. Diese Spielräume geraten unter den Einfluss der Landesverfassung, so dass diese – zumindest partiell – durchaus direktiven Charakter entfalten kann (zu diesen kompetenzrechtlichen Zusammenhängen im öffentlichrechtlichen Mehrebenensystem s. Lindner, Öffentliches Recht, 2012, Rn. 400 ff.). Es lohnt daher durchaus ein Blick in die Bayerische Verfassung, ob und welche Aussagen diese zur Energiepolitik trifft – auch, um die energiepolitische Diskussion in Bayern zumindest verfassungsrechtlich einordnen zu können.

1. Art. 83 Abs. 1 BV – Kommunales Selbstverwaltungsrecht

Hierbei fällt zunächst Art. 83 Abs. 1 BV in den Blick. Diese Norm konkretisiert den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden und damit den Gegenstandsbereich des kommunalen Selbstverwaltungsrechts im Sinne des Art. 11 Abs. 2 BV. Zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden und damit zum verfassungsrechtlich geschützten Bereich der kommunalen Selbstverwaltung gehört u.a. „die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Licht, Gas und elektrischer Kraft“. Wenn man von der etwas veralteten Formulierung der „elektrischen Kraft“ absieht, lässt sich Art. 83 Abs. 1 BV ohne weiteres auch als aktuelles energiepolitisches Mandat für die Gemeinden und damit für eine dezentrale Energieversorgung lesen. Die Gemeinden stehen in der Verantwortung, im Rahmen zumal der bundesrechtlichen Vorgaben für eine ausreichende Energieversorgung der Gemeindeeinwohner (einschließlich der in der Gemeinde ansässigen Wirtschaftsbetriebe) zu sorgen. Wie die Gemeinden dies tun, ist in Art. 83 BV hingegen nicht näher geregelt. Auch die Gemeindeordnung enthält hierfür keine spezifizierten inhaltlichen Maßgaben. Aus Art. 83 Abs. 1 BV ergibt sich zugleich auch ein Recht der Gemeinde, in Ausübung ihres Selbstverwaltungsrechts „im Rahmen der Gesetze“ (Art. 11 Abs. 2 BV) für die Energieversorgung der Gemeindeeinwohner zu sorgen. Dies können die Gemeinden ausfüllen etwa durch die Unterhaltung eigener Energieversorgungswerke (Stadtwerke), aber auch durch die bauplanungsrechtliche Ausweisung entsprechender Flächen zur Errichtung örtlicher Windenergieanlagen (Sondergebiete „Wind“ nach § 11 BauNVO). Weiter haben die Gemeinden die Möglichkeit, durch Teilflächennutzungspläne (vgl. auch § 5 Abs. 2b BauGB) Konzentrationsflächen im Außenbereich auszuweisen, in denen Windenergieanlagen prioritär errichtet werden können (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB).

2. Art. 152 BV – Sicherstellung der Versorgung mit „elektrischer Kraft“

Eine weitere Vorgabe der Bayerischen Verfassung für die Energiepolitik findet sich in dem an versteckter Stelle platzierten und daher wenig beachteten Art. 152 BV. Der Satz 2 dieser Vorschrift besagt, dass dem Staat die „Sicherstellung der Versorgung des Landes mit elektrischer Kraft“ obliegt.

a) Energiepolitischer Sicherstellungs- und Gewährleistungsauftrag – Untermaßverbot

Art. 152 S. 2 BV enthält zunächst einen energiepolitischen Sicherstellungs- oder Gewährleistungsauftrag an die Organe des Freistaates Bayern. Diese, also zumal Landtag und Staatsregierung, haben im Rahmen und nach Maßgabe ihrer Zuständigkeiten die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Versorgung mit elektrischer Energie sichergestellt ist. Den Staat trifft insofern auch eine Gewährleistungsverantwortung. Wie er dieser gerecht wird, sagt Art. 152 Satz 2 BV allerdings nicht. Dem Staat bzw. den Organen des Staates kommt insoweit ein weiter politischer Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum zu. Dieser findet seine Grenze erst an einem energiepolitischen „Untermaßverbot“: Die Organe des Freistaats verstoßen erst dann gegen die Pflicht aus Art. 152 Satz 2 BV, wenn eine Gesamtsicht ihres energiepolitischen Handelns den Schluss nahelegt, dass das Mindestmaß dessen, was für eine verantwortliche, nachhaltige und langfristig gesicherte Energieversorgung notwendig ist, unterschritten wird. Hierbei ist zudem in Rechnung zu stellen, dass die Organe des Freistaats Bayern aufgrund der bereits erwähnten europa- und bundesrechtlichen Grenzen und Vorgaben keinen eigenen und abschließenden Zuständigkeitsbereich haben. Art. 152 Satz 2 BV ist keine kompetenzbegründende Norm, die dem Freistaat Bayern Handlungsmöglichkeiten einräumen würde, die er nach Maßgabe der Art. 30, 70 ff., 83 ff. GG nicht hat. Das Handeln des Freistaates Bayern zur Erfüllung der Pflichten aus Art. 152 S. 2 BV ist also nur in dem kompetenziellen Rahmen möglich, den die Vorgaben des EU-Rechts, des GG und der bundesrechtlichen Energiegesetze belassen. Gleichwohl ist Art. 152 Satz 2 BV insofern nicht bedeutungslos. Vielmehr folgen aus dieser Vorschrift Handlungspflichten für die Organe des Freistaats Bayern dort, wo Handlungsspielraum und Einflussmöglichkeiten bestehen. Art. 152 Satz 2 BV kann seine Direktivwirkung insbesondere für das Abstimmungsverhalten der Organe des Freistaats im Bundesrat – also für die Staatsregierung – entfalten, ebenso für die Nutzung von Spielräumen, die die einschlägigen bundesrechtlichen Vorgaben zur Energiepolitik belassen sowie für die eigene Gesetzgebung und Maßnahmen der Exekutive im Rahmen der Kompetenzordnung. Bei alledem haben die Organe des Freistaats im Auge zu haben, ob die Energieversorgung des Landes ausreichend und nachhaltig gesichert ist. Den Staatsorganen obliegt mithin zur Erfüllung ihrer Sicherstellungs- und Gewährleistungsverantwortung eine Beobachtungs-, Analyse- und potenzielle Reaktionspflicht. Das Gesamtportfolio der Energieversorgung („Energiemix“) im Freistaat ist daraufhin zu untersuchen, ob nicht nur aktuell, sondern auch mittel- und langfristig die ausreichende Versorgung mit Energie gesichert ist und ob bzw. in welcher Hinsicht politische Gegen-, Um- oder Nachsteuerungsmaßnahmen indiziert sind. Zur nachhaltigen Sicherung der Energieversorgung gehört auch, Vorsicht walten zu lassen, um nicht von unvertretbaren Unwägbarkeiten und politischen Unsicherheiten der Entwicklungen im Ausland abhängig zu werden, etwa im Hinblick auf die Gasversorgung.

b) Gesamtsicht energiepolitisch relevanter Maßnahmen

Da es bei der Frage, ob die Staatsorgane dem Verfassungsauftrag aus Art. 152 Satz 2 BV gerecht werden, auf eine Gesamtsicht der energiepolitisch relevanten Maßnahmen und Entscheidungen ankommt, ist es auch nicht angängig, einzelne energiepolitische Aspekte isoliert herauszugreifen und an Art. 152 Satz 2 BV zu messen. Dies gilt etwa für die beiden momentan besonders umstrittenen Bereiche der bayerischen Energiepolitik, nämlich (1) für die Haltung der bayerischen Staatsorgane im Hinblick auf den Ausbau der Höchstspannungsstromleitungen (sog. „Trassen-Streit“), wo dem Freistaat Bayern kraft der oben bei I. genannten bundesrechtlichen Maßgaben gar keine eigene Entscheidungskompetenz zukommt, und (2) für das sog. „10H-Gesetz“ (Gesetz zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und des Gesetzes über die behördliche Organisation des Bauwesens, des Wohnungswesens und der Wasserwirtschaft vom 17.11.2014 (GVBl S. 478)).  Durch dieses Gesetz, durch das der bayerische Gesetzgeber von der Länderöffnungsklausel in § 249 Abs. 3 BauGB Gebrauch gemacht hat, wird die Privilegierung von Windenergieanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Außenbereich von der Einhaltung eines Abstandes im Umfang der 10fachen Höhe der Windenergieanlage zur zulässigen Wohnbebauung abhängig gemacht (Art. 82 Abs. 1 BayBO n.F.; zum Gesetzgebungsverfahren vgl. hier).

Beide energiepolitischen Themen können nicht isoliert voneinander jeweils für sich vor dem Hintergrund des Art. 152 Satz 2 BV für verfassungswidrig erachtet werden. Vielmehr bedarf es einer Gesamtsicht des energiepolitischen Handelns der Staatsorgane und dessen Konsequenzen für eine langfristig gesicherte Energieversorgung im Freistaat Bayern.

Das „10H-Gesetz“ ist aus einer Reihe von anderen Gründen verfassungsrechtlich problematisch (insbesondere im Hinblick auf eine kompetenzielle Überdehnung des § 249 Abs. 3 BauGB infolge der faktischen Aufhebung der Privilegierung durch die Festlegung des 10H-Abstandes, aber auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die kommunale Selbstverwaltungsgarantie), aber kaum im Hinblick auf Art. 152 Satz 2 BV angreifbar.

c) Folgerungen aus dem Untermaßverbot

Wie dargelegt lassen sich aus Art. 152 Satz 2 BV keine konkreten und bestimmten Pflichten der Staatsorgane zur Sicherstellung der Energieversorgung im Freistaat Bayern ableiten. Es kommt vielmehr auf eine Gesamtanalyse des Portfolios an energiepolitischen Maßnahmen und der konkreten Gestaltung des jeweiligen „Energiemix“ an. Sollte freilich insoweit ein Defizit im Sinne eines Verstoßes gegen ein energiepolitisches Untermaßverbot auszumachen sein, könnte den Freistaat Bayern aus Art. 152 Satz 2 BV unmittelbar eine Verpflichtung treffen, selbst für die ausreichende Energieversorgung durch den Betrieb eigener Energieerzeugungseinrichtungen (etwa Kraftwerke) zu sorgen. Insofern ist es zumindest verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen, dass sich die Option des Staates, die Sicherstellung der Energieversorgung auch durch private Energieversorger zu gewährleisten, zu einer Handlungspflicht im Sinne des Betriebs eigener Kraftwerke – ggf. auch in privatrechtlicher Form –  verdichtet. Hierbei wären allerdings nicht nur die energie- und wettbewerbsrechtlichen Vorgaben des EU-Rechts zu beachten, sondern es wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass sich der Betrieb eigener Kraftwerke oder anderer Energieerzeugungsanlagen bundesrechtlichen Ingerenzen ausgesetzt sehen kann und sich insbesondere im Rahmen des Energiewirtschaftsgesetzes halten müsste. Es wäre dem Freistaat Bayern infolge des bundesrechtlich im Atomgesetz abschließend geregelten Atomrechts und dem dort verankerten Atomausstieg rechtlich unmöglich, selbst Atomkraftwerke zu betreiben, zu deren über die festgelegten Laufzeiten hinausgehendem Betrieb privatrechtliche Gesellschaften zu gründen, sich an solchen zu beteiligen oder die „stillgelegten“ Atomkraftwerke zu reaktivieren oder deren Laufzeiten zu verlängern. Art. 152 Satz 2 BV ist infolge der abschließenden Vorgaben des Bundesrechts keine hinreichende Legitimation für einen Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Kernenergie, also für einen Wiedereinstieg in die Atomenergienutzung. Die Errichtung und der Betrieb anderer Kraftwerke, z.B. Gaskraftwerke, haben sich an den Vorgaben des Energiewirtschaftsrechts zu orientieren.

3. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV – Sozialstaatsprinzip

Eine weitere Direktive für die bayerische Energiepolitik bildet das in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV niedergelegte Sozialstaatsprinzip. Aus diesem lässt sich eine Pflicht des Staates ableiten, die Energiepolitik in einer Weise zu betreiben, dass eine Sicherstellung der Energieversorgung zu einem sozialverträglichen Preisniveau möglich ist. Auch hierbei besteht freilich ein weiter Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum.

III. Fazit: Landesverfassungsrechtliche Direktiven für die bayerische Energiepolitik

Die skizzierten verfassungsrechtlichen Direktiven für die bayerische Energiepolitik sind in ihrem sachlichen Gehalt und der damit verbundenen und postulierten Verantwortung für die Organe und Behörden des Freistaates Bayern von Gewicht. Es ist aber zu konstatieren, dass ihre Direktions- und Wirkkraft eher beschränkt ist. Insbesondere aus Art. 152 Satz 2 BV lassen sich keine konkreten Vorgaben für die Erfüllung der Aufgabe der Gewährleistungsverantwortung des Staates für eine ausreichende und nachhaltige Energieversorgung ableiten. Art. 152 Satz 2 BV hält die Staatsorgane an, im Rahmen ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs und ihrer Einflussmöglichkeiten auf eine nachhaltige Energieversorgung hinzuwirken. Erst dann, wenn eine Gesamtanalyse der Maßnahmen ergeben sollte, dass insoweit ein energiepolitisches „Untermaßverbot“ verletzt wäre, käme Art. 152 Satz 2 BV zum Tragen.

IV. (Prozessuale) Geltendmachung eines Verstoßes gegen das Untermaßverbot

Fraglich ist abschließend, ob und inwieweit ein (möglicher) Verstoß der Organe des Freistaates Bayern gegen die aus Art. 152 Satz 2 BV folgenden Gewährleistungs-, Handlungs-, Beobachtungs-, Analyse- und Einwirkungspflichten geltend gemacht werden könnte. Dies ist zunächst eine Angelegenheit, die im politischen Meinungsbildungsprozess zu verorten ist. Insbesondere die Opposition (Art. 16a BV) hat das Recht (und auch die Pflicht), die Staatsregierung und die die Staatsregierung stützende(n) Fraktion(en) für entsprechende Versäumnisse verantwortlich zu machen, etwa als unzureichend empfundene Regierungserklärungen zu diesem Thema politisch zu kritisieren. Für die Verantwortlichkeit der Staatsregierung ist auf Art. 47 Abs. 2 BV (Ministerpräsident) und Art. 51 Abs. 1 BV (Staatsminister) hinzuweisen. Offen ist, ob ein Verstoß gegen die Mindestanforderungen aus Art. 152 Satz 2 BV vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden könnte. Soweit gesetzgeberische Maßnahmen des Landes im Raum stehen, wäre das Verfahren der Meinungsverschiedenheit nach Art. 75 Abs. 3 BV eine denkbare Modalität der verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Die Popularklage nach Art. 98 Satz 4 BV und der Organstreit nach Art. 64 BV dürften regelmäßig als geeignete Verfahrensart ausscheiden. Soweit eine Verletzung des Art. 152 Satz 2 BV durch Mitglieder der Staatsregierung im Raum steht, wäre eine Anklage nach Art. 59, 61 BV vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof denkbar. Zu einem solchen Verfahren ist es in der Geschichte des Bayerischen Verfassungsprozessrechts freilich noch nie gekommen.

Redaktionelle Hinweise

Prof. Dr. Josef Franz Lindner ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Augsburg. Der Lehrstuhl widmet sich dem Öffentlichen Recht in der gesamten Breite. Die Forschungsschwerpunkte liegen u.a. im Staats- und Verfassungsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Freistaates Bayern.

Ziel des Beitrags ist es, die in der Öffentlichkeit geführte Diskussion um die bayerische Energiepolitik verfassungsrechtlich einzuordnen und zu erden.

Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang, dass Prof. Dr. Lindner von den Landtagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und Freien Wählern mit der Prozessvertretung gegen das „10H-Gesetz“ vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof betraut wurde.