Gesetzgebung

Die Pkw-Maut im Deutschen Bundestag – Einführung der Infrastrukturabgabe beschlossen

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Engel_BayRVR_passvon Ass. iur. Daniel Engel, Universität Augsburg

In der vergangenen Woche nun hat der Deutsche Bundestag die Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen gebilligt und damit den entscheidenden Schritt zur Einführung der Pkw-Maut unternommen. Noch immer heftig umstritten ist indes die Frage, ob die Pkw-Maut in der nun verabschiedeten Form unionsrechtskonform ist.  Diese Zweifel sind nicht neu und bereits vielerorts kundgetan. In Anbetracht der ablehnenden ersten Stellungnahme des Bundesrates, zweier ablehnender Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes  des Deutschen Bundestages, diverser kritischer Schreiben der Europäischen Kommission und einem befürwortenden und vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in Auftrag gegebenen externen Gutachten sowie dahingehenden Expertenstellungnahmen erscheint es jedoch sinnvoll, die wichtigsten Argumente und den Stand der Diskussion erneut nachzuvollziehen.

A. Inhalt und Begründung des Gesetzesentwurfes

Im nun verabschiedeten Gesetzesentwurf der Bundesregierung wird das bereits öffentlich vorgestellte Konzept des Verkehrsministeriums grundsätzlich umgesetzt. Demnach „soll eine Infrastrukturabgabe eingeführt werden, die von Haltern von im Inland und im Ausland zugelassenen Pkw und Wohnmobilen gleichermaßen für die Nutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen zu entrichten ist.“ Ausländische Halter sollen dabei nur für die Benutzung von Bundesautobahnen abgabepflichtig sein.  In letzter Minute geändert wurden die Kosten für die unterschiedlichen Vignetten. So wird es eine Jahresvignette geben sowie eine nach Größe und Schadstoffausstoß gestaffelte 2-Monats-Vignette (16,22 bzw. 30 EUR) sowie eine gestaffelte 10-Tages-Vignette (5, 10 bzw. 15 EUR). Inländische Halter erwerben zwingend eine Jahresvignette, indem sie die Infrastrukturabgabe an das Kraftfahrt-Bundesamt entrichten, das die Erhebung auch einem privaten Dritten übertragen kann. Die Kosten sollen sich dabei am Hubraum und den Umwelteigenschaften des Pkws orientieren. Auch nimmt der Gesetzesentwurf zur Unionsrechtskonformität der Pkw-Maut Stellung und übernimmt im Wesentlichen die bereits im früher veröffentlichten Infopapier des Bundesverkehrsministeriums vorgetragene Argumentationslinie: Da in- und ausländische Halter gleichermaßen mit der Abgabe belastet werden, liege keine Diskriminierung vor, während die steuerliche Entlastung der inländischen Pkw-Halter über die Kfz-Steuer losgelöst zu betrachten sei.

B. Rückenwind durch Gutachten

Hinsichtlich der zentralen unionsrechtlichen Fragestellung, ob die Pkw-Maut in Anbetracht dieser rechtlichen Konstruktion eine mittelbare Diskriminierung darstellt, erhält die Regierung Rückenwind von einem insoweit in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten (PDF, 665 KB) sowie Stellungnahmen im Zuge der Öffentlichen Anhörung zum Zweiten Verkehrsteueränderungsgesetz (PDF, 1.2 MB). Darin wird jeweils eine mittelbare Diskriminierung von EU-Ausländern mit dem Argument verneint, im Sinne einer Gesamtbetrachtung des Komplexes „Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur“ sei zu berücksichtigen, dass inländische Halter bereits heute über die Kfz-Steuer belastet seien und die unter dem Strich neu eingeführte Erhebung einer Abgabe auch von ausländischen Fahrzeughaltern letztlich insofern nur eine Gleichstellung bewirke und die Vergleichsgruppen inländischer Pkw-Halter sowie ausländischer Pkw-Halter daher schon nicht vergleichbar seien.

C. Gegenstimmen

Dieser Rechtsansicht stehen Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes der Europaabteilung des Deutschen Bundestages gegenüber, in welchen der Autor jeweils zu dem Ergebnis gelangt, die Pkw-Maut stehe nicht im Einklang mit unionsrechtlichen Diskriminierungsverboten, da die Kombination aus Einführung der Infrastrukturabgabe und Absenkung der Kfz-Steuer zu einer faktischen Benachteiligung von EU-Ausländern führe und zu einer Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe „Infrastrukturabgabepflicht“ führe. Damit teilt der wissenschaftliche Dienst die an dieser Stelle vorherrschende Meinung in der Literatur, wie sie auch in diesem Diskussionsforum bereits vorgetragen wurde und wie sie in einer entgegengesetzten Expertenstellungnahme ebenfalls im Zuge der Öffentlichen Anhörung geäußert wurde (PDF, 231 KB).

Zweifel herrschen auch beim Bundesrat vor, welcher in seiner Stellungnahme vom 6. Februar 2015 (PDF, 116 KB) den Gesetzesentwurf abgelehnt hat und „grundsätzliche Bedenken“ hinsichtlich der Vereinbarkeit des Kompensationsmodells mit dem Unionsrecht äußert und auf die Gefahr hinweist, dass ein entsprechendes Urteil des EuGH letztlich dafür sorgt, dass auch inländische Pkw-Halter in vollem Umfang die Infrastrukturabgabe zahlen, ohne die vorgesehene Kompensation über die Kfz-Steuer zu erhalten. Um diese Einführung der deutschlandweiten Pkw-Maut „durch die Hintertür Brüssel“ zu verhindern, fordert der Bundesrat daher, sicherzustellen, dass im Falle der Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit die Infrastrukturabgabe in ihrer Gesamtheit entfällt. Indes geht aus der Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Bundesregierung hervor, dass unklar ist, wie der Bundesrat im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsprozesses beteiligt werden wird. Denn während der Bundesrat mit Verweis auf die Aufgabenübertragung auf die nach Landesrecht zuständigen Kfz-Behörden von einer Zustimmungsbedürftigkeit ausgeht, sieht die Bundesregierung weder einen der enumerativen Zustimmungstatbestände noch eine Berührung von Länderinteressen aufgrund der Einführung der Infrastrukturabgabe als gegeben. Auch an dieser Stelle dürfte es mithin noch zu Streitigkeiten kommen.

Auch im Verhältnis zur Europäischen Kommission legt der Bundesrat den Finger in die Wunde, wenn er fordert, es solle vor der Befassung des Bundestages eine abschließende Stellungnahme der Kommission zur Europarechtskonformität eingeholt werden, welche sich bislang in mehreren Schreiben ebenfalls kritisch zur Infrastrukturabgabe geäußert hat, zuletzt mittels Briefs der slowenischen Verkehrskommissarin Violeta Bulc Verkehrskommissarin Bulc an Minister Dobrindt, in der auch sie die mittelbare Diskriminierung von EU-Ausländern durch das Kompensationsmodell deutlich zum Ausdruck bringt. Die Bundesregierung erwiderte hierauf mit dem platten Verweis darauf, es sei nicht Aufgabe der Europäischen Kommission, zu laufenden Gesetzgebungsverfahren Stellung zu beziehen.

D. Fazit

Die zentrale Frage hinsichtlich der unionsrechtlichen Pkw-Maut ist und bleibt, ob es sich beim Kompensationsmodell um eine mittelbare Diskriminierung von EU-Ausländern handelt oder nicht. Sowohl die Europäische Kommission als auch der wissenschaftliche Dienst und ihnen folgend der Bundesrat halten es mit der Mehrheit in der rechtswissenschaftlichen Debatte und bejahen eine mittelbare Diskriminierung. Bedauerlicherweise scheint die Bundesregierung den Ansatz zu verfolgen, die Infrastrukturabgabe trotz der geäußerten Bedenken unbedingt gegen den Widerstand der Europäischen Kommission und vorbei am Bundesrat einzuführen und provoziert damit neben einem Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH auch eine Verfassungsbeschwerde des Bundesrates gegen die Einführung der Pkw-Maut. Stoppen könnte dieses Vorgehen kurzfristig indes der Bundespräsident, indem er die Unterzeichnung des Gesetzes mit Blick auf die vorgetragenen Bedenken unterlässt. Das würde zugleich die spannende und höchst umstrittene Rechtsfrage aufwerfen, inwiefern das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten auch das Unionsrecht umfasst. Die rechtliche Diskussion um die Einführung der Pkw-Maut jedenfalls ist mit Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag noch lange nicht beendet.

Anmerkung der Redaktion

Ass. iur. Daniel Engel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht sowie Sportrecht von Prof. Dr. Christoph Vedder an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg und promoviert zu einem europarechtlichen Thema.

Die Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben laut Medienberichten verlauten lassen, im Bundesrat die Einberufung des Vermittlungausschusses zu beantragen. Gleiches gilt für Österreich und die Niederlande hinsichtlich einer Anrufung des EuGH.

Net-Dokument BayRVR2015033001