Gesetzgebung

Bayerischer Bezirketag: Lage der Pflege – Positionen und Forderungen – „Ein zu oft verdrängtes Thema“

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Der „Pflege-Truck“ der Diakonie, Caritas und der beiden christlichen Kirchen ist derzeit in Bayern unterwegs. Man erkennt ihn sofort: FÜR 100 Prozent LIEBEVOLL GEPFLEGTE MENSCHEN ist sein Motto weit sichtbar zu sehen – auf grünem Hintergrund: GRÜN ist die Farbe der Hoffnung!

Was ist in Bayern passiert?

Die Landespflegesatzkommission hat den Personalschlüssel für die Pflege von durchschnittlich 1: 2,4 auf 1: 2,2 verbessert. Auch in der Hauswirtschaft ist eine Stellenschlüsselverbesserung vorgenommen worden.

Eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte wurde dadurch erreicht, indem die Wirtschaftlichkeit der Tarifwerke durch das 1. Pflegestärkungsgesetz in das SGB XI übernommen worden sind. Das heißt, dass die Tarifgebundenheit der Einrichtungsträger per se keine Unwirtschaftlichkeit darstellt. Die Einbeziehung der Tarifbindung hat in Bayern keine so ausschlaggebende Rolle, da in der Vergangenheit die Personalkosten zumindest am TVöD angelegt worden sind. Die Tarifwerke der Kirchen (AVR) haben sich dem Regelungswerk und den Tabellenentgelten nach dem TVöD weitestgehend genähert.

Im Zuge des 2. Pflegestärkungsgesetzes soll nun ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt werden. Unter anderem sollen sich die Betreuungsbedarfe von mit Demenz erkrankten Bewohnern in der Pflegeinstufung wiederfinden. Das könnte zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege führen. Nicht klar ist allerdings, ob dadurch das Betreuungspersonal neu auf die geplanten fünf Pflegestufen verteilt wird – oder ob das zu zusätzlichem Personal führt.

Die Anpassung der Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung im 1. Pflegestärkungsgesetz mit vier Prozent fängt bei weitem die durch die allgemeinen Kostensteigerungen bedingten Pflegesatzanpassungen nicht auf. Strukturelle Verbesserungen in der Pflege sind bei den Leistungsverbesserungen der gesetzlichen Pflegeversicherung überhaupt nicht berücksichtigt und gehen voll zu Lasten der Pflegebedürftigen also der Selbstzahler.

„100 Prozent liebevolle Pflege“ hat aber ihren Preis; und die Gesellschaft muss erkennen lassen, ob und in welchem Umfang sie bereit ist, die Mehraufwendungen zu tragen. Dies geht nur mit einer Beitragserhöhung in der Pflegeversicherung oder durch Steuerzuschüsse aus dem Bundeshaushalt. So ehrlich muss auch die „Pflege-Diskussion“ geführt werden.

Die Wahrnehmung des Berufes der Pflegefachkraft muss in der Gesellschaft eine andere werden. Ob hierzu die Schaffung von „Pflegekammern“ als eine Art „Ständevertretung“ beiträgt, lässt sich derzeit noch nicht abschließend beurteilen. Die Diskussion ist hier bundesweit voll im Gange. Der Ausgang ist offen. In Berlin ist derzeit eine Mehrheit dafür, in Bayern herrscht seit geraumer Zeit „Funkstille“.

Kontraproduktiv ist die oft pauschale Kritik am Personal bei Pflegemängeln. Hier wird eine ganze Berufsgruppe oftmals reißerisch unter Generalverdacht gestellt. Fehlverhalten gibt es in allen Berufsgruppen.

Die Beschäftigungsverhältnisse der Pflegekräfte sind oft in Teilzeit mit einem Mindestmaß an Stunden festgelegt. Das fördert die Attraktivität wenig. Hier haben die Träger noch viel Vertrauensarbeit zu leisten.

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung schlägt eine Neukonzeption des „Pflege-TÜV“ vor. Demnach sind die bisherigen Pflegenoten gescheitert. Allzu oft erzielten Heime eine „Bestnote“, die sie mit ihrer täglichen Arbeit aber nicht untermauern konnten. Die Politik ist hier oft ratlos. Zum einen will man unter dem Gesichtspunkt des „Verbraucherschutzes“ objektive Kriterien zum Vergleich entwickeln, andererseits ist die Vielschichtigkeit der „Qualität“ in einem Pflegeheim ein Grundproblem der Gesamtdarstellung. Eine tatsächliche Darstellung der Qualität einer Pflegeeinrichtung konnte der „Pflege-TÜV“ nicht wirklich erreichen. Wir Bezirke warten daher gespannt darauf, wie sich hier die Fachleute in Berlin positionieren und welche Ergebnisse dann erreicht werden.

Die Pflege ist vielen Menschen immer dann am wichtigsten, wenn sie selbst oder ein Verwandter diese brauchen. In der übrigen Zeit landet diese drängende Aufgabe im „Themen-Ranking“ weit abgeschlagen.

Zu wünschen ist der Pflege das gleiche „Schicksal“ wie der Autobahnmaut: Eine bundesweit kontroverse Diskussion, eine Partei, die sich dieses Thema zu einer Herzensangelegenheit macht und dann eine Bundesregierung, die die Verbesserungen auch im Bundestag und Bundesrat durchsetzt.

Bayerischer Bezirketag, Pressemitteilung v. 29.05.2015 (Richard Bartsch, Bezirkstagspräsident von Mittelfranken)