Gesetzgebung

Landtag: Gesundheitsausschuss – vdek und RWI stellen Gutachten „Krankenhausplanung 2.0“ vor

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Was muss getan werden, um die Krankenhausstruktur in Deutschland zukunftsorientiert den Bedürfnissen der Patienten anzupassen? Reicht es aus, die aktuellen Krankenhauspläne der Länder einfach nur „fortzuschreiben“? Auf diese und andere Fragen versucht ein Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) unter der Überschrift „Krankenhausplanung 2.0.“ Antworten zu geben. Das auf Initiative des Verbands der Ersatzkassen (vdek) erstellte Papier wurde am 16. Juni 2015 im Gesundheitsausschuss des Bayerischen Landtags vorgestellt und diskutiert. Die Mitglieder des Ausschusses werteten dabei die Empfehlungen des Gutachtens, das Reformen anmahnt und die Faktoren „Erreichbarkeit“ und „Qualität der Versorgung“ in den Mittelpunkt stellt, als „sehr gute Gedanken- und Diskussionsgrundlage“ im Prozess der anstehenden Krankenhausreform.

Laut RWI weist ein Drittel der Krankenhäuser in Deutschland jährlich Verluste aus, rund 16 Prozent stehen an der Schwelle zur Insolvenz. Hinzu kommen ineffiziente Versorgungsstrukturen in einem Umfeld, in dem personelle und finanzielle Ressourcen ohnehin immer knapper werden:

„Viele Probleme, die wir in den Krankenhäusern heute haben, sind die Folge der historisch gewachsenen, länderbezogenen Krankenhauslandschaft und deren schlichte Fortschreibung“, führte Dr. Boris Augurzky im Landtag aus.

Der Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit am RWI analysierte:

„Wir haben zu viele kleine Einheiten, eine zu hohe Krankenhausdichte, zu wenig Spezialisierung und keine klare Qualitätsorientierung.“

Von einer ungünstigen Krankenhausstruktur sind laut RWI-Gutachten insbesondere auch die süddeutschen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern betroffen, weil dort die Krankenhausdichte traditionell hoch sei und die tendenziell kleineren und oftmals baulich älteren Einheiten mit höheren Fixkosten konfrontiert seien, also weniger produktiv arbeiten könnten. Mit Blick darauf empfahl der Vertreter des RWI eine Reform der Krankenhausplanung, bei der nicht mehr – wie bisher – eine „standortbasierte“, sondern künftig eine „erreichbarkeitsorientierte“ Versorgungsplanung vorgenommen wird.

Hierzu müssen bundesweit allerdings erst einmal einheitliche Standards definiert werden. Das RWI empfiehlt, dass Kliniken der Grund- und Regelversorgung (zum Beispiel Innere Medizin, Allgemeine Chirurgie) innerhalb von 30 Pkw-Minuten erreichbar sein sollten. Bei Schwerpunkt- und Maximalversorgern sei die Qualität wichtiger als die Erreichbarkeit. Das RWI schlägt hier deshalb als Orientierungsmaßstab eine Erreichbarkeit von 60 Pkw-Minuten vor. Dr. Augurzky erklärte, dass auf Basis dieser vorgeschlagenen Richtwerte die Erreichbarkeitssituation in Deutschland sehr gut sei. Für mehr als 99 Prozent der Bevölkerung sei dieser Standard erfüllt. Aus Sicht des RWI würde deshalb eine Bündelung von Krankenhausstandorten in nennenswerter Größenordnung die Versorgungssicherheit der Patienten – auch im ländlichen Raum – kaum gefährden.

Einheitliche Kriterien schlägt das RWI-Gutachten zudem für die Notfallversorgung vor. Hier müßten die Zuständigkeiten der drei beteiligten Bereiche (ambulanter Sektor, Rettungsdienst und Krankenhäuser) klar geregelt und der kassenärztliche Bereitschaftsdienst, aber auch niedergelassene Ärzte mit eingebunden werden.

Ein weiterer wesentlicher Punkt des vorgestellten Gutachtens beschäftigt sich mit der Aufnahme des Kriteriums „Qualität“ in der Versorgungsplanung. Es sei wichtig, dass hier bundesweit eine ausreichende Transparenz über die erbrachte Ergebnis- und Indikationsqualität von Krankenhausleistungen hergestellt wird, heißt es in dem Gutachten. Bundesweit einheitliche Standards werden zudem hinsichtlich der Struktur- und Prozessqualität empfohlen.

Es gelte, schnell zu handeln, sonst brechen Strukturen weg, die wir dringend brauchen, erklärte nach der Präsentation Kathrin Sonnenholzner (SPD). Die Ausschussvorsitzende wies darauf hin, dass es sehr sinnvoll sei, die erreichbarkeitsorientierte Versorgung in Minuten und nicht in Kilometern zu messen. Dies sei gerade in unwegsamen Alpen- bzw. Mittelgebirgsregionen ein wichtiger Aspekt. Die SPD-Politikerin gab zudem zu bedenken, dass Krankenhäuser – insbesondere in entlegenen Gebieten – oftmals auch Aufgaben der ambulanten Versorgungen mit übernehmen müßten, weil niedergelassene Ärzte fehlten.

Stellvertretender Ausschussvorsitzender Bernhard Seidenath (CSU) bezeichnete die Empfehlungen des Gutachtens als „sehr gute Gedanken- und Diskussionsgrundlage“ in dem laufenden politischen Prozess. Keinesfalls dürften die Vorschläge aber zu Rückschritten oder zu einer Verschlechterung der Patientenversorgung in Bayern führen, erklärte er. Mit Blick auf die vorgestellten, bundesweit einheitlichen Ansätze bei der Krankenhausplanung meldete Seidenath seine Bedenken an, ob damit nicht in unzulässiger Weise in bayerische Gesetzgebungskompetenzen eingegriffen werde.

Neben Dr. Boris Augurzky, Leiter Kompetenzbereich RWI, Gesundheit, nahmen an der Diskussion mit den Abgeordneten im Landtag auch Dr. Ralf Langejürgen, Leiter des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), Landesvertretung Bayern, und dessen Stellvertreter, Dr. Sergej Saizew, teil.

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Sitzungen – Aus den Ausschüssen v. 16.06.2015 (von Katja Helmö)