Gesetzgebung

EU-Kommission: Kommission leitet bezüglich der Einführung einer Straßennutzungsgebühr für private Kraftfahrzeuge („PKW-Maut“) Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein

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Deutschland hat am 8. Juni 2015 ein Gesetz zur Einführung einer Straßennutzungsgebühr für PKW verabschiedet. Gleichzeitig wurde ein Gesetz verabschiedet, das Haltern von in Deutschland zugelassenen PKWs die Befreiung von der Kfz-Steuer in Höhe der Straßennutzungsgebühr garantiert. Somit werden in Deutschland zugelassene PKW – und allein diese – de facto von der Straßennutzungsgebühr ausgenommen[1].

Verkehrskommissarin Violeta Bulc sagte: „Eine Straßennutzungsgebühr ist nur dann EU-rechtskonform, wenn sie nicht auf Grund der Staatsangehörigkeit diskriminiert. Wir haben erhebliche Zweifel, ob die einschlägigen deutschen Gesetze diesem Grundsatz entsprechen. Deshalb sind wir umgehend tätig geworden und räumen diese Zweifel im Interesse der EU-Bürger im Vertragsverletzungsverfahren aus“.

Die hauptsächlichen Bedenken der Kommission betreffen den Aspekt der indirekten Diskriminierung auf Basis der Staatsangehörigkeit. Diese Diskriminierung findet auf zwei Ebenen statt: Zum einen werden deutsche Nutzer – und allein diese – die Straßennutzungsgebühr nicht zahlen, weil ihre Kfz-Steuer um den exakten Betrag der Gebühr gesenkt wird. Zum anderen sind die Preise für Kurzzeitvignetten, die typischerweise für ausländische Nutzer vorgesehen sind, überproportional teuer.

Hintergrund

Seit der politischen Ankündigung dieser Maßnahme 2013 ist die Europäische Kommission in intensivem Kontakt mit den deutschen Behörden über die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Europarecht. Auf Basis einer gründlichen rechtlichen Analyse hat die Kommission mehrmals ihre Bedenken sowohl auf Expertenebene als auch auf politischer Ebene gegenüber dem zuständigen Bundesminister geäußert. Nach Bekanntgabe des endgültigen Gesetzestextes musste die Kommission bedauerlichwerweise feststellen, dass die grundsätzlichen von der Kommission bislang vorgetragenen rechtlichen Bedenken wegen der Diskriminierung auf Basis der Staatsangehörigkeit unverändert fortbestehen. Aus Sicht der Kommission führt die teilweise auch als „Ausländermaut“ bezeichnete neue Straßennutzungsgebühr für PKW dazu, dass EU-Ausländer im Ergebnis stärker belastet werden als deutsche Staatsangehörige. Bei entsprechenden Straßennutzungsgebühren im EU-Ausland (z.B. in Österreich und in Slowenien) ist eine solche Diskriminierung nicht festzustellen, was auch auf erfolgreiche Interventionen der Kommission zurückzuführen ist.

Nach der Veröffentlichung der deutschen Gesetze im Bundesgesetzblatt am 11. Juni 2015 wird die Kommission nun entsprechend dem ihr von allen 28 EU-Mitgliedstaaten erteilten Auftrag, als „Hüterin der Verträge“ über deren Einhaltung zu wachen, umgehend tätig und hat den deutschen Behörden das entsprechende Mahnschreiben übermittelt. Die Kommission ist weiterhin bereit, in dieser Angelegenheit konstruktiv mit den deutschen Behörden zusammenzuarbeiten.

Die Kommission befürwortet verhältnismäßige, entfernungsbasierte Nutzungsabgaben, die dem Verursacherprinzip und dem entsprechenden Beitrag zum Unterhalt der Infrastruktur besser Rechnung tragen. Im „Weissbuch Verkehr“ aus dem Jahr 2011 (PDF, 214 KB) empfiehlt die Kommission aus diesem Grund, die Straßennutzungsgebühren und die Kfz-Besteuerung so auszurichten, dass von der Preisgestaltung die richtigen Anreize für Nutzer ausgehen.

Die von Deutschland verabschiedete PKW-Maut deckt sich nicht mit den Zielen des „Weißbuchs Verkehr“ von 2011, weil kein Verhältnis zur Intensität der Straßennutzung besteht.

So geht es weiter: Die deutschen Behörden haben nun zwei Monate Zeit, um auf die im Aufforderungsschreiben unterbreiteten Argumente der Europäischen Kommission einzugehen. Sollte die Kommission zur Schlussfolgerung gelangen, dass die Reaktion auf dieses Schreiben nicht zufriedenstellend ist, wird sie über eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland befinden.

Europäische Kommission, Pressemitteilung Nr. IP/15/5200 v. 18.06.2015

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[1] „Gesetz zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen“ und „Zweites Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes und des Versicherungsteuergesetzes“.

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Redaktionelle Hinweise

Zur europarechtlichen Fragwürdigkeit des Vorhabens vgl. bereits den Beitrag von Ass. iur. Daniel Engel „Der Vorschlag zur Einführung einer Infrastrukturabgabe und das Unionsrecht“ v. 28.07.2014.

Zur Entwicklung beim Thema „Infrastrukturabgabe“ vgl. hier.

Bundesverkehrsminister Dobrindt hat in einem Interview vom heutigen Tage geäußert, vor Einführung der Maut eine Entscheidung des EuGH abzuwarten.