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BayVerfGH: Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen – Popularklage abgewiesen

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Die Regelung des § 1 b i. V. m. Anlage 2 WoGeV, wonach in den aufgeführten 89 Städten und Gemeinden die Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen 15 v. H. beträgt, verstößt nicht gegen Normen der Bayerischen Verfassung.

Sachverhalt

Nach § 558 Abs. 3 BGB dürfen Wohnungsmieten innerhalb von drei Jahren grundsätzlich nicht um mehr als 20 % erhöht werden (Kappungsgrenze). Der Prozentsatz beträgt 15 %, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist. Die Landesregierungen werden ermächtigt, die Gebiete mit Wohnungsmangel durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Auf dieser Grundlage hat die Bayerische Staatsregierung die mit der Popularklage angegriffene Regelung erlassen; danach gilt in 89 bayerischen Städten und Gemeinden eine auf 15 % herabgesetzte Kappungsgrenze.

Mit der Popularklage rügt der Antragsteller, die Herabsetzung der Kappungsgrenze stelle einen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht (Art. 103 BV) der Vermieter dar, der verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sei. In welchen Städten und Gemeinden Wohnungsmangel herrsche, sei ohne gebietsbezogene Ermittlungen bestimmt worden. Auch die Kündigungsbeschränkung nach § 577 a BGB bei Wohnungsumwandlung gelte für Wohnungsmangelgebiete. Trotzdem seien die Gebiete nicht identisch. Daraus ergebe sich auch ein Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 BV). Da die angegriffene Regelung die bundesrechtlichen Schranken des § 558 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BGB nicht beachte, sei das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) verletzt.

Entscheidung

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat die Popularklage am 16. Juni 2015 abgewiesen. Die Regelung des § 1 b i. V. m. Anlage 2 WoGeV, wonach in den aufgeführten 89 Städten und Gemeinden die Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen 15 v. H. beträgt, verstößt nicht gegen Normen der Bayerischen Verfassung.

1. a) Der Antragsteller hat Zweifel geäußert, ob die der angefochtenen Regelung zugrunde liegende Ermächtigung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Wären § 558 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BGB grundgesetzwidrig, so würde der angegriffenen Norm eine Ermächtigungsgrundlage fehlen; sie verstieße gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV). Über die Frage der Grundgesetzmäßigkeit der bundesrechtlichen Vorschriften des § 558 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BGB könnte der Verfassungsgerichtshof allerdings nicht selbst entscheiden. Käme er zu der Überzeugung, dass die Ermächtigungsgrundlage gegen das Grundgesetz verstößt, müsste er gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen. Zu einer solchen Vorlage besteht aber kein Anlass, weil nicht ersichtlich ist, dass die bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage des § 558 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BGB gegen das Grundgesetz verstößt und nichtig ist.

In der Popularklage finden sich keine hinreichenden Ansätze für eine Verletzung der Bestandsgarantie des Eigentums. Diese ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht schon dann infrage gestellt, wenn nicht die höchstmögliche Rendite aus dem Eigentumsobjekt erzielt werden kann. Hinzu kommt, dass die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung umso weiter ist, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht. Ziel der Kappungsgrenze von 20 % und insbesondere auch ihrer Absenkung auf 15 % in Wohnungsmangellagen, die regelmäßig in Ballungs- und Verdichtungsräumen zu finden sind, ist es, ein zu starkes Ansteigen der Mieten im Vergleichsmietenverfahren zu verhindern.

b) Das Rechtsstaatsprinzip ist auch nicht wegen eines offensichtlichen und schwerwiegenden Widerspruchs des § 1 b i. V. m. Anlage 2 WoGeV zur Ermächtigungsgrundlage ( 558 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BGB) oder zu weiteren damit im Zusammenhang stehenden bundesrechtlichen Vorschriften des Mietrechts verletzt. Das Verfahren bei der Gebietsauswahl stellt einen hinreichenden Bezug zu den örtlichen Verhältnissen her. Nachdem sich die Vorauswahl grundsätzlich auf Städte und Gemeinden in Ballungs- oder Verdichtungsräumen bezog, wurde diesen in einem zweiten Schritt Gelegenheit gegeben, im Rahmen von Aufnahmeanträgen die jeweilige Wohnungsmarktsituation als Selbsteinschätzung im Einzelfall näher dazulegen. Dabei bestand bei Bedarf auch die Möglichkeit, auf Teile einer Kommune bezogen zu argumentieren. Dass für die Beurteilung der Wohnungsmangellage zwingend eine Differenzierung nach Gemeindeteilen erforderlich sein könnte, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig sind Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass gegen die sich anschließende Prüfung der Staatsregierung rechtsstaatliche Bedenken zu erheben wären.

2. Die vom Antragsteller erhobenen Grundrechtsrügen haben ebenfalls keinen Erfolg.

a) Das Eigentumsgrundrecht (Art. 103 Abs. 1 BV) umfasst auch das Recht, Immobilien durch Vermietung wirtschaftlich zu nutzen. Die angegriffene Regelung stellt jedoch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 103 Abs. 2, Art. 158 Satz 1 BV dar, die dieses Recht zulässigerweise einschränkt. Der Normgeber hat insoweit von der ihm durch die bundesrechtliche Ermächtigung in 558 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BGB eingeräumten Regelungsbefugnis Gebrauch gemacht. Die Aufnahme bestimmter Kommunen in die Anlage 2 zu § 1 b WoGeV dient der Konkretisierung der Gebiete, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Inwieweit die Aufnahme einzelner Kommunen in die Anlage 2 sachwidrig sein könnte mit der Folge, dass keine verfassungsrechtlich zulässige Bestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums gegeben wäre, wird weder in der Popularklage nachvollziehbar dargelegt noch ist dies sonst ersichtlich.

b) Soweit der Antragsteller im Hinblick auf das Grundrecht der Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) rügt, der Verordnungsgeber habe unterstellt, dass jede Gemeinde mit mehr als 50.000 Einwohnern per se ein Wohnungsmangelgebiet sei, ist dies nicht nachvollziehbar. Eine Einwohnerzahl von mindestens 50.000 war lediglich eines der – plausiblen – Kriterien dafür, dass eine Stadt im Normgebungsverfahren förmlich beteiligt wurde. Die Auswahlentscheidung hat der Verordnungsgeber auf der Grundlage eines mehrfach gestuften Verfahrens erst nach zwei weiteren, auf einen Ausgleich der betroffenen Rechtspositionen von Mietern und Vermietern zielenden Verfahrensschritten sachlich vertretbar getroffen. Eine gravierende Störung des Verhandlungsgleichgewichts zwischen den Mietvertragsparteien ist daher nicht zu belegen. Es werden auch nicht alle bayerischen Städte mit über 50.000 Einwohnern von der angegriffenen Regelung erfasst.

c) Ein Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 BV) ist nicht ersichtlich. Aus einzelnen gleich formulierten Tatbestandsmerkmalen zur Wohnungsmangellage in 558 Abs. 3 Satz 2 BGB (Kappungsgrenze) und in § 577 a Abs. 2 Satz 1 BGB (Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung) ist nicht zwingend zu folgern, dass die danach jeweils möglichen Verordnungsregelungen für dieselben Gebiete gelten müssten. Die Regelungen in anderen Bundesländern sind für die Beurteilung der angegriffenen Vorschrift nicht relevant, weil dort andere Normgeber handeln. Die Verfassungsmäßigkeit einer landesrechtlichen Norm kann grundsätzlich nicht deshalb in Zweifel gezogen werden, weil andere Bundesländer keine vergleichbaren Regelungen getroffen haben. Im Übrigen ist die landesrechtliche Regelungsbefugnis vorliegend von den örtlichen Verhältnissen auf dem Mietwohnungsmarkt abhängig, die naturgemäß sehr unterschiedlich sind.

BayVerfGH, Pressemitteilung v. 22.06.2015 zur E. v. 16.06.2015, Vf. 12-VII-14 (die Entscheidung ist vorerst nur über die Website des BayVerfGH abrufbar (siehe dort „Ausgewählte Entscheidungen“).

Redaktionelle Hinweise

Der BayVerfGH hat folgende  L e i t s ä t z e  formuliert:

  1. Kommt der Verfassungsgerichtshof bei der Überprüfung einer bayerischen Rechtsverordnung zu der Überzeugung, dass die zugrunde liegende bundesrechtliche Ermächtigung gegen das Grundgesetz verstößt, hat er gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Die Gültigkeit der gesetzlichen Ermächtigung ist entscheidungserhebliche Vorfrage bei der Überprüfung der darauf beruhenden Verordnung.
  1. Im Hinblick auf § 558 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BGB besteht kein Anlass zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht, weil nicht ersichtlich ist, dass diese bundesrechtliche Ermächtigung gegen das Grundgesetz verstößt.
  1. Wird der landesrechtliche Normgeber aufgrund einer bundesrechtlichen Ermächtigung tätig, muss er die darin enthaltenen Vorgaben beachten. Eine Prüfung der abgeleiteten Norm auf ihre Vereinbarkeit mit dem Landesverfassungsrecht ist nur insoweit eröffnet, als die bundesrechtliche Ermächtigung dem landesrechtlichen Normgeber einen Gestaltungsspielraum einräumt.
  1. Die Regelung des § 1 b i. V. m. Anlage 2 WoGeV, wonach in den aufgeführten Gemeinden die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen 15 v. H. beträgt, verstößt nicht gegen Normen der Bayerischen Verfassung.
  1. Das von der Staatsregierung bei der Auswahl der Gemeinden angewandte Verfahren ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
  1. Aus einzelnen gleich formulierten Tatbestandsmerkmalen zur Wohnungsmangellage in § 558 Abs. 3 Satz 2 und § 577 a Abs. 2 Satz 1 BGB ist nicht zwingend zu folgern, dass die danach jeweils möglichen Verordnungsregelungen für dieselben Gebiete gelten müssten.

 

Zur Entwicklung im Bereich „Kappungsgrenze“ vgl. hier.