Gesetzgebung

Landtag: Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Versammlungsgesetzes (BayVersG) und des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) eingebracht

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Masked protestersAbgeordnete der CSU-Fraktion haben o.g. Gesetzentwurf eingebracht (LT-Drs. 17/7338 v. 06.07.2015). Dieser sieht bei Verstößen gegen das Schutzwaffen- und Vermummungsverbot schärfere Sanktionen vor: So sollen vormals als Ordnungswidrigkeit eingestufte Verstöße nunmehr als Straftaten verfolgt werden bzw. vormals als Ordnungswidrigkeit nach Art. 21 Abs. 2 BayVersG eingestufte Handlungen nunmehr als Ordnungswidrigkeit nach Art. 21 Abs. 1 anzusehen sein. Darüber hinaus soll Klarheit bei den Zuständigkeiten geschaffen werden: Die Neufassung von Art. 24 Abs. 2 BayVersG sieht ab Beginn der Versammlung die kumulative Zuständigkeit von Versammlungsbehörden (Kreisverwaltungsbehörden) und Polizei vor.

Wesentliche Änderungen

a) Art. 20 und 21 BayVersG (Straf- und Bußgeldvorschriften)

Der Kern der Gesetzesänderung ist die Erhöhung des Sanktionsrahmens, mithin die Änderungen der Art. 20 und 21 BayVersG (Änderungen im Gesetzestext fett markiert bzw. durchgestrichen):

Art. 20 – Strafvorschriften

(1) […] (2) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1.-4. […] 5. entgegen Art. 16 Abs. 1 eine Schutzwaffe oder einen einschlägigen Gegenstand mit sich führt,
6. entgegen Art. 16 Abs. 2 Nr. 1 an einer derartigen Veranstaltung teilnimmt oder den Weg dorthin zurücklegt oder
5.7. […]

Art. 21 – Bußgeldvorschriften

(1) Mit Geldbuße bis zu dreitausend Euro kann belegt werden, wer
1.-7. […] 8. entgegen Art. 16 Abs. 1 eine Schutzwaffe oder einen Gegenstand mit sich führt,
8. entgegen Art. 16 Abs. 2 Nr. 2 einen einschlägigen Gegenstand mit sich führt, oder
9. entgegen Art. 16 Abs. 2 Nr. 1 an einer Versammlung teilnimmt oder den Weg zu einer Versammlung zurücklegt oder
10.
9. entgegen Art. 18 Satz 1 an einer dort genannten Versammlung teilnimmt.
(2) Mit Geldbuße bis zu fünfhundert Euro kann belegt werden, wer
1.-4. […] 5. als Veranstalter entgegen Art. 10 Abs. 3 Satz 1 persönliche Daten nicht oder nicht richtig mitteilt, oder
6. entgegen Art. 13 Abs. 2 Satz 2 eine Mitteilung nicht machtoder
7. 
entgegen Art. 16 Abs. 2 Nr. 2 einen Gegenstand mit sich führt.

Änderung von Art. 20 BayVersG. Verstöße gegen das Schutzwaffenverbot des Art. 16 Abs. 1 BayVersG ebenso wie Verstöße gegen das Vermummungsverbot des Art. 16 Abs. 2 Nr. 1 BayVersG stellen hiernach keine Ordnungswidrigkeit mehr dar, sondern eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe betraft werden kann (bisher: Geldbuße bis 3.000 Euro). Mit der Hochzonung zur Straftat wird zudem der polizeiliche Handlungsspielraum erweitert: Im Unterschied zu Ordnungswidrigkeiten besteht bei Straftaten die Möglichkeit zur vorläufigen Festnahme nach § 127 StPO.

Der Gesetzentwurf begründet die Änderung von Art. 20 BayVersG (Hochzonung von Ordnungswidrigkeiten zu Straftaten) mit der zunehmenden Gewaltbereitschaft autonomer Linksextremisten. Zeichen hierfür seien nicht nur die Ausschreitungen zur Eröffnung der neuen EZB-Zentrale in Frankfurt/Main am 18.03.2015, sondern beispielsweise auch die Vorkommnisse in der Freien und Hansestadt Hamburg im Dezember 2013 oder die jährlichen Ausschreitungen um den 01. Mai in Berlin. Vermummung und das Mitführen von Schutzwaffen seien ein deutliches Indiz für Gewaltbereitschaft und einen unfriedlichen Versammlungsverlauf. Die Qualifikation als bloßes Verwaltungsunrecht werde dem Unrechtsgehalt nicht mehr gerecht. Entsprechende Verstöße erforderten vielmehr eine Strafbewehrung. Zudem seien Gewalttaten aus diesen Gruppierungen heraus gerade durch die Vermummung und die dadurch erschwerte Identifizierung der Straftäter nur schwer aufzuklären.

Laut Gesetzentwurf wird durch die Änderung des Art. 20 insoweit zur Rechtslage zurückgekehrt, die bis zur Änderung durch das Gesetz zur Änderung des BayVersG vom 22.04.2010 (GVBl. S. 190) galt. Das lässt aufhorchen, hatte doch das BVerfG im Rahmen einer einstweiligen Anordnung Vorschriften des BayVersG zunächst außer Kraft gesetzt und die zugrundeliegende Verfassungsbeschwerde erst im Hinblick auf die Änderungen durch das Gesetz v. 22.04.2010 als unzulässig eingestuft. Das soll Anlass für den folgenden kleinen Exkurs sein.

Exkurs: Das BayVersG und das BVerfG

Im Zuge der Föderalismusreform ging die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht vom Bund auf die Länder über. Als erstes Bundesland machte der Freistaat Bayern mit dem am 01.10.2008 in Kraft getretenen BayVersG von dieser Kompetenz Gebrauch. Gegen die ursprüngliche Fassung dieses Gesetzes erhoben mehrere Landesverbände von Gewerkschaften und Parteien sowie anderer nichtstaatlicher Organisationen Verfassungsbeschwerde. Ihr gleichzeitig gestellter Antrag, das BayVersG im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde außer Kraft zu setzen, hatte teilweise Erfolg: Der Erste Senat des BVerfG hat mit B. v. 17.02.2009 (1 BvR 2492/08 – BVerfGE 122, 342) mehrere Bußgeldvorschriften des BayVersG einstweilen außer Kraft gesetzt und die Befugnisse für polizeiliche Beobachtungs- und Dokumentationsmaßnahmen im Zusammenhang mit Versammlungen einstweilen modifizierend eingeschränkt.[1]

Dabei waren jedoch nur die Bußgeldvorschriften bezüglich der Bekanntgabe-, Anzeige- und Mitteilungspflichten der Veranstalter, der Mitwirkungspflicht des Leiters und des Militanzverbots der Teilnehmer einstweilen außer Kraft gesetzt.

Mit dem am 01.06.2010 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des BayVersG v. 22.04.2010 (GVBl. S. 190) hatte der bayerische Gesetzgeber (nunmehr mehrheitlich bestehend aus einer Koalition von CSU und FDP) die einstweilen außer Kraft gesetzten Bußgeldvorschriften größtenteils aufgegeben und auch im Übrigen zahlreiche weitere die Versammlungsfreiheit beschränkenden Vorschriften teils weitgehend abgeändert. Mit B. v. 21.03.2012 (1 BvR 2492/08) hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde hiernach als unzulässig eingestuft und nicht zur Entscheidung angenommen.[2]

Änderung von Art. 21 BayVersG. Verstöße gegen Art. 16 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG sollen nicht mehr nach Art. 21 Abs. 2 BayVersG, sondern nach Art. 21 Abs. 1 sanktioniert werden. Sie unterfallen damit einem höheren Bußgeldrahmen (bis zu 3.000 Euro statt bis zu 500 Euro).

b) Folgeänderungen (Art. 22 BayVersG und Art. 13 PAG)

Art. 22 BayVersG (Einziehung) wird entsprechend angepasst (Änderungen im Gesetzestext fett markiert bzw. durchgestrichen):

Art. 22 – Einziehung

1Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Art. 20 oder eine Ordnungswidrigkeit nach Art. 21 Abs. 1 Nr. 6 oder 10 oder nach Art. 21 Abs. 2 Nr. 4 oder 7 Art. 21 Abs. 1 Nrn. 6, 8 oder 9 oder Abs. 2 Nr. 4 bezieht, können eingezogen werden. 2§ 74a des Strafgesetzbuchs und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.

Auch Art. 13 PAG wird entsprechend angepasst (Änderungen im Gesetzestext fett markiert bzw. durchgestrichen):

Art. 13 – Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen

(1) Die Polizei kann die Identität einer Person feststellen
1.-3. […] 4. an einer Kontrollstelle, die von der Polizei eingerichtet worden ist, um Straftaten im Sinn von § 100a der Strafprozeßordnung (StPO) oder Art. 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, Abs. 2 Nr. 5 Abs. 2 Nrn. 5 bis 7 oder Ordnungswidrigkeiten im Sinn von Art. 21 Abs. 1 Nrn. 8 und 9 des Bayerischen Versammlungsgesetzes (BayVersG) zu verhindern,
5.-6. […] (2)-(3) […]

c) Art. 24 BayVersG – Zuständigkeiten

Der Gesetzentwurf reagiert auch auf eine Entscheidung des VG Regensburg v. 17.04.2014 (RN 9 K 14.508). Das VG Regensburg hatte (entgegen IMS vom 27.06.2013 – IE4-1204) entschieden, dass ab Beginn einer Versammlung ausschließlich die Polizei für den Vollzug des BayVersG sachlich zuständig sei, damit u. a. für die Entscheidung über die Auflösung einer Versammlung; dies gelte auch bei sog. Dauerversammlungen (wie sie zum damaligen Zeitpunkt insbesondere im Zusammenhang mit Asylbewerbern aufgetreten waren).

Diese Auslegung von Art. 24 Abs. 2 BayVersG, wonach die Zuständigkeit der Kreisverwaltungsbehörde ab Beginn einer Versammlung durch die Zuständigkeit der Polizei verdrängt werde, sei vom Gesetzgeber jedoch nicht intendiert gewesen, so der Gesetzentwurf.

Der Gesetzentwurf sieht daher folgende Neufassung von Art. 24 Abs. 2 vor (Änderungen im Gesetzestext fett markiert bzw. durchgestrichen):

Art. 24 – Zuständigkeiten

(1) […] (2) 1Zuständige Behörden im Sinn dieses Gesetzes sind die Kreisverwaltungsbehörden, ab Beginn der Versammlung die Polizei. 2In unaufschiebbaren Fällen kann die Polizei auch an Stelle der Kreisverwaltungsbehörde Maßnahmen treffen.
(2) 1Zuständige Behörden im Sinne dieses Gesetzes sind die Kreisverwaltungsbehörden. 2Ab Beginn der Versammlung und in unaufschiebbaren Fällen kann auch die Polizei Maßnahmen treffen.
(3)-(4) […]

Nach der Neuregelung des Art. 24 Abs. 2 Satz 1 bleiben die Kreisverwaltungsbehörden auch nach Beginn der Versammlung zuständig. Die polizeiliche Zuständigkeit nach Satz 2 ergänzt dies und tritt gleichrangig neben diese. Kreisverwaltungsbehörden und Polizei stimmen ihre Maßnahmen erforderlichenfalls aufeinander ab. Dies setze die bayerische Verwaltungspraxis seit jeher in bewährter Weise um, so der Gesetzentwurf.

Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Florian Herrmann, Josef Zellmeier, Norbert Dünkel, Alexander Flierl, Max Gibis, Manfred Ländner, Otto Lederer, Ludwig Freiherr von Lerchenfeld, Andreas Lorenz, Dr. Hans Reichhart, Peter Tomaschko – CSU – zur Änderung des Bayerischen Versammlungsgesetzes und des Polizeiaufgabengesetzes, LT-Drs. 17/7338 v. 06.07.2015 (Vorgangsmappe, PDF)

Ass. iur. Klaus Kohnen; Foto: (c) mario beauregard – Fotolia.com

Redaktioneller Hinweis: Zum aktuellen Stand bzw. Gang des Verfahrens: vgl. hier (inkl. redaktioneller Beiträge und ggfls. Stellungnahmen) bzw. hier (Vorgangsmappe des Landtags, PDF).

Net-Dokument BayRVR2015070601

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[1] Zur Pressemitteilung v. 27.02.2015: hier.

[2] Zur Pressemitteilung v. 08.05.2012: hier.