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BVerwG: Auch in Altfällen beurteilt sich die Spätaussiedlereigenschaft nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Übersiedlung

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Das Begehren eines Ehegatten oder Abkömmlings eines Spätaussiedlers auf Ausstellung einer eigenen Spätaussiedlerbescheinigung ist grundsätzlich nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Übersiedlung zu beurteilen. Die gesetzlichen Erleichterungen vom September 2013 bei der Beurteilung der deutschen Volkszugehörigkeit sind nicht auf „Altanträge“ von Personen anzuwenden, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits in das Bundesgebiet übergesiedelt waren. Dies hat heute das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.

Die Klägerin ist in der ehemaligen Sowjetunion geboren und hatte 1993 einen Aufnahmeantrag als Spätaussiedlerin gestellt, der nicht ausdrücklich beschieden worden war. In der Folgezeit wurde sie in den Aufnahmebescheid der Mutter einbezogen und reiste 1999 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Einen 2008 gestellten Antrag auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung lehnte das Bundesverwaltungsamt ab, weil die Voraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft in eigener Person (u.a. durchgängiges Bekenntnis zum deutschen Volkstum; innerfamiliärer Spracherwerb) nicht nachgewiesen worden seien. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die beklagte Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, einen nachträglichen Aufnahmebescheid zu erteilen und eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) auszustellen. Die Spätaussiedlereigenschaft sei nach der im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung geltenden, am 14. September 2013 in Kraft getretenen Fassung des Zehnten BVFG-Änderungsgesetzes zu beurteilen, das nicht mehr auf ein durchgängiges Bekenntnis zum deutschen Volkstum abstelle und auch keinen innerfamiliären Erwerb grundlegender Kenntnisse der deutschen Sprache verlange. Jedenfalls diese abgesenkten Voraussetzungen erfülle die Klägerin.

Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat klargestellt, dass Personen, die als Ehegatte oder Abkömmlinge in den Aufnahmebescheid eines Spätaussiedlers einbezogen und danach in das Bundesgebiet übergesiedelt waren, grundsätzlich kein Rechtsschutzinteresse an der Erteilung eines nachträglichen Aufnahmebescheides als Spätaussiedler haben. Sie sind bereits im Wege des Aufnahmeverfahrens in das Bundesgebiet eingereist und können auch ohne einen solchen Aufnahmebescheid geltend machen, in eigener Person Spätaussiedler zu sein. Ob der Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers auch in eigener Person alle Voraussetzungen eines Spätaussiedlers erfüllt, beurteilt sich dabei grundsätzlich nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Übersiedlung. Der Gesetzgeber kann – unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes – eine andere Gesetzeslage als maßgeblich bestimmen; dies hat er einmalig im Jahre 2001 im Spätaussiedlerstatusgesetz für die vor einem bestimmten Stichtag gestellten Anträge auch getan (§ 100a BVFG). Die durch das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz im Jahre 2013 für künftige Aufnahmeverfahren geschaffenen Erleichterungen (Verzicht auf das Erfordernis eines durchgängigen Bekenntnisses zum deutschen Volkstum oder eines auch innerfamiliären Erwerbs der erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache) hat der Gesetzgeber indes gerade nicht auf Personen erstreckt, die bereits in das Bundesgebiet übergesiedelt waren; für diese Personen verbleibt es bei der bisherigen Rechtslage. Das Oberverwaltungsgericht wird nun die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachzuholen und dann zu entscheiden haben, ob die Klägerin nach der für sie weiterhin maßgeblichen bisherigen Rechtslage Spätaussiedlerin ist; dies hätte Auswirkungen u.a. auf ihre Rente.

Das Parallelverfahren BVerwG 1 C 30.14 wurde aus den gleichen Gründen zurückverwiesen.

BVerwG, Pressemitteilung v. 16.07.2015 zu den U. v. 16.07.2015, 1 C 29.14 und 1 C 30.14

Vorinstanzen (1 C 29.14):

Vorinstanzen (1 C 30.14):

Redaktioneller Hinweis: Zum Thema „Spätaussiedler“ vgl. auch die Themenseite des StMAS.