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BVerwG: Eingeschränkte gerichtliche Kontrollbefugnis bei der Überprüfung von Visumanträgen

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Den Auslandsvertretungen steht bei der Bescheidung von Visumanträgen nach dem Visakodex der Europäischen Union ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Das hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) bereits im Dezember 2013 entschieden. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem heute verkündeten Urteil hieraus die Konsequenz gezogen, dass die gerichtliche Überprüfung der Behördenentscheidung nur eingeschränkt möglich ist.

Der Entscheidung lag der im Jahr 2010 gestellte Visumantrag eines im Iran lebenden 59-jährigen afghanischen Staatsangehörigen zugrunde, der seinen in Deutschland lebenden Sohn besuchen will. Das hierfür beantragte Schengen-Visum lehnte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Teheran ab. Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht wies die Klage hingegen ab. Die Behörde habe zu Recht angenommen, dass begründete Zweifel an der Rückkehrbereitschaft des Klägers bestehen. Nach dem Urteil des EuGH vom Dezember 2013 hätten die zuständigen Behörden bei der Prüfung der Visumanträge einen weiten Beurteilungsspielraum, der eine eingeschränkte gerichtliche Kontrollbefugnis zur Folge habe. Danach sei die ablehnende Entscheidung der Auslandsvertretung nicht zu beanstanden.

Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis bestätigt und die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines einheitlichen Schengen-Visums, da nach der gerichtlich nicht zu beanstandenden Bewertung der Auslandsvertretung begründete Zweifel an seiner Rückkehrbereitschaft bestehen (Art. 23 Abs. 4 i.V.m. Art. 21 und 32 Abs. 1 Buchst. b) Visakodex). Die zuständigen Auslandsvertretungen verfügen bei der Prüfung der Visumanträge über einen „weiten Beurteilungsspielraum“, der sich auf die Auslegung der Verweigerungsgründe und die Würdigung der hierfür maßgeblichen Tatsachen bezieht. Das hat der EuGH mit Urteil vom 19. Dezember 2013 (C-84/12, Koushkaki) entschieden. Konsequenz ist, dass die Verwaltungsgerichte die ablehnende Entscheidung der Auslandsvertretung nur eingeschränkt überprüfen dürfen. Zwar ist nach dem unionsrechtlichen Grundsatz der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens und die Bestimmung der gerichtlichen Kontrolldichte grundsätzlich Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung. Der EuGH hat aber den „weiten Beurteilungsspielraum“ der Auslandsvertretungen mit der Komplexität der Bewertung, dem Prognosecharakter der Entscheidung sowie der Sachnähe der Auslandsvertretung begründet. Diese Vorgaben sind auch bei der gerichtlichen Kontrolle nach nationalem Recht zu beachten. Die gerichtliche Kontrolle richtet sich deswegen nach den Maßstäben, die bei der Überprüfung in Fällen eines behördlichen Beurteilungsspielraums nach deutschem Recht gelten. Das Berufungsgericht ist der Sache nach von diesen Grundsätzen ausgegangen, so dass seine Entscheidung nicht zu beanstanden war.

BVerwG, Pressemitteilung v. 17.09.2015 zum U. v. 17.09.2015, 1 C 37.14

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