Gesetzgebung

Landtag: Europa-Ausschuss – Anhörung zum internationalen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (TiSA)

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Wie geht man handelsrechtlich im Zeitalter des Web 2.0 mit grenzübergreifenden Dienstleistungen um? Die Abkürzung „TiSA“ steht für „Trade in Services Agreement“, auf deutsch: Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen. Hierbei handelt es sich um eine Sammlung von Vereinbarungen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen 23 Parteien einschließlich der USA und der Europäischen Union. Diese Parteien verhandeln derzeit noch über das Abkommen, das weltweit den Handel mit Dienstleistungen liberalisieren soll. Über den Stand der Verhandlungen und mögliche Auswirkungen des Abkommens haben die Abgeordneten des Europa-Ausschusses jetzt mit Experten diskutiert.

Die 50 Staaten, die über TiSA verhandeln, exportieren weltweit zwei Drittel aller Dienstleistungen, wozu Branchen wie Verkehr, Finanzen, Bildung oder Gesundheit zählen. TiSA soll zum Nachfolgeabkommen des General Agreement on Trade in Services (GATS) werden, das die Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 1995 verabschiedet hatte.

Lutz Güllner, Referatsleiter in der Generaldirektion Handel der EU-Kommission, gehört dem Team an, das für die Europäische Union seit März 2013 die Verhandlungen führt. Handelsabkommen seien nicht „die Monster, als die sie oft dargestellt werden“. In ihre Komplexität würde von vielen Seiten „viel zu viel hineininterpretiert“. Zwar werde geheim verhandelt, aber das Europäische Parlament habe zum Beispiel vollen Einblick in alle Papiere und über den Stand der Verhandlungen. Bei TiSA gehe es nun darum, neue Instrumente zu schaffen für eine neue Lage. Beim letzten Abkommen 1995 habe es zum Beispiel das Internet in seiner heutigen Form nicht gegeben. Im übrigen sei es für Unternehmen aus außereuropäischen Staaten häufig viel leichter, in Europa Handel zu treiben als für EU-Firmen im jeweiligen Ausland.

Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forums Umwelt & Entwicklung in Berlin, erklärte, um TiSA beurteilen zu können, müsste man gleichzeitig die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA betrachten.

Sie alle beruhen auf der überholten Ideologie, dass mehr Liberalisierung und mehr Globalisierung den Menschen weltweit zu mehr Wohlstand verhelfen“, sagte Maier.

Er kämpfe dagegen, immer weitere Lebensbereiche Rendite-Prinzipien zu unterwerfen, „damit in jeder Fußgängerzone weltweit die selben 20 Ketten dominieren“.

Tanja Buzek vom EU-Verbindungsbüro der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (verdi) kritisierte, dass die TiSA-Verhandlungspartner geheim verhandelten und zum Beispiel Gewerkschaften nicht abschließend beurteilen könnten, ob TiSA Arbeitnehmerrechte einschränken werde. Nur dank wikileaks hätten Außenstehende hin und wieder einen Einblick in die Verhandlungsunterlagen. Und aus denen ergebe sich:

Es geht hier nicht mehr um den Abbau von Zöllen. TiSA wird tief in den Regulierungsbereich von Staaten eingreifen.“

Im übrigen stellten sogenannte Sperrklinkenklauseln bei TiSA sicher, dass die Liberalisierung immer nur erweitert, aber künftig nicht mehr rückgängig gemacht werden könne.

Frank Dollendorf, Bereichsleiter Außenwirtschaft bei der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, wies darauf hin, dass der Dienstleistungssektor erheblich zur Wertschöpfung beiträgt. Deutschland sei weltweit zweitgrößter Importeur von Dienstleistungen und drittgrößter Exporteur. Unternehmer seien vor allem an vereinheitlichten Einreisebestimmungen für ihre Mitarbeiter interessiert, an vereinfachtem Zahlungsverkehr durch Bankenabkommen sowie an Steuerfragen.

Deutschland ist eine Exportnation. Deshalb will die Bundesregierung möglichst offene Märkte“, erklärte Heinz Hetmeier, Referatsleiter für Handelspolitik im Bundeswirtschaftsministerium.

Ein Abkommen wie TiSA solle dafür sorgen, dass nicht nur UPS und FedEX in Deutschland Pakete ausliefern dürfen, sondern auch die deutsche DHL in den USA. Das sei vielerorts noch nicht möglich. Die von Tanja Busek angesprochenen Sperrklinkenklauseln seien für die öffentliche Daseinsvorsorge nicht geplant. Ihre Verhandlungsposition habe die Bundesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden in einem gemeinsamen Positionspapier abgestimmt.

Und die Formulierung zur öffentlichen Daseinsvorsorge ist bei TiSA identisch mit der vom GATS-Abkommen 1995“, schloss Hetmeier.

Es sei zum Beispiel schon seit Jahrzehnten möglich, dass ausländische Investoren in private Pflegeheime investierten.

Besondere Verwerfungen haben sich dadurch aus meiner Sicht nicht ergeben.“

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Sitzungen – Aus den Ausschüssen v. 13.10.2015 (von Jan Dermietzel)