Gesetzgebung

Bundesrat: Beschlüsse der 938. Sitzung vom 06.11.2015

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Bundesrat_Fotolia_24218206_S_copyright - passKein Bundesgesetz ohne Bundesrat. Meist frühzeitig in die Gesetzgebung eingebunden und i.d.R. das letzte Organ, das inhaltlich mit einer Gesetzesänderung befasst ist, sind seine Beschlüsse ein gutes Gesetzgebungsradar sowohl hinsichtlich der Gesetze, die in Kürze verkündet werden, als auch hinsichtlich der Gesetze, die sich anderweitig im Verfahren befinden. Auf o.g. Sitzung wurden u.a. nachfolgende Beschlüsse gefasst.

I. Gebilligte Gesetze

Der Bundesrat billigte u.a. nachfolgende Gesetzesbeschlüsse des Bundestages.

Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner [TOP 3]

Stichworte: Ergänzung des Begriffs „Ehegatte“ durch den Begriff „Lebenspartner“; Änderung zahlreicher Gesetze und Rechtsverordnungen, u.a. auch § 48 Nr. 3 AsylVfG: Hiernach endet die Verpflichtung, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, nunmehr auch dann vorzeitig, wenn durch die Begründung einer Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet die Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht (zuvor war nur die Ehe erfasst).

Gesetz zur Bekämpfung der Korruption [TOP 4]

Stichworte: Erweiterung der Strafbarkeit der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr; Erweiterung auf Taten von und gegenüber Europäischen Amtsträgern sowie von und gegenüber Mitgliedern von Gerichten der EU; Erfassung von bestimmten Bediensteten und Richtern ausländischer und internationaler Behörden und Gerichte; Vortatenkatalog Geldwäsche; Überführung von Bestechungsvorschriften des Nebenstrafrechts ins StGB; Umsetzung internationaler Vorgaben (Strafrechtsübereinkommen des Europarats vom 27. Januar 1999 über Korruption und des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 31. Oktober 2003 gegen Korruption). 

Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten [TOP 6] 

Stichworte: Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung resp. Bestandsdatenauskunft; Beachtung der Urteile des BVerfG und des EuGH.

Speicherung

Verpflichtung der TK-Anbieter, die Rufnummern der an einem Telefongespräch beteiligten Anschlüsse, Zeitpunkt und Dauer des Anrufs sowie IP-Adressen einschließlich Zeitpunkt und Dauer der Vergabe der IP-Adressen für zehn Wochen zu speichern. Darüber hinaus müssen sie die Standortdaten bei Handy-Gesprächen vier Wochen lang vorhalten. Nicht gespeichert werden dürfen der Inhalt der Kommunikation, aufgerufene Internetseiten sowie Daten zum E-Mail-Verkehr. Die Datenspeicherung darf ausschließlich im Inland erfolgen.

Abruf

Abruf durch Strafverfolgungsbehörden zur Verfolgung bestimmter besonders schwerer Straftaten, die auch im Einzelfall schwer wiegen müssen – hierunter gehören vor allem terroristische Straftaten und solche gegen höchstpersönliche Rechtsgüter, insbesondere Leib, Leben, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmtheit; die Länder dürfen diese Daten zur Gefahrenabwehr nur dann abrufen, wenn eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder des Landes besteht und eine entsprechende landesgesetzliche Eingriffsermächtigung vorhanden ist; grundsätzlich Richervorbehalt; Unterrichtung der Betroffenen vom Datenabruf; Verkehrsdaten in Bezug auf alle nach § 53 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Personen (insbesondere Geistliche, Rechtsanwälte, Ärzte, Journalisten) dürfen nicht abgerufen werden; Funkzellenabfrage (Präzisierung der Voraussetzungen).

Datensicherheit

Sicherung gegen unbefugte Kenntnisnahme und Verwendung; Verschlüsselungsverfahren verwenden und die Speicherung in gesonderten Speichereinrichtungen mit einem hohen Schutz vor Zugriffen aus dem Internet erfolgen. Vorgesehen sind zudem die revisionssichere Protokollierung des Zugriffs sowie die Gewährleistung des Vier-Augen-Prinzips für den Zugriff auf die Daten; neuer Straftatbestand der Datenhehlerei (§ 202d StGB).

Weitere Informationen (z.B. Stellungnahmen aus dem Freistaat, Genese des Vorhabens).

Vierzehntes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes [TOP 9]

Stichworte: Umsetzung der RL 2011/70/Euratom über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle; Nationales Entsorgungsprogramm.

Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes zur Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 7. November 2013 in der Rechtssache C-72/12 [TOP 10]

Stichworte: gerichtliche Überprüfung von Verfahrensfehlern; Aufhebungsanspruch; deutlichere Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Verfahrensfehlern; Vorschriften über die Behandlung absoluter Verfahrensfehler künftig nicht nur für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen über die Zulassung von Vorhaben, für die eine UVP-Pflicht bestehen kann, sondern auch für Rechtsbehelfe gegen Zulassungsentscheidungen für Industrieanlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie 2010/75/EU.

Gesetz über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2015 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2015) [TOP 48]

Stichworte: Anpassung an die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels vom 24.09.2015; Entlastung von Ländern und Kommunen 2015 von insgesamt 2 Mrd. EUR (also Erhöhung um 1 Mrd. EUR); haushaltsrechtliche Ermächtigung für die Bildung einer Rücklage zur Finanzierung von Belastungen des Bundes im Zusammenhang mit der Aufnahme von Asylbewerbern und Flüchtlingen, die durch die strukturelle, dauerhafte und dynamische Beteiligung des Bundes an den Kosten der Länder und Kommunen und durch die Aufwendungen im Bundesbereich entstehen (der Rücklage werden 5 Milliarden Euro zugeführt; ab 01.01.2016 übernimmt der Bund pauschal 670 Euro pro Monat vom Zeitpunkt der Registrierung bis zum Bescheid durch das BAMF; zusammen mit weiteren finanziellen Zusagen etwa für den sozialen Wohnungsbau und die Betreuung unbegleiteter Minderjähriger sollen die Länder 2016 mit mehr als vier Milliarden Euro entlastet werden); einmalige Zuweisung an den „Energie- und Klimafonds“ (EKF) aus dem Bundeshaushalt in Höhe von 1,3 Mrd. EUR für Effizienzmaßnahmen im Gebäudebereich in den Kommunen und in der Industrie.

Entschließung der Länder: Länder sehen Mittel für die Kinderbetreuung als unzureichend an (erforderlich seien 1 Mrd. Euro/Jahr; Art. 8 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz sieht für die Jahre 2016 bis 2018 lediglich Mittel in Höhe von 339 Mio., 774 Mio. bzw. 870 Mio. Euro für die Entlastung der Länder vor; Verabredung v. 24. September 2015, dass die Bundesregierung die Kinderbetreuung weiter unterstützen wird, sei daher unzureichend erfüllt); Länder fordern mehr Unterstützung beim sozialen Wohnungbau.

II. Landesinitiativen

Es standen u.a. folgende Landesinitiativen auf der Tagesordnung:

Entschließung des Bundesrates zum Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur internationalen Initiative Open Government Partnership [TOP 23]

Antrag: NRW, HH 

Stichworte: Aufforderung an die Bundesregierung, das Beitrittsgesuch der BRD zur internationalen Initiative „Open Government Partnership“ (OGP) auf den Weg zu bringen; internationale Initiative, die von den Regierungen der teilnehmenden Staaten Verbesserungen auf den Gebieten Transparenz, Bürgerbeteiligung, Korruptionsbekämpfung und Rechenschaftslegung fordert; zentraler Bestandteil sei dabei ein in einem öffentlichen Konsultationsverfahren zu erarbeitender nationaler Aktionsplan. Der OGP seien mittlerweile über 66 Staaten beigetreten, darunter die überwiegende Mehrzahl der Mitgliedstaaten der EU beziehungsweise der OECD.

Beschluss: Einbringung.

Entschließung des Bundesrates zum Erfordernis der europarechtlich zulässigen De-Minimis-Regelung für Windenergieanlagen [TOP 25]

Antrag: NRW

Stichworte: umfangreichere Anwendung der De-Minimis-Regelung für Windenergieanlagen; WKA, für die als Grenzwert eine installierte Stromerzeugungskapazität von sechs Megawatt oder sechs Erzeugungseinheiten gilt, seien von einer Ausschreibung auszunehmen; Aufforderung zur Aufnahme der De-Minimis-Regelung in den Regierungsentwurf zum EEG 2016.

Beschluss: Annahme.

Entschließung des Bundesrates zum Erfordernis einer Regionalisierungskomponente für die Ausschreibung bei Wind an Land [TOP 47]

Antrag: RLP, BW, TH

Beschluss: Ausschusszuweisung

Entschließung des Bundesrates zur weiteren Optimierung des Asylverfahrens [TOP 46]

Antrag: Sachsen

Stichworte: Beschleunigung des gerichtlichen Asylverfahrens vor den Verwaltungsgerichten; Vermeidung von Terminsverlegungen; obligatorische Einrichtung von Asylkammern; erweiterte Einsatzmöglichkeiten für Proberichter.

Beschluss: Ausschusszuweisung.

III. Gesetzentwürfe der Bundesregierung

Es wurde u.a. zu nachfolgenden Gesetzentwürfen der Bundesregierung Beschluss gefasst.

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit [TOP 28]

Stichworte: Unabhängigkeit und Neutralität gerichtlich bestellter Sachverständiger durch größere Transparenz im gerichtlichen Auswahlverfahren; Ernennung qualifizierter Sachverständiger durch die Gerichte.

Beschluss: Stellungnahme.

Entwurf eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes [TOP 29]

Stichworte: Umsetzung europarechtlicher Vorgaben insbesondere in den Bereichen Flugroutenfestlegung, Flughäfen und Flugbetrieb; Klarstellung, dass die UVP bereits bei der Planfeststellung eines Flughafens den gesamten räumlichen Einwirkungsbereich einbeziehen muss (bei der Prüfung der Umweltauswirkungen müssen daher auch die Bereiche betrachtet werden, in denen An- und Abflugverkehr für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann); Zeugnis für Flugplatzbetreiber; Hubschrauber der Luftrettung.

Beschluss: Stellungnahme.

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes [TOP 30]

Stichworte: größere WLAN-Abdeckung in Deutschland; Haftung der Betreiber für Rechtsverletzungen ihrer Nutzer; Störerhaftung; kein Haftungsprivileg für Hostbetreiber, deren Geschäftsmodell im Wesentlichen auf der Verletzung von Urheberrechten aufbaut.

Weitere Informationen (z.B. Stellungnahmen aus dem Freistaat, Genese des Vorhabens). 

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes [TOP 31]

Stichworte: umfassende Novellierung und Neufassung.

Entwurf eines Gesetzes zur Nachhaftung für Rückbau- und Entsorgungskosten im Kernenergiebereich (Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetz – Rückbau- und EntsorgungskostennachhaftungsG) [TOP 32] 

Stichworte: Atomausstieg; Insolvenz von Atomkraftwerksbetreibern; Haftung des Mutterkonzerns; langfristige Nachhaftung jedes Unternehmens, das eine Betreibergesellschaft von Kernkraftwerken beherrscht, für die Kosten der Stilllegung und des Abbaus der Kernkraftwerke sowie für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle.

Beschluss: Stellungnahme.

IV. EU-Vorlagen

Es wurde u.a. folgende EU-Vorlage behandelt:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat und den Rat: Bewältigung der Flüchtlingskrise – operative, haushaltspolitische und rechtliche Sofortmaßnahmen im Rahmen der Europäischen Migrationsagenda [TOP 35]

In ihrer Mitteilung hat die Kommission in Ergänzung der im Mai 2015 vorgelegten Migrationsagenda weitere konkrete Schritte zur Bewältigung der Flüchtlingskrise vorgestellt. Die Mitteilung sieht eine Reihe vorrangiger Maßnahmen vor, die in den kommenden sechs Monaten ergriffen werden sollen. Dabei gehen kurzfristige Maßnahmen zur Stabilisierung der derzeitigen Lage mit längerfristigen Maßnahmen zur Schaffung eines dauerhaften soliden Systems einher.

V. Rechtsverordnungen

Es wurde u.a. folgende Rechtsverordnung behandelt:

Dritte Verordnung zur Änderung der Trinkwasserverordnung [TOP 42]

Stichworte: Umsetzung der RL 2013/51/EURATOM v. 22. Oktober 2013 zur Festlegung von Anforderungen an den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung hinsichtlich radioaktiver Stoffe in Wasser für den menschlichen Gebrauch.

Beschluss: Zustimmung mit Änderungen.

VI. Nützliche Links mit weiteren Informationen

Die verlinkten Tagesordnungspunkte (TOP) führen zur Sitzungswebsite des Bundesrates. Dort sind u.a. die Stellungnahmen des Bundesrates abrufbar und die wesentlichen Inhalte des behandelten Tagesordnungspunkts meist zusammengefasst („Erläuterungen zum Tagesordnungspunkt“). Darüber hinaus findet sich dort ein Link zum DIP (Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentarische Vorgänge): Dort ist der aktuelle Stand und Gang des Verfahrens dokumentiert.

Eine konzise Zusammenfassung der Bundesrats-Beschlüsse und Stellungnahmen zu wesentlichen Tagesordnungspunkten enthält zudem die Rubrik „Plenum kompakt“.

Eine Übersicht über das Abstimmungsverhalten des Freistaates Bayern nebst dem Gesamtergebnis der Abstimmung findet sich hier (PDF, 330 KB).

Ass. iur. Klaus Kohnen; Foto: (c) Aleix Cortadellas – Fotolia.com