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BayVGH: Partei „Die Freiheit“ darf vom Verfassungsschutz beobachtet werden

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Mit zwei Urteilen vom 22. Oktober 2015, zu denen die schriftlichen Urteilsgründe jetzt vorliegen, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) die Rechtmäßigkeit der Aufnahme des Landesverbands Bayern der Partei „Die Freiheit“ (Klägerin) in den Verfassungsschutzbericht 2013 sowie die Rechtmäßigkeit von Aussagen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zur verfassungsschutzrelevanten „Islamfeindlichkeit“ der Partei bestätigt. Zwei diesbezügliche Urteile des Verwaltungsgerichts München vom 16. und 17. Oktober 2014 hat der BayVGH entsprechend abgeändert [red. Hinweis: vgl. hier und hier]

Die Klägerin wird seit dem Frühjahr 2013 durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Laut Verfassungsschutzbericht 2013 verfolge die Klägerin verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebungen und wende sich mit pauschal diffamierenden Äußerungen gegen Mitbürger islamischer Religionszugehörigkeit. „Die Freiheit“ Bayern differenziere in ihren Verlautbarungen in der Regel nicht zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politischer Ideologie. Der Koran werde als „das gefährlichste Buch der Welt“ verunglimpft.

Zur Begründung seiner Urteile legt der BayVGH dar, dass die Betätigungsfreiheit und Chancengleichheit politischer Parteien in der Entscheidung des Grundgesetzes für eine „streitbare Demokratie“ ihre Schranken fänden. Das staatliche Informationshandeln messe sich vorliegend an den einschlägigen Normen des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, nach denen die Öffentlichkeit über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten unterrichtet wird, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind.

Die vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vorgelegten Erkenntnisse begründeten nicht nur einen „bloßen Verdacht“ verfassungsfeindlicher Bestrebungen der Klägerin. Es ergäben sich vielmehr hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in einer mit dem Grundgesetz unvereinbaren Weise die Religionsfreiheit der in der Bundesrepublik lebenden Muslime einschränken und damit die freiheitliche demokratische Grundordnung insoweit außer Geltung setzen wolle.

Eine Revision gegen die Urteile hat der BayVGH nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden.

BayVGH, Pressemitteilung v. 23.11.2015 zu den U. v. 22.10.2015, 10 B 15.1320 (PDF, 250 KB) und 10 B 15.1609 (PDF, 200 KB)

Redaktionelle Hinweise

Beide Urteile sind Leitsatzentscheidungen.

Im Verfahren 10 B 15.1320 hat der BayVGH folgenden Leitsatz formuliert:

Art. 15 Satz 1 BayVSG verlangt (nur) das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte und damit noch keine Gewissheit darüber, dass Bestrebungen vorliegen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind.

Im Verfahren 10 B 15.1609 hat das Gericht folgende Leitsätze formuliert:

1. Art. 15 BayVSG regelt nicht nur die Unterrichtung der Öffentlichkeit durch schriftliche und periodisch erscheinende staatliche Publikationen (insbesondere Verfassungsschutzberichte).

2. Art. 15 Satz 1 BayVSG verlangt (nur) das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte und damit gerade noch keine Gewissheit darüber, dass Bestrebungen vorliegen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind.

3. Aus Art. 15 Satz 1 BayVSG lässt sich ein (formelles) Begründungserfordernis zur Angabe der der Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen und Tätigkeiten zugrunde liegenden tatsächlichen Anhaltspunkte nicht herleiten.

Vgl. zu den Entscheidungen auch die zusammenhängenden Meldungen.