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Staatskanzlei: Europaministerin Dr. Beate Merk fordert EU auf, Asyl- und Flüchtlingsrecht endlich an die Flüchtlingsrealität anzupassen

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Merk: „Das geltende EU-Recht ist dem Massenansturm nicht gewachsen / Wir brauchen dringend Verschärfungen“ / Feste Obergrenze in der EU und leichterer Schutz der Binnengrenzen notwendig

Europaministerin Dr. Beate Merk hat die Europäische Union aufgefordert, das EU-Asyl- und Flüchtlingsrecht jetzt dringend an die aktuelle Flüchtlingsrealität anzupassen.

Ministerin Merk: „Die EU-Regeln stammen aus einer anderen Zeit. Und was wir täglich sehen, zeigt: Sie sind dem heutigen Massenansturm von Flüchtlingen nicht gewachsen. Die EU muss ihre Politik unbedingt neu ausrichten und dabei die Begrenzung der Flüchtlingszahlen zur obersten Richtschnur machen.“

Als dringend notwendige Verschärfung nannte die Ministerin insbesondere die Einführung einer festen Flüchtlings-Obergrenze auch für die gesamte EU. Weitere Kernforderung Merks ist es, dass die nationalen Kontrollrechte an den Binnengrenzen wieder gestärkt werden.

Merk: „Die Situation zwingt uns dazu: Die EU-Mitgliedstaaten müssen ihre Binnengrenzen endlich wieder selbst leichter schützen können. Dazu müssen die bestehenden rechtlichen Hürden gesenkt werden.“

Die aktuelle Lage in der Flüchtlingskrise beschrieb die Ministerin als nach wie vor dramatisch.

Merk: „Der Zustrom der Flüchtlinge ist unverändert hoch. Meine Gesprächspartner in der Türkei bestätigen: Ein Ende ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Die Millionen Menschen aus aller Welt sind weiter auf dem Weg nach Europa. Die Innere Sicherheit ist gefährdet, soziale Spannungen drohen die Gesellschaft zu spalten. Die Probleme der Verwaltung bei der Bewältigung der Flüchtlingszahlen wachsen. Das europäische Dublin- und Schengensystem ist zusammengebrochen. Wir schaffen wir es eben nicht, wenn wir jetzt nicht alle denkbaren Maßnahmen ergreifen. Deswegen ist auch die EU jetzt gefordert, alles zu tun, um so schnell wie möglich die Flüchtlingsgrenzen zu begrenzen.“

Die Ministerin legte heute dazu einen konkreten Forderungskatalog an die EU-Kommission, die Bundesregierung und Vertreter des EU-Parlamentes vor (vgl. Anhang).

Staatskanzlei, Pressemitteilung v. 14.01.2016

 

Anhang: Europapolitische Forderungen zur Asyl- und Flüchtlingspolitik

a) Zugangsbegrenzende Maßnahmen

Einführung von festen Obergrenzen für subsidiär Schutzberechtigte/ Bürgerkriegsflüchtlinge durch Überarbeitung der Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/95/EU)

Stärkung der nationalen Kontrollrechte an den Binnengrenzen

  • Absenkung der Hürden für die Einführung langfristiger Binnengrenzkontrollen unter erleichterten Bedingungen durch Änderung des Schengener Grenzkodex (VO (EG) Nr. 562/2006)
  • Einführung von Schnellprüfungsverfahren zur Zurückweisung von Flüchtlingen an den Binnengrenzen bei Einreise aus anderem EU-Mitgliedsstaat durch Änderung Dublin III-VO (VO (EU) Nr. 604/2013)

Stärkung des EU-Außengrenzenschutzes

  • Grundlegende Reform des Schutzes der EU-Außengrenzen, einschließlich der Erweiterung von FRONTEX zu einer europäischen Agentur für den schlagkräftigen Grenz- und Küstenschutz
  • Überwachungsfunktion von FRONTEX und Einsatz von FRONTEX-Einsatzteams an den Außengrenzen, falls erhebliche Defizite im Schutz der Außengrenzen festgestellt und von dem betroffenen Mitgliedstaat nicht abgestellt werden
  • Lückenloses Kontrollsystem bei der Ein- und Ausreise an den Außengrenzen einschließlich Zugriffsmöglichkeiten für Polizeibeamte bei Personenkontrollen im Binnenraum

Gerechtere Lastenteilung in Europa, die auch eine Entlastung für Deutschland und Bayern bedeutet (Umsetzung des Kommissionsvorschlags zur Einführung eines permanenten Umverteilungsmechanismus durch Änderung der Dublin-III-Verordnung)

Begrenzung des Familiennachzugs auf das mögliche Mindestmaß durch Änderung der Familiennachzugsrichtlinie (RL 2003/86/EG) bgzl. der GFK-Flüchtlinge und der Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/95/EU) bzgl. der subsidiär Schutzberechtigten

b) Aufenthaltsbeendigungen

Europarechtliche Absicherung einer verstärkten Berücksichtigung von Straftaten im Asylverfahren durch Änderung der Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/95/EU, dort v.a. Art. 14, 17 und 19)

Effektivierung der Rückführungspolitik

  • Deutliche Vereinfachung von Dublin-Rückführungen in andere EU-Staaten (Änderung Dublin-III-Verordnung), z.B. Straffung des Verfahrens durch Einführung von „Schnellprüfungsverfahren“, aber auch Überlegungen zur Beschränkung von Sozialleistungen im unzuständigen Mitgliedstaat auf das unabweisbar Gebotene (z.B. Reisebeihilfen) zur Verhinderung von Sekundärmigration
  • Effektivierung von Rückführungen in die Hauptherkunftsstaaten durch Abschluss von neuen und Umsetzung bestehender Rückführungsabkommen (Abschluss neuer EU-Rückführungsabkommen, vor allem mit Afghanistan) sowie Gangbarmachung bereits bestehender Rückführungsabkommen (zum Beispiel Pakistan und Türkei)

c) Beschränkungen des Leistungsrechts

Deutschland ist nicht zuletzt wegen seiner vergleichsweise großzügigen Aufnahmebedingungen für Asylbewerber mit das attraktivste Ziel in Europa für Menschen auf der Flucht geworden. Daher:

Keine Umsetzung, sondern völlige Überarbeitung und Neuverhandlung der aus einer migrationspolitisch anderen Zeit stammenden Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU) und Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU), orientiert an den Grundsätzen der Beschleunigung von Asylverfahren, der Vermeidung von Erschwernissen für Abschiebungen, der Vermeidung von Missbrauchsanreizen und der Privilegierung nur für eng umgrenzte Personengruppen. Insbesondere:

  • Beseitigung des verfahrensintensiven Identifizierungsverfahrens für besonders schutzbedürftige Personen schon im Rahmen der „Erstaufnahme“
  • Beseitigung überzogener Anforderungen an die Gesundheitsleistungen für Asylbewerber; keine Anhebung des Niveaus der medizinischen Leistungen auf GKV-Niveau
  • Beseitigung überzogener Anforderungen an die Berücksichtigung der Situation von schutzbedürftigen Personen bei der Unterbringung; dies würde einen erheblichen zusätzlichen personellen, organisatorischen und baulichen Aufwand bei der Unterbringung auslösen, der bei dem momentanen Flüchtlingszustrom nicht darstellbar wäre.