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Einweisung Obdachloser in leerstehende Räume der im Übrigen genutzten Wohnung

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Zimmer frei_Fotolia_67694338_S_copyright - passvon Victor Struzina und Prof. Dr. Josef Franz Lindner, Universität Augsburg

I. Einleitung

Jüngst wurde vertreten, dass eine Einweisung von Obdachlosen in leerstehende Räume einer im Übrigen genutzten Wohnung rechtswidrig wäre.[1] Weithin unbestritten ist die rechtliche Möglichkeit der Einweisung von Obdachlosen in insgesamt leerstehende Wohnungen.[2] Doch wie ist die Rechtslage bei der Einweisung Obdachloser in einzelne leerstehende Räume einer im Übrigen genutzten Wohnung (also etwa das obere Stockwerk eines zweistöckigen Hauses, das nur im Erdgeschoss bewohnt wird) – käme diese theoretisch in Betracht? Der Beitrag untersucht die Rechtslage in Bayern. Dafür sind zunächst einige terminologische Präzisierungen vorzunehmen (II.). Anschließend wird die Rechtmäßigkeit einer Einweisung von Obdachlosen in leerstehende Räume einer im Übrigen genutzten Wohnung im Einzelnen erörtert (III.).

II. Terminologische Präzisierungen

Zur Vermeidung begrifflicher Fehldeutungen werden im Folgenden die Bezeichnungen  „leerstehende Räume“, „Einweisung“ und „Beschlagnahme“ näher umrissen:

  • Mit „leerstehenden Räumen“ sind vorliegend solche Räume als Teil einer im Übrigen genutzten Wohnung gemeint, die auf unabsehbare Dauer keiner Verwendung zugeführt werden (sollen). Nicht hierunter fallen also insbesondere Räume, die wegen befristeter Abwesenheit einer Person (etwa aufgrund von Urlaub oder Krankheit) nicht genutzt werden.
  • Mit einer „Einweisung“ ist vorliegend ein Verwaltungsakt (Art. 35 S. 1 BayVwVfG) gemeint, durch den sein Adressat zur Duldung des Wohnens einer Person in den ungenutzten Räumen seiner Wohnung verpflichtet wird bzw. zu der Handlung verpflichtet wird, einer Person ein solches Wohnen zu ermöglichen.
  • Nicht selten wird im vorliegenden Zusammenhang für Einweisung auch der Begriff der „Beschlagnahme“ verwendet.[3] Die „Beschlagnahme“ erinnert ansonsten eher an die polizeirechtliche Sicherstellung (Art. 25 PAG).[4] Um Verwechslungen mit der Sicherstellung zu vermeiden, wird im Folgenden ausschließlich der Begriff der „Einweisung“ einer Person in Wohnraum benutzt.

III. Die Rechtmäßigkeit einer Einweisung von Obdachlosen in leerstehende Räume einer im Übrigen genutzten Wohnung

1. Rechtsgrundlage

Da die Einweisung von Obdachlosen in leerstehende Räume einer im Übrigen genutzten Wohnung in grundrechtliche Freiheiten (neben Art. 2 Abs. 1 GG ggf. auch Art. 14 Abs. 1 GG) des betroffenen Wohnenden eingreift, bedarf sie nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes einer Rechtsgrundlage. Angemerkt sei, dass Art. 6 Abs. 1 S. 2, 3 AufnG keine Eingriffsbefugnis darstellt, da dort lediglich eine Aufgabenzuweisung (für die Landratsämter bzw. für die kreisfreien Gemeinden) enthalten ist; ebenso wenig kommt Art. 6 Abs. 1 S. 1 AufnG i.V.m. § 7 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 DVAsyl als Rechtsgrundlage für einen Eingriff gegenüber dem Wohnenden in Betracht, da dort lediglich die Befugnis für die Regierung enthalten ist, durch die Zuweisungsentscheidung dem Landratsamt bzw. der kreisfreien Gemeinde sowie der asylsuchenden Person eine Unterkunft zuzuweisen. Mangels spezialgesetzlicher Grundlage kommt daher allein das Eingriffsinstrumentarium des allgemeinen Sicherheitsrechts in Betracht. Da der dritte Teil des LStVG keine spezielle Befugnisnorm für eine Einweisung enthält, ist zunächst[5] Art. 7 Abs. 2 LStVG als Rechtsgrundlage denkbar.

2. Formelle Rechtmäßigkeit

a) Zuständigkeit

aa) Verbandskompetenz

Nach Art. 6 LStVG kommen als Sicherheitsbehörden neben den Gemeinden auch die Landratsämter, die Regierungen und das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr in Betracht. Insoweit kann neben der einweisenden Gemeinde selbst auch der Freistaat Bayern verbandskompetent sein, sofern eine Staatsbehörde die Einweisung vornimmt.

bb) Organkompetenz bzw. Behördenzuständigkeit
(1) Sachlich

Die Obdachlosigkeit von Personen müsste gem. Art. 6 LStVG eine (abstrakte) Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellen. Da durch die Obdachlosigkeit regelmäßig zumindest die Gesundheit der betroffenen Person bedroht ist, kann eine abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit ohne weiteres bejaht werden. Die Einweisung dürfte regelmäßig eine dringliche Anordnung darstellen, sodass bei Gemeinden gem. Art. 29, 37 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 GO der erste Bürgermeister (bzw. der Oberbürgermeister) organkompetent ist.

(2) Örtlich

Je nachdem, in welchem Gemeinde-, Kreis-, oder Bezirksgebiet (Art. 22 GO, Art. 7 LKrO, Art. 7 BezO) sich die obdachlose Person befindet, sind die zugehörigen Sicherheitsbehörden örtlich zuständig. Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr ist für das gesamte Staatsgebiet örtlich zuständig.

b) Verfahren und Form

Es sind die üblichen Verfahrens- und Formerfordernisse einzuhalten. Sofern die Einweisung schriftlich ergeht, hat sie insbesondere eine Begründung zu enthalten: Art. 37 Abs. 2 S. 1 Var. 1, 39 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BayVwVfG. Unterbleibt eine notwendige Anhörung (Art. 28 Abs. 1, 2 Nr. 1 BayVwVfG), wäre diese Verletzung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens heilbar: Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, 2 BayVwVfG.

3. Materielle Rechtmäßigkeit

a) Tatbestand der Befugnisnorm

Die Obdachlosigkeit von Menschen stellt einen Zustand dar, bei dem im Einzelfall aufgrund der Existenz von Risikofaktoren (Witterungsverhältnisse, keine sanitären Anlagen etc.) die ernstzunehmende Möglichkeit eines Schadenseintritts bezüglich der Gesundheit und des Lebens der betroffenen Personen besteht. Insoweit ist der Tatbestand von Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG erfüllt.

b) Maßnahmerichtung

Der Wohnende selbst, in dessen Räumlichkeiten die obdachlose Person eingewiesen werden soll, ist regelmäßig nicht für die Obdachlosigkeit der einzuweisenden Person verantwortlich. Insoweit kommt eine Inanspruchnahme des Wohnenden als Handlungs- bzw. als Zustandsstörer (Art. 9 Abs. 1, 2 LStVG) nicht in Betracht. Vielmehr ist zu untersuchen, ob und inwieweit vorliegend eine Inanspruchnahme des „Nichtstörers“ (Art. 9 Abs. 3 LStVG) möglich ist.

aa) Art. 9 Abs. 3 S. 1 LStVG

Die durch die Obdachlosigkeit begründete Gefahr für die Gesundheit bzw. für das Leben einer Person lässt sich regelmäßig gem. Art. 9 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 LStVG  als erheblich und unmittelbar bevorstehend qualifizieren.[6] Die Duldung des Wohnens einer Person in den ungenutzten Räumen seiner Wohnung bzw. die Handlung, einer Person ein solches Wohnen zu ermöglichen, stellt jeweils eine Hilfeleistung des Wohnenden dar, sodass ferner die Voraussetzungen von Art. 9 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 LStVG vorliegen müssten. Die obdachlose Person ist regelmäßig[7] nicht in der Lage ihre Obdachlosigkeit selbst zu beseitigen, sodass eine sicherheitsbehördliche Anordnung ihr gegenüber, etwa mit der Verpflichtung zur Obdachbeschaffung, nicht geeignet für die Beseitigung der Gesundheits- oder Lebensgefahr ist. Weiter ist jedoch zu prüfen, ob nicht eine Maßnahme nach Art. 7 Abs. 3 LStVG möglich, ausreichend oder zulässig ist. Als ausreichende und zulässige Maßnahmen der Sicherheitsbehörden (bzw. der Polizei oder vertraglich Beauftragter) kommen regelmäßig (und im Sinne des Grundsatzes der Erforderlichkeit – Art. 8 Abs. 1 LStVG – auch in dieser Reihenfolge) die Einweisung der obdachlosen Person in nutzbare Immobilien der betroffenen Gebietskörperschaft (Kommunen, Staat) selbst bzw. in solche der Nachbargebietskörperschaft (ggf. im Wege der Amtshilfe gem. Art. 4 ff. BayVwVfG) und sodann in von den Rechtsträgern der Sicherheitsbehörde angemieteten bzw. angekauften Immobilien in Betracht.[8] Sofern sämtliche dieser Einweisungsvarianten nicht (rechtzeitig) in Betracht kommen, ist als „ultima ratio“ schließlich die Inanspruchnahme des Wohnenden als Nichtverantwortlicher denkbar.

bb) Art. 9 Abs. 3 S. 2 LStVG

Eine Heranziehung der nicht verantwortlichen Person scheidet nach Art. 9 Abs. 3 S. 2 LStVG allerdings dann aus, wenn diese durch die Einweisung in ihre Wohnung „selbst an Leben oder Gesundheit gefährdet oder an der Erfüllung überwiegender anderweitiger Pflichten gehindert würde“. Die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Es ist zu untersuchen, inwieweit die Einweisung der ansonsten obdachlosen Person eine Gefährdung für das Leben oder die Gesundheit des Wohnenden darstellen würde. Wenn also bei der einzuweisenden Person insbesondere keine konkreten Anzeichen von Gewaltbereitschaft oder ansteckenden Krankheiten begründet sind und beim Wohnenden keine besonderen medizinischen Indikationen zu berücksichtigen sind und dieser durch die Einweisung auch nicht an der Erfüllung überwiegender anderweitiger Pflichten[9] gehindert wird, kommt seine Inanspruchnahme als Nichtverantwortlicher in Betracht.[10]

c) Ausschluss der Maßnahme nach Art. 7 Abs. 4 LStVG

Als weitere Hürde für die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme i.S.v. Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG verlangt das bayerische Recht in der Tradition des Prinzips der Spezialermächtigung[11], dass durch die zu treffende Anordnung (Einweisung einer obdachlosen Person) die Freiheit der Person und bzw. oder die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 2 Abs. 2 S. 2, 13 GG; Art. 102 Abs. 1, 106 Abs. 3 BV) nicht eingeschränkt werden. Erörterungsbedürftig ist zunächst die Frage, ob die Einweisung einer obdachlosen Person in leerstehende Räume einer im Übrigen genutzten Wohnung die Unverletzlichkeit der Wohnung einschränkt bzw. ob in dieses Grundrecht eingegriffen wird.

aa) Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung
(1) Schutzbereich

Der Schutzbereich der Unverletzlichkeit der Wohnung bestimmt sich maßgeblich danach, ob die Räumlichkeiten der privaten Zugänglichkeit vorenthalten sind.[12] Einzelne (ungenutzte) Räume fallen unter den Begriff der „Wohnung“, da auch hier der „nach außen erkennbare Wille des Einzelnen zur bloßen privaten Zugänglichkeit sowie die soziale Anerkennung dieser individuellen Bestimmung der räumlichen Privatsphäre“[13] typischerweise vorhanden ist.[14]

(2) Eingriff

Ein Teil der Rechtsprechung[15] ist der Auffassung, dass in der Einweisung ein sonstiger Eingriff (i.S.v. Art. 13 Abs. 7 GG) vorliege, da auch der Entzug von räumlicher Substanz die von Art. 13 GG geschützte Privatheit des Wohnenden beeinträchtige. Im Schrifttum wird dagegen vereinzelt die Ansicht vertreten, dass die Privatheit bei einer Einweisung in Wohnraum nicht betroffen sei.[16] Letzteres ist nicht überzeugend: Solange leerstehende Räume immer noch eine Einheit mit der ansonsten genutzten Wohnung bilden, ist davon auszugehen, dass die Privatsphäre des Wohnenden, die sich im Zweifel auf die Wohnung im Ganzen erstreckt, durch die Einweisung und die damit einhergehende Nichtverwendbarkeit der jeweiligen Räume jedenfalls verkürzt wird. Mithin liegt ein Eingriff in bzw. eine Einschränkung von Art. 13 GG, Art. 106 Abs. 3 BV[17] vor.[18]

bb) Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 4 LStVG

Da ein Eingriff in Art. 13 GG zu bejahen ist, kommt vorliegend im Grundsatz Art. 7 Abs. 4 LStVG zur Anwendung, sodass eine auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützte Einweisung in einzelne Räume einer im Übrigen genutzten Wohnung stets als rechtswidrig zu qualifizieren wäre. Allerdings ist in diesem Zusammenhang Art. 13 Abs. 7 GG zu beachten: Danach kommen sonstige Eingriffe und Beschränkungen zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen auch ohne gesetzliche Grundlage in Betracht. Hieraus könnte man schlussfolgern, dass die bei einer gemeinen oder Lebensgefahr betroffenen Grundrechte (also insbesondere Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 GG) durch den Verfassungsgeber höher gewichtet wurden als das Interesse des Wohnenden, nur durch Maßnahmen auf einfachgesetzlicher Grundlage in seiner unverletzlichen Wohnung beeinträchtigt werden zu dürfen. Da somit bereits durch das Grundgesetz selbst eine Regelung getroffen wurde, kann diese nicht durch ein einfaches Gesetz ausgeschlossen werden.[19] Daher ist Art. 7 Abs. 4 LStVG in vorliegendem Zusammenhang nur dann anwendbar, wenn die Beschlagnahme einzelner Räume nicht der Abwehr einer Gefahr für das Leben[20] eines einzelnen Obdachlosen dient (sondern „alleine“ etwa dessen Gesundheit). Liegt keine Lebensgefahr für die obdachlose Person vor, scheidet Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG wegen Art. 7 Abs. 4 LStVG als Rechtsgrundlage für die Einweisung einer obdachlosen Person in leerstehende Räume einer ansonsten genutzten Wohnung aus, sodass eine entsprechende sicherheitsbehördliche Anordnung rechtswidrig wäre.

d) Sonstige Voraussetzungen

Sofern dagegen eine Lebensgefahr für die obdachlose Person besteht, kommt Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG wegen der Unanwendbarkeit von Art. 7 Abs. 4 LStVG als Rechtsgrundlage in Betracht. Die Einweisung der obdachlosen Person müsste dann auch den (übrigen) Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 8 LStVG) genügen und die Sicherheitsbehörde hat von ihrem Auswahl- und Erschließungsermessen fehlerfreien Gebrauch machen (Art. 40 BayVwVfG). An dieser Stelle haben im jeweiligen Einzelfall etwaige Besonderheiten (z.B. Alter, Geschlecht) Berücksichtigung zu finden, die für oder gegen die Angemessenheit einer Einweisung der konkreten obdachlosen Person bei dem konkreten Wohnenden sprechen.

V. Fazit

Eine sicherheitsbehördliche Einweisung von obdachlosen Personen in leerstehende Räume einer im Übrigen genutzten Wohnung wäre derzeit nur unter den folgenden Voraussetzungen als rechtmäßig zu qualifizieren: Der Sicherheitsbehörde stehen keine anderen Möglichkeiten für die Abwendung der Obdachlosigkeit zu Verfügung (1.). Für die obdachlose Person besteht im Falle der Nichteinweisung Lebensgefahr (2.). Die Einweisung gefährdet den Wohnenden, in dessen Räumlichkeiten die Einweisung erfolgt, nicht selbst an Leben oder Gesundheit und bzw. oder hindert ihn nicht an der Erfüllung überwiegender anderweitiger Pflichten (3.). Es sind im Einzelfall keine (sonstigen) Gründe für die Unverhältnismäßigkeit der konkreten Einweisung ersichtlich (4.). Sofern diese Voraussetzungen vorliegen, stellt die Einweisung von Personen auch in leerstehende Räume einer im Übrigen genutzten Wohnung zur Abwehr von Obdachlosigkeit – entgegen jüngst vertretener Ansicht – ein rechtlich zulässiges Mittel dar.

Net-Dokument BayRVR2016022501; Titelabbildung: (c) blende11.photo – Fotolia.com

Zitiervorschlag: Struzina/Lindner, Einweisung Obdachloser in leerstehende Räume der im Übrigen genutzten Wohnung, BayRVR, Net-Dokument BayRVR2016022501, www.bayrvr.de

Redaktionelle Anmerkung

Struzina_VictorVictor Struzina ist wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Medizinrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Augsburg.

 

 

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Prof. Dr. Josef Franz Lindner ist Inhaber dieses Lehrstuhls.

 

 

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[1] Drasdo, Obdach kraft Beschlagnahme?,  NJW-Spezial 2016, 33 (34).

[2] Vgl. etwa OVG Schleswig, Beschl. v. 21.09.1992 – 4 M 95/92, NJW 1993, 413; VGH München, Urt. v. 14.08.1990 – 21 B 90.00335, VGHE 44, 1. Solche Einweisungen ergingen in der Vergangenheit häufig im Zusammenhang mit (ehemaligen) Mietern, die aufgrund eines Räumungstitels von der Obdachlosigkeit bedroht waren.

[3] Vgl. etwa Koehl, in: Bengl, Berner, Emmerig, LStVG, 36. Ergänzungslieferung 2015, Art. 7, Rn. 153; Drasdo, Obdach kraft Beschlagnahme?, NJW-Spezial 2016, 33; Beuermann, Unter welchen Umständen können und dürfen Gebäude und Wohnungen beschlagnahmt werden?, Das Grundeigentum 2015, 1139.

[4] Die Sicherstellung nach Art. 25 PAG verlangt, dass polizeilicher Gewahrsam an einer Sache begründet wird: Gallwas/Lindner, in: Gallwas/Lindner/Wolff, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 4. Aufl. 2015, Rn. 705. Im Rahmen einer Wohnungseinweisung erfolgt jedoch keine Begründung hoheitlichen Gewahrsams an der Wohnung.

[5] Unter den Voraussetzungen der Art. 2, 3 PAG kommt freilich auch eine polizeiliche Maßnahme nach Art. 11 Abs. 1, 2 PAG in Betracht. Zur bislang nicht abschließend geklärten Frage, inwieweit Art. 3 PAG bei einer sicherheitsbehördlichen Weisung (Art. 9 Abs. 2 POG) Anwendung findet (die wohl h.M. verneint dies): Gallwas/Lindner, in: Gallwas/Lindner/Wolff, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 4. Aufl. 2015, Rn. 189 ff. Speziellere Grundlagen zur Einweisung hat der Freistaat Bayern bislang nicht erlassen; anders §14a HmbSOG, § 26a BremPolG. Dazu Froese, Die Sicherstellung privaten Eigentums zur Flüchtlingsunterbringung, JZ 2016, 176.

[6] Vgl. etwa Koehl, in: Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, 36. Ergänzungslieferung 2015, Art. 9, Rn. 65.

[7] Eine Ausnahme liegt etwa vor, wenn die obdachlose Person (finanziell) in der Lage ist, ihre Obdachlosigkeit selbst zu beseitigen.

[8] Vgl. zu diesen Varianten mit Nachweisen aus der Rspr.: Drasdo, Obdach kraft Beschlagnahme?, NJW-Spezial 2016, 33 f.

[9] Soweit die für die Einweisung vorgesehenen Räume untervermietet und vom Untermieter dennoch ungenutzt sind, fallen sie bereits nicht unter das oben (II.) formulierte Begriffsverständnis eines „leerstehenden Raumes“, da dieser zumindest wirtschaftlich verwendet wird. Fasst man den Begriff des „leerstehenden Raumes“ dagegen extensiver, so dürften die Pflichten aus §§ 535 ff. BGB unter Art. 9 Abs. 3 S. 2 LStVG fallen.

[10] A.A. Drasdo, Obdach kraft Beschlagnahme?, NJW-Spezial 2016, 33 (34); ebenso a.A. Beuermann, Unter welchen Umständen können und dürfen Gebäude und Wohnungen beschlagnahmt werden?, Das Grundeigentum 2015, 1139; letzterer mit der (in dieser Pauschalität nicht zutreffenden) Begründung, dass dem Eigentümer durch die Beschlagnahme nicht leeren Wohnraums selbst die Obdachlosigkeit drohe und daher die Opfergrenze überschritten werde.

[11] Vgl. zu diesem Prinzip etwa Wolff, in: Gallwas/Lindner/Wolff, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 4. Aufl. 2015, Rn. 3 ff.

[12] Vgl. Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 31. Aufl. 2015, Rn. 968 ff. m. w. Nachw.

[13] Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, a.a.O., Rn. 970.

[14] Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 13.10.1971 – 1 BvR 280/66, BVerfGE 32, 54 (69 ff.).

[15] Vgl. (bezüglich der Wiedereinweisung von Mietern) etwa: VG München, Beschl. v. 18.02.2004 – M 22 S 03.6249; VGH München, Urt. v. 05.02.1979 – 2163 VII 78, BayVBl. 1979, 244; differenzierend danach, ob der Vermieter die Wohnung nach der Räumung selbst nutzen will: VGH München, Beschl. v. 10.08.1983 – 21 CS 83 A.593, BayVBl. 1984, 116 f.

[16] So wohl Koehl, in: Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, 36. Ergänzungslieferung 2015, Art. 7, Rn. 153 aE.

[17] Vgl. zum Verhältnis zwischen Art. 13 GG und Art. 106 Abs. 3 BV: Lindner, in: Lindner/Möstl/Wolff, BV, 2009, Art. 106, Rn. 9 ff.

[18] Soweit dagegen die Wohnung insgesamt leer steht, ist die Privatsphäre nicht betroffen, sodass kein Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG, Art. 106 Abs. 3 BV vorliegt und damit auch Art. 7 Abs. 4 LStVG keine Anwendung findet.

[19] Vgl. Koehl, in: Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, 36. Ergänzungslieferung 2015, Art. 7, Rn. 155; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 13, Rn. 132. Allerdings ist zu beachten, dass im Falle einer Lebensgefahr auch unabhängig von Art. 7 Abs. 4 LStVG regelmäßig die Voraussetzungen von Art. 3 PAG vorliegen und damit eine polizeiliche Einweisung in Betracht kommt. Das PAG enthält keine dem Art. 7 Abs. 4 LStVG vergleichbare Vorschrift. Insoweit könnte man argumentieren, dass Art. 7 Abs. 4 LStVG auch im Hinblick auf Lebensgefahren Anwendung findet, weil der Landesgesetzgeber durch die Zuständigkeit der Polizei insoweit die Regelung des Art. 13 Abs. 7 GG berücksichtigt. Im Ergebnis ist das (problematische) Verhältnis von Art. 13 Abs. 7 GG zu Art. 7 Abs. 4 LStVG von geringer praktischer Bedeutung, da zumindest die Polizei (ggf. durch sicherheitsbehördliche Weisung, vgl. Fn. 5) zuständig ist.

[20] Eine gemeine Gefahr (also etwa eine Brand- oder Einsturzgefahr) scheidet bei Obdachlosigkeit regelmäßig aus.