Gesetzgebung

Staatsregierung: Gesetzentwurf zur Änderung des BayEUG und des BaySchFG

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Ganztagsbetreuung_Fotolia_55856465_S_copyright - passDie Staatsregierung hat einen umfangreicheren Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) und des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes (BaySchFG)[1] eingebracht (LT-Drs. 17/10311 v. 01.03.2016). Dieser sieht insbesondere die flächendeckende Einführung offener Ganztagsangebote, die Möglichkeit von Grundschulverbünden und eine Ermächtigungsnorm für den sog. Notenschutz vor. Das BVerwG hatte entschieden (U. v. 29.07.2015, 6 C 35.14 u.a.), dass die Gewährung von Notenschutz ebenso wie eine diesbezügliche Dokumentation im Zeugnis einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Schließlich werden Teile des BayEUG strukturell und redaktionell grundlegend überarbeitet.

Das Gesetz soll am 01.08.2016 in Kraft treten.

Flächendeckender Ausbau der Ganztagsangebote

Bisherige Rechtslage laut Gesetzentwurf

Nach bisheriger Rechtslage können offene Ganztagsangebote ausschließlich an Mittelschulen, Realschulen, Wirtschaftsschulen und Gymnasien sowie an der Mittelschulstufe von Sonderpädagogischen Förderzentren und Förderzentren (Förderschwerpunkt Lernen) eingerichtet werden.

Nur an sonstigen Förderzentren mit Ausnahme des Förderschwerpunkts geistige Entwicklung, an sonstigen allgemein bildenden Schulen zur sonderpädagogischen Förderung sowie an Wirtschaftsschulen zur sonderpädagogischen Förderung können offene Ganztagsangebote ergänzend zu Maßnahmen in Einrichtungen der Jugend- bzw. Eingliederungshilfe eingerichtet werden (wobei „ergänzend“ im Verwaltungsvollzug nicht als Kooperationsmodell aufgefasst wird, sondern als Ergänzung des vor Ort bestehenden Angebotsspektrums). Weitere inklusive ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind nicht vorgesehen. Es fehlt eine Regelung, wonach Leistungen der Eingliederungshilfe mit schulischen Ganztagsangeboten im Sinne eines kooperativen Modells verknüpft werden können.

Künftige Rechtslage laut Gesetzentwurf

Nach einer Pilotphase im Schuljahr 2015/2016 sollen die offenen Ganztagsangebote gemäß Ministerratsbeschluss vom 24. März 2015 flächendeckend eingeführt werden (Stichworte in diesem Zusammenhang: Ganztagsgarantie des Ministerpräsidenten, Ganztagsgipfel mit den kommunalen Spitzenverbänden, Ganztagsvereinbarung – zu den Stellungnahmen in diesem Zusammenhang vgl. hier).

Künftig sollen auch in den Jahrgangsstufen 1 bis 4 (Grundschulen und Grundschulstufe von Förderschulen aller Art) offene Ganztagsangebote eingeführt sowie der Ausschluss des Förderschwerpunkts geistige Entwicklung auf der Mittelschulstufe aufgehoben werden.

Ebenso sollen weitere, vor allem inklusive ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ermöglicht werden. Hierzu wird die Möglichkeit geschaffen, Leistungen der Jugend- bzw. Eingliederungshilfe mit schulischen Ganztagsangeboten im Sinne eines kooperativen Modells zu verknüpfen.

Bewährte Betreuungsformen auf der Grundlage des SGB VIII und SGB XII, insbesondere die Heilpädagogischen Tagesstätten, werden durch die Regelung im BayEUG nicht berührt und sollen weiterhin erhalten bleiben.

Grundschulverbünde

Es wird die Möglichkeit geschaffen, Grundschulverbünde einzurichten, wenn dies vor Ort gewünscht ist.

Durch die Errichtung eines Grundschulverbunds ändere sich nichts an den gesetzlichen Aufgaben des Schulaufwandsträgers einer Grundschule, so der Gesetzentwurf. Je nach Größe und Ausgestaltung eines Grundschulverbundes könne im Einzelfall die Verpflichtung zur Schülerbeförderung entstehen.

Grundschulverbünde kommen laut Gesetzentwurf z.B. für Gemeinden in Betracht, wenn zwei oder drei rechtlich selbstständige Grundschulen im Gemeindegebiet bestehen und die Gemeinde ihre Gemeinde- und Sprengelgrenzen harmonisieren möchte oder wenn benachbarte Gemeinden im Grundschulbereich z.B. wegen rückläufiger Schülerzahlen enger zusammenarbeiten möchten. Anders als bei der Weiterentwicklung der Hauptschule zur Mittelschule rechnet der Gesetzentwurf nicht damit, dass bayernweit Grundschulverbünde gebildet werden und die Sprengel von Grundschulverbünden die flächenmäßige Größe von Sprengeln von Mittelschulverbünden erreichen.

Notenschutz

Notenschutz sowie dessen Vermerk im Zeugnis sind in Bayern bislang lediglich durch einen Erlass des StMBW geregelt. Das BVerwG hatte jedoch in seinen Urteilen v. 29.07.2015 entschieden, dass eine Regelung auf Erlassebene nicht ausreiche, es vielmehr einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürfe. Hintergrund ist eine Unterscheidung zwischen bloßem Nachteilsausgleich (wie etwa verlängerter Bearbeitungszeiten für Prüfungsaufgaben) und Notenschutz, der in der Anlegung unterschiedlicher Maßstäbe beruht:

Während beim Nachteilsausgleich auch die Leistung des beeinträchtigten Schülers an dem für alle geltenden (und vom Leistungsvermögen der einzelnen Person unabhängigen) Maßstab gemessen werde, werde beim Notenschutz dieser allgemeine Maßstab durch einen Maßstab ersetzt, dessen Bezugspunkt das Leistungsvermögen des einzelnen Schülers sei. Hierdurch enthalte eine Note nicht mehr die Aussage, dass der Schüler den der jeweiligen Note entsprechenden Anforderungen genüge, die Prüfungsergebnisse der Schüler mit Notenschutz und derjenigen ohne Notenschutz seien daher nicht mehr vergleichbar. Dies bedürfe einer gesetzlichen Grundlage (und zwar sowohl hinsichtlich der Gewährung von Notenschutz als auch im Hinblick auf dessen Vermerk im Zeugnis).

In dem Urteil mit dem Aktenzeichen 6 C 35.14 hat das Gericht im Hinblick auf den Notenschutz folgende Leitsätze formuliert:

  1. Aus dem Gebot der Chancengleichheit folgen Ansprüche auf Änderung der Prüfungsbedingungen (Nachteilsausgleich), nicht aber Ansprüche auf eine Änderung des Maßstabs der Leistungsbewertung (Notenschutz).
  2. Das Verbot der Benachteiligung Behinderter nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG rechtfertigt Notenschutz, gebietet ihn aber regelmäßig nicht.
  3. Die Gewährung von Notenschutz kann zur Wahrung der Chancengleichheit und der Aussagekraft des Abschlusszeugnisses dort vermerkt werden.
  4. Die Gewährung von Notenschutz in schulischen Abschlussprüfungen (Abitur) und dessen Vermerk im Abschlusszeugnis unterliegen dem Vorbehalt des Gesetzes.
  5. Eine Verwaltungspraxis, Notenschutz zu gewähren und dies im Abschlusszeugnis zu vermerken, kann für die Vergangenheit und einen angemessenen Übergangszeitraum beibehalten werden.

Der Gesetzentwurf sieht nun eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Notenschutz vor. Hierzu erhält insbesondere Art. 52 BayEUG einen neuen Absatz 5:

(5) 1Schülerinnen und Schüler mit einer lang andauernden erheblichen Beeinträchtigung der Fähigkeit, ihr vorhandenes Leistungsvermögen darzustellen, erhalten soweit erforderlich eine Anpassung der Prüfungsbedingungen, die das fachliche Anforderungsniveau der Leistungsanforderungen wahrt (Nachteilsausgleich). 2Von einer Bewertung in einzelnen Fächern oder von abgrenzbaren fachlichen Anforderungen in allen Prüfungen und Abschlussprüfungen kann abgesehen werden (Notenschutz),

  1. wenn eine körperlich-motorische Beeinträchtigung, eine Beeinträchtigung beim Sprechen, eine Sinnesschädigung, Autismus oder eine Lese-Rechtschreib-Störung vorliegt,
  2. auf Grund derer eine Leistung oder Teilleistung auch unter Gewährung von Nachteilsausgleich nicht erbracht und auch nicht durch eine andere vergleichbare Leistung ersetzt werden kann,
  3. die einheitliche Anwendung eines allgemeinen, an objektiven Leistungsanforderungen ausgerichteten Bewertungsmaßstabs zum Nachweis des jeweiligen Bildungsstands nicht erforderlich ist und
  4. die Erziehungsberechtigten dies beantragen.

3Im Übrigen bleiben die schulartspezifischen Voraussetzungen für Aufnahme, Vorrücken und Schulwechsel sowie für den Erwerb der Abschlüsse unberührt. 4Art und Umfang des Notenschutzes sind im Zeugnis zu vermerken. 5Das Staatsministerium wird ermächtigt, das Nähere durch Rechtsverordnung zu regeln.

Strukturelle und redaktionelle Überarbeitung

Teile des BayEUG werden strukturell und redaktionell grundlegend überarbeitet und ggfls. mit den Schulordnungen harmonisiert.

Dies betrifft beispielsweise Abschnitt XIV des Zweiten Teils (Ordnungsmaßnahmen als Erziehungsmaßnahmen). Inhaltliche Änderungen sind damit laut Gesetzentwurf nur vereinzelt verbunden. Der Gesetzentwurf [PDF] enthält zur besseren Orientierung eine Synopse (S. 15-16).

Staatsregierung, Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) und des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes (BaySchFG), LT-Drs. 17/10311 v. 01.03.2016 

Ass. iur. Klaus Kohnen; Titelbild: (c) stockWERK – Fotolia.com

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[1] Im BaySchFG ausweislich der gesetzlichen Begründung lediglich einige Folgeänderungen, redaktionelle Anpassungen bzw. Rechtsbereinigungen.