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Staatskanzlei: Bayern schlägt Feldgeschworenenwesen, Further Drachenstich, Landshuter Hochzeit und Osingverlosung für Bundesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes vor

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Wissenschafts- und Kunstminister Spaenle: „Pflege und Erhalt immaterieller kultureller Ausdrucksformen haben besonderen Stellenwert in Bayern“

Das Feldgeschworenenwesen in Bayern, der Further Drachenstich, die Landshuter Hochzeit und die Osingverlosung sollen in das deutsche Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen werden. Das Kabinett hat auf Vorschlag von Wissenschafts- und Kunstminister Dr. Ludwig Spaenle beschlossen, einen entsprechenden Antrag an das Sekretariat der Kultusministerkonferenz weiterzuleiten.

Spaenle: „Gerade in Bayern genießen Pflege und Erhalt immaterieller kultureller Ausdrucksformen einen besonders hohen Stellenwert. Die vielfältigen Bräuche, Rituale und Feste sind als kulturelles Erbe im Bewusstsein der Bevölkerung breit verankert. Sie sind nicht nur Teil der bayerischen Identität, sondern auch von großer Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und laufender Modernisierungsprozesse sind ihre Sichtbarmachung, Anerkennung und Bewahrung eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe.“

In Bayern liegen insgesamt 26 Bewerbungen vor. Im Ländervergleich ist dies mit deutlichem Abstand die größte Anzahl. Ein Expertengremium unter Vorsitz des Regensburger Kulturwissenschaftlers Prof. Dr. Daniel Drascek sprach sich nach eingehender Begutachtung aller Bewerbungen für die vier Vorschläge aus. Inhaltliche Begründung:

  • Feldgeschworenenwesen (bayernweit): Feldgeschworene oder sogenannte „Siebener“ wachen seit Jahrhunderten über die Einhaltung von Grundstücksgrenzen und sorgen durch Grenzsteinsetzung für deren Sichtbarkeit. Dies ist gerade in Franken mit seinen kleinteiligen Flurstücken infolge der Realteilung von besonderer Bedeutung. Dies erklärt, weshalb die Feldgeschworenenvereinigung Landkreis und Stadt Fürth den vorliegenden Antrag eingereicht hat. Träger des Rechtsbrauchs sind die bayernweit ca. 24.000 durch ihre jeweiligen Gemeinderäte bestellten Feldgeschworenen. Bei dieser seit über 500 Jahren primär mündlich tradierten Rechtspraxis handelt es sich um ein außergewöhnliches Beispiel für ein kommunales Ehrenamt, das für den sozialen Frieden in ländlichen Gebieten von zentraler Bedeutung war und das auch heute noch große Wertschätzung genießt.
  • Further Drachenstich (Oberpfalz): Das historische Festspiel „Der Drachenstich“ zu Furth im Wald hat sich aus einer seit 1590 belegbaren Fronleichnamsprozession entwickelt, bei der auch die Skulptur eines Georgs-Drachens mitgeführt wurde, der seit 1646 sicher belegbar nach der Prozession abgestochen wurde. Für Furth und Umgebung ist der Drachenstich, an dem rund 1.500 Personen mitwirken, das zentrale kulturelle Ereignis des Jahres. Seit rund 400 Jahren setzt sich die Bevölkerung aktiv und nachdrücklich für dessen Fortbestand ein. „Furth lebt, solange der Drache stirbt“, heißt es vor Ort. Der Further Drachenstich ist ein herausragendes Beispiel für eine überregional bekannte Festspieltradition.
  • Landshuter Hochzeit 1475 (Niederbayern): Das historische Dokumentarspiel „Landshuter Hochzeit 1475“, das im Jahre 1903 erstmals zur Aufführung gelangte, reinszeniert eines der prunkvollsten Feste des ausgehenden Mittelalters: die Vermählung des Wittelsbacher Herzogs Georg des Reichen mit der polnischen Königstochter Hedwig. Bei der Inszenierung des Festes orientiert man sich eng an den schriftlichen Quellen und legt in Bezug auf Musik, Musikinstrumente, Tanz, Kleidung, Waffen, Rüstung und Wägen großen Wert auf Authentizität. Die Landshuter Hochzeit stellt mit einer Überlieferungstradition von über 110 Jahren ein hervorragendes Beispiel für eine von breiten Schichten der Bevölkerung getragene außerordentlich vitale Spieltradition dar, die ein identitätsstiftendes historisches Ereignis des ausgehenden Mittelalters mit Leben erfüllt.
  • Osingverlosung (Mittelfranken): Der im Jahr 1465 erstmals urkundlich erwähnte „Osing“ ist eine gemeindefreie Hochfläche von 274 ha zwischen den vier mittelfränkischen Gemarkungen Herbolzheim, Humprechtsau, Krautostheim und Rüdisbronn am Südrand des Steigerwaldes im Landkreis Neustadt an der Aisch/Bad Windsheim. Alle zehn Jahre (zuletzt 2014) werden die 213 Einzeläcker des „Osing“ in ritualisierter Form nach genau festgelegten Regeln unter den Anteilseignern verlost. Die Art der Nutzung sowie die Vermarktung der Erträge bleiben den jeweiligen Bauern überlassen. Diese seit mehr als 550 Jahren bestehende genossenschaftliche Praxis besitzt für die Bürger aus den vier beteiligten Gemeinden einen sehr hohen soziokulturellen Stellenwert und stellt eine außergewöhnliche Form selbstorgansierter ständiger Flurbereinigung dar.

Bayern hat als zusätzliche Plattform ein eigenes Landesverzeichnis für das immaterielle Kulturerbe eingerichtet. Hier erfolgten die ersten 13 Eintragungen im Herbst des vergangenen Jahres.

Spaenle: „Durch das bayerische Landesverzeichnis für das immaterielle Kulturerbe werden Bedeutung und Ausdrucksformen lebendiger regionaler Traditionen in den öffentlichen Fokus gerückt sowie ihre Pflege und Weitergabe an kommende Generationen gesichert. Die Aufnahme in das Landesverzeichnis ist Ausdruck von hoher Wertschätzung und Anerkennung.“

Auch aus dem Kreis der eingereichten Anträge wird es Neuaufnahmen in das Bayerische Landesverzeichnis geben. Welche Traditionen Eingang in das Bayerische Landesverzeichnis finden, steht noch in der ersten Jahreshälfte 2016 fest.

Staatskanzlei, Bericht aus der Kabinettssitzung, Pressemitteilung v. 12.04.2016