Gesetzgebung

Staatskanzlei: Kabinett beschließt Gesetzentwurf gegen Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit

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Gesundheitsministerin Melanie Huml: „Sicherheit und Gesundheit von Kindern muss auch in der Grabstein-Herstellung beachtet werden“

Die Friedhofsträger in Bayern sollen die Möglichkeit bekommen, das Aufstellen von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu verbieten. Einen entsprechenden Gesetzentwurf von Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml hat der Ministerrat am Dienstag beschlossen.

Huml betonte: „Die Sicherheit und Gesundheit von Kindern ist ein hohes Gut, das weltweit beachtet werden muss. Das gilt auch für die Grabsteinproduktion.“

Der Gesetzentwurf zielt sowohl auf die Gewinnung des Natursteins im Steinbruch als auch auf die weiteren Verarbeitungsschritte bis zum Endprodukt. Künftig sollen die Friedhofsträger durch Satzung bestimmen können, dass Grabsteine und Grabeinfassungen aus Naturstein nur aufgestellt werden dürfen, wenn sie nachweislich ohne ausbeuterische Formen von Kinderarbeit hergestellt worden sind.

Geregelt sind in dem Gesetzentwurf auch die grundlegenden Anforderungen an die Nachweispflicht. Vorgesehen ist zum Beispiel die Vorlage eines Zertifikats. Zudem muss der Zertifizierer bescheinigen, dass er von der Natursteinindustrie unabhängig ist und dass es regelmäßige und sachkundige Kontrollen vor Ort gibt.

Ministerin Huml bekräftigte: „Mit dieser Regelung können Friedhofsträger anhand objektiver Kriterien erkennen, ob ein Zertifikat ausreicht und daher anerkannt wird.“

Die Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit des Zertifikats tragen nicht die einheimischen Steinmetzunternehmen, sondern die ausstellenden Organisationen selbst. Für Steinmetzbetriebe mit großen Lagerbeständen enthält der Gesetzentwurf darüber hinaus eine Übergangsregelung.

Der Gesetzentwurf wird nun dem Bayerischen Landtag zugeleitet.

Staatskanzlei, Bericht aus der Kabinettssitzung, Pressemitteilung v. 12.04.2016

Redaktionelle Hinweise

Der Gesetzentwurf reagiert letztlich auf eine Entscheidung des BVerwG v. 16.10.2016 (8 CN 1.12). Streitbefangen war die Fiedhofssatzung der Stadt Nürnberg. Das BVerG hatte folgende Leitsätze formuliert:

  1. Die Regelung in einer städtischen Friedhofssatzung, nach der nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 hergestellt wurden, stellt eine Benutzungsregelung des kommunalen Friedhofs dar.
  2. Es verletzt das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit und hinreichenden Bestimmtheit, wenn für den Normbetroffenen nicht im Voraus erkennbar ist, welche Nachweise zum Beleg dafür, dass die Grabmale nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit herrühren, anerkannt werden.
  3. Die den Kommunen eingeräumte allgemeine Satzungsbefugnis sowie die Befugnis, die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln, stellen keine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage dar, um einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Steinmetze zu rechtfertigen.

Das Urteil des BVerwG war die fünfte Entscheidung in dieser Sache. Der Verlauf des Rechtsstreits lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • BayVGH, B. v. 27.07.2009, 4 N 09.1300. Der BayVGH hatte dem Normenkontrollantrag eines Steinmetzbetriebs gegen die fragliche Satzungsbestimmung der Stadt Nürnberg zunächst stattgegeben: Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO komme als Ermächtigungsgrundlage nicht in Betracht: Die Satzungsbestimmung betreffe nicht die Nutzung des Friedhofs, sondern eine gewerbliche Tätigkeit im Vorfeld der Friedhofsnutzung – sie verfolge daher einrichtungsfremde Zwecke (Bekämpfung der Kinderarbeit weltweit); somit beziehe sich die Satzungsbestimmung auch nicht auf eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, sondern diene der Umsetzung eines weltweiten politischen Anliegens (Bekämpfung der Kinderarbeit), das keinen spezifisch örtlichen Bezug aufweise. Der BayVGH hatte die Revision nicht zugelassen.
  • BVerwG, B. v. 07.01.2010, 7 BN 2.09. Das BVerwG wies die Nichtzulassungsbeschwerde zurück.
  • BayVerfGH, E. v. 07.10.2011, Vf. 32-VI-10. Auf die Verfassungsbeschwerde der Stadt Nürnberg hin hob der BayVerfGH den Beschluss des BayVGH auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an den BayVGH zurück. Der BayVerfGH kritisierte, dass der BayVGH in seiner Entscheidung der Bedeutung des Selbstverwaltungsrechts der Bf. (Stadt Nürnberg) nicht gerecht werde: Das Aufstellungsverbot von Grabmalen aus ausbeuterischer Kinderarbeit mag einrichtungsfremde Zwecke verfolgen, liege aber auch im Rechtskreis der Totenbestattung. Die eigenen Angelegenheiten der Gemeinden und gesamtstaatliche Aufgaben oder Belange berührten sich vielfach. Deshalb reiche allein die Feststellung, das Verbot der Verwendung nicht nachweislich ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellter Grabmale entspreche einem weltweiten politischen Anliegen, von vornherein nicht aus, um zu begründen, die Regelung liege nicht mehr im Rechtskreis der Totenbestattung im Sinn des Art. 83 Abs. 1 BV und damit auch nicht im Rechtskreis des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts. Verfassungsrechtlich tragfähig sei diese Annahme nur dann, wenn gesagt werden könne, der Regelung fehle zugleich der spezifisch örtliche Bezug. Doch auch der spezifisch örtliche Bezug ist nach Auffassung des BayVerfGH gegeben und wird über Art. 149 Abs. 1 Satz 1 BVvermittelt: Nach Art. 149 Abs. 1 Satz 1 BV haben die Gemeinden dafür zu sorgen, dass jeder Verstorbene schicklich beerdigt werden kann. Art. 8 Abs. 1 BestG führt dazu näher aus, Friedhöfe seien den Verstorbenen als würdige Ruhestätte und der Pflege ihres Andenkens gewidmet. Welche Benutzungsregelungen die Gemeinde in einer Friedhofssatzung trifft, um diesen Anforderungen Genüge zu tun, liege grundsätzlich in ihrem weiten normativen Ermessen. Es sei weder sachfremd noch willkürlich und bewege sich innerhalb des gemeindlichen normativen Einschätzungsspielraums, wenn die Bf. davon ausgehe, dass es im Interesse der Würde des Ortes der Totenbestattung liegen kann, dass dort keine Grabsteine aufgestellt werden, deren Material in einem weltweit geächteten Herstellungsprozess durch „schlimmste Formen der Kinderarbeit“ gewonnen worden ist. Diese Entscheidung war innerhalb des BayVerfGH nicht unumstritten: Zwei Mitglieder legten ein Sondervotum zu den Akten, in dem sie deutliche Kritik an der Mehrheitsmeinung formulierten und in der Entscheidung des BayVGH keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltungsrecht erblickten.
  • BayVGH, U. v. 06.07.2012, 4 N 11.2673. Im Rahmen der Zurückverweisung durch den BayVerfGH hatte sich der BayVGH erneut mit der Sache zu befassen. Von der Argumentation des Verfassungsgerichtshofs nicht überzeugt, aber in der Sache an die Entscheidung des BayVerfGH gebunden (Art. 29 VerfGHG) – dieser Hinweis fehlt freilich nicht – lehnte er den Normenkontrollantrag nunmehr ab: Der angegriffenen Satzungsbestimmung könne nicht mehr entgegengehalten werden, der Antragsgegnerin mangele es an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO ermächtige die Gemeinden, in Satzungen die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln. Nach der Auffassung des BayVerfGH sei hier der sachliche Zusammenhang mit dem Friedhofszweck und damit auch der spezifisch örtliche Bezug in rechtlich einwandfreier Weise hergestellt. Der BayVGH hatte die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
  • BVerwG, U. v. 16.10.2013, 8 CN 1.12. Das BVerwG erklärt § 28 Abs. 2 BFS nunmehr wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht für unwirksam: Art. 24 Abs. 1 Satz 1 GO und Art. 8 und 9 BestG seien keine wirksamen Ermächtigungsgrundlagen. Dies allerdings wegen Verstoßes gegen den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes wegen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit von Steinmetzen; im Hinblick auf die Auslegung durch BayVerfGH und BayVGH, dass § 28 Abs. 2 BFS sich im Rahmen der von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 geforderten Zweckbestimmung halte und auch einen örtlichen Bezug aufweise, stellt das BVerwG nur fest, dass darin jedenfalls kein Verstoß gegen das kommunale Selbstverwaltungsrecht des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gesehen werden könne.

Ass. iur. Klaus Kohnen